ARNDT ZINKANT BEFRAGT DEN WISSENSCHAFTS-KABARETTISTEN VINCE EBERT
MAKE SCIENCE GREAT AGAIN!
Angela Merkel hat einst Physik studiert, ebenso wie Oskar Lafontaine. Beide gingen in die Politik. Auch Vince Ebert studierte Physik – und wurde Kabarettist. Deshalb kommt der Schelm seinem Publikum wohl auch gern mit nüchternen Zahlen. Er weiß, wie fragil die Frequenz des Stromnetzes ist oder warum die Energiewende nicht klappen will. In seinem neuen Buch fordert Ebert Innovationsfreude statt Verbotspolitik.
Mich hat sofort der Titel Ihres Buches angesprungen: „Lichtblick statt Blackout“. Ahnten Sie beim Schreiben, wie schnell die Wahrscheinlichkeit von Blackouts zunehmen würde?
Davor warne ich ja schon seit Jahren. Wenn man sich mit Leuten unterhält, die für die Stabilität unseres Stromnetzes verantwortlich sind, dann sagen sie, dass das Netz immer instabiler wird und die Anstrengungen, es aufrechtzuerhalten, stetig größer werden. Es ist also kein Thema, das mich erst seit Putin beschäftigt, aber seinetwegen ist es eben jetzt erst in den Medien präsent. In der Fachwelt wird es schon sehr lange diskutiert.
Wegen des sogenannten „Zappelstroms“?
Natürlich, unter anderem auch deshalb. Wir schalten leider grundlastfähige Kraftwerke ab – solche, die zu jedem Zeitpunkt Strom liefern können, also Kohle- und Kernkraftwerke. Obwohl es kein Geheimnis ist, dass Wind- und Solarenergie nur dann zur Verfügung stehen, wenn Wind weht und die Sonne scheint. Leider stehen noch keine großen Energiespeichersysteme im Terawattstunden-Bereich zur Verfügung. Diese bräuchten wir aber, wenn eine Dunkelflaute auftritt. Das Netz kann übrigens nicht nur zusammenbrechen, wenn zu wenig Strom eingespeist wird, sondern auch, wenn es zu viel davon gibt. Wir haben eine Netzfrequenz von 50 Hertz. Wenn ich zu wenig Strom einspeise, geht die Frequenz runter, wenn ich zu viel Strom einspeise, geht sie rauf. Und dieser Bereich muss auf 0,2 Hertz genau sein – das ist die Toleranzgrenze im Netz. Verflixt klein!
Erklären die Fachleute es den Politikern einfach zu schlecht? Als ich vor Jahren Jürgen Trittin interviewte, wollte er mich mit den Worten beruhigen: „Wir müssen uns in Deutschland keine Sorgen machen, weil wir ohnehin zu viel Strom besitzen!“
Es gibt solche und solche. Manche Politiker haben durchaus Ahnung von der Materie, andere wiederum sind extrem ideologisch geprägt. Aber wenn man sich mit denen unter vier Augen unterhält, merkt man, dass viele sich der Problematik durchaus bewusst sind – und zwar quer durch alle Parteien. Aber die Wähler mit unbequemen Wahrheiten zu konfrontieren, ist eben eine ganz andere Sache – da spielen auch viele psychologische Mechanismen hinein, zum Beispiel der Gruppendruck oder der Wunsch, nicht in die rechte Ecke geschoben zu werden. Und solche Mechanismen sorgen zurzeit dafür, dass wir uns alle ziemlich viele Märchen erzählen und hoffen, dass nichts Schlimmes passiert.
Gab es einen zündenden Funken, der Sie zum Schreiben des Buches animierte?
Es ist in 15 Jahren vieles an Gags oder Einsichten zusammengekommen. Und da dachte ich mir, ich bündele das – auch, um den Leuten mal aus einer soliden physikalischen Ecke zu erklären: Was genau wissen wir? Und warum funktioniert das alles nicht? Wohl vor allem deshalb, weil vieles, was wir unbedingt wollen, gegen physikalische Grundprinzipien verstößt. Stichwort „Zappelstrom“. Dazu kommt die globale Problematik. In einem Kapitel widme ich mich dem Unterschied zwischen Klima und Umweltschutz. In den 70er bis 90er Jahren war es relativ einfach zu sagen: Wenn der Fluss hier verdreckt ist, versuchen wir, ihn mittels Kläranlage sauber zu machen. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, da war man wahnsinnig, im Rhein schwimmen zu wollen. Heute ist das kein Problem mehr!
Aber der Klimaschutz hat ja globale Dimensionen.
Genau – wenn wir in Deutschland auf CO2 verzichten und gleichzeitig in anderen Ecken der Welt auf fossile Energieträger setzen, funktioniert es natürlich nicht. Nimmt man das Beispiel eines beschädigten Schiffes, dann ist es, als würden wir Deutschen ein millimeterkleines Leck stopfen, während viele Schwellenländer mit der Spitzhacke riesige Löcher in den Rumpf schlagen. Das ist ein Riesenproblem, auf das ich selber auch keine Antwort weiß. Dennoch muss man es zur Kenntnis nehmen.
Sie widmen sich im Buch der Frage, warum Deutschland partout immer Weltretter spielen möchte. Fridays-for-Future-Aktivisten scheinen uns tatsächlich für den „Game Changer“ zu halten. Dabei müssten die im Grunde ausschließlich vor der chinesischen Botschaft demonstrieren.
Wir Deutschen sind nun einmal tendenziell perfektionistisch. Das ist auch super, wenn wir Betonpumpen oder Zylinderkopf-Dichtungen bauen. Ein deutscher Ingenieur tüftelt eben so lange herum, bis die Duscharmatur zu 100 Prozent funktioniert. Das hat uns in vielen ingenieurtechnischen Bereichen zum Weltmarktführer gemacht. Denselben Perfektionismus praktizieren wir allerdings auch in puncto Ideologie. Sprich, wenn der Deutsche eine Idee zur Weltverbesserung hat, zieht er das Ding durch – egal, was der Rest der Welt macht.
Aber Ihr Buch heißt dennoch „Lichtblick statt Blackout“. Welche Lichtblicke halten Sie denn für ihre Leserschaft bereit?
Im Grunde bin ich trotz allem Optimist. Man bedenke, wie sich in den letzten 150 Jahren unsere Welt verbessert hat, wie die Armutsquoten zurückgegangen sind, die Technologie Probleme gelöst hat! Deshalb muss man die Energie und Innovationsfreude der Menschen fördern. Und das funktioniert in vielen anderen Ländern auch sehr gut. Wir Deutschen sind leider eher ein Volk von Bedenkenträgern und „German Angst“. Als zum Beispiel die Hoechst AG seinerzeit Insulin gentechnisch aus Bakterien hergestellt hatte, wurde das von Joschka Fischer wegen gentechnischer Bedenken verhindert. Was wäre, wenn morgen jemand einen emissionsfreien Treibstoff erfinden und kostengünstig auf den Markt bringen würde? Das würde ein Verbot des Verbrennungsmotors absolut überflüssig machen. Aber was tut die deutsche Politik? Sie behauptet, jetzt schon zu wissen, welche Antriebstechnologie in 20 oder 30 Jahren die beste sein wird – und verbietet alle anderen, die man einfach nicht haben möchte. Idiotisch!
Das Gender-Thema scheint Sie auch umzutreiben. Auf Facebook hatten Sie humorig angekündigt, Ihr Geschlecht zu wechseln, um ins Olympische Team der Damenringer zu kommen.
Erstens finde ich, dass das ein guter Gag ist, denn ich sehe mich ja als Satiriker. Wenn absurde Gesetze wie das zum Geschlechterwechsel beschlossen werden, ist es Aufgabe eines Hofnarren, sie satirisch aufzuspießen. Es ist außerdem so, dass dieses Gender-Dings in vielen Konzernen oder Behörden ein riesiges Gewicht bekommen hat, obwohl es sich in der Bevölkerung gar nicht spiegelt. Umfragen besagen, dass es um die 80 Prozent der Leute nur nervt. Vielleicht haben Sie auch mitbekommen, dass die Berliner Humboldt-Universität eine Biologin, die einen Vortrag halten wollte, aufgrund einer kleinen radikalen Minderheit wieder ausgeladen hat. Ihre These war, dass es biologisch nur zwei Geschlechter gibt. Wir erleben hier einen Rückfall in anti-aufklärerische Zeiten. Dieselben Leute, die in der Klimadiskussion „Follow the Science!“ rufen, gehen am nächsten Tag zur Uni und behaupten, es gäbe kein biologisches Geschlecht.
Klimawandel ist schon wieder so ein heißes Kabarett-Eisen. Sogar ein Publikumsliebling wie Dieter Nuhr hat sich mit Greta-Witzen die Finger verbrannt. Wie sind da ihre Erfahrungen?
Ich versuche, mich möglichst nicht an Einzelpersonen abzuarbeiten. Aber in meinem aktuellen Programm rechne ich aus, wie viel Strom wir in Deutschland tatsächlich speichern können, um eine Dunkelflaute zu überbrücken. Das geht bislang nur mit Pumpspeicherkraftwerken, also großen Stauseen, von denen wir momentan 36 haben. Das würde ausreichen, um Deutschland etwa 40 Minuten mit Strom zu versorgen. Nachdem ich diese Zahlen genannt habe, wird es im Publikum meist ganz still.
In letzter Zeit werden selbst bei Kabarettisten immer mehr Grenzen gezogen, Stichwort „Cancel Culture“. Dieter Nuhr hatte ich schon genannt, Monika Gruber hat sich zurückgezogen, Lisa Fitz hat neulich ebenfalls kräftig auf den Deckel bekommen. Macht Ihnen das Sorge?
In meinem aktuellen Programm thematisiere ich das – ganz am Ende. Dann rede ich über fünf Minuten, wie sich alles in den letzten 25 Jahren verändert hat. Damals war es vor allem wichtig, Gags zu schreiben, über die die Leute lachen – heute geht es vor allem darum, dass die richtigen Leute lachen. Das Hauptproblem ist, dass man sich schon beim Schreiben des Witzes beschränkt. Die berühmte Schere im Kopf ist da; das merke ich bei vielen Kollegen. Wenn aber Komödianten solche Ängste haben, ist das wirklich übel in einem Land, das sich Meinungsfreiheit groß auf die Fahnen geschrieben hat. Jenen, die mit dem aktuellen Mainstream konform gehen, fällt das natürlich nicht so auf.
Letzte Frage: Ein Motto von Ihnen lautet ja „Make Science great again“. Wie könnte das gelingen?
Leider habe ich kein Patentrezept – aber es wäre wichtig, wieder zu lernen, dass man andere Meinungen aushalten muss. Und einfach verstehen lernen, dass die Wissenschaft nicht im Besitz der letztgültigen Wahrheit ist. Ich sage: Wissenschaft ist die Methode, sich „nach oben“ zu irren. Im Übrigen sollte man einfach aushalten können, dass irgendwer vielleicht mal Quatsch redet. Vielleicht müssen wir einfach durch ein tiefes Tal, bevor wir wieder reden lernen, anstatt uns auf Facebook gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Also: Trinkt ein Bier miteinander und redet! Denn das, was uns Menschen verbindet, ist viel größer als das, was uns trennt.
INFO
Vince Ebert
Weil er im Alter von 14 Jahren ein Fan des Blues- und Boogie-Pianisten Vince Weber war, wurde Holger Ebert von seinen Klassenkameraden „Vince“ genannt. Unter diesem Spitznamen trat er seine Bühnenkarriere an. Mit seinem „Wissenschafts-Kabarett“ füllt er fraglos eine Lücke. Zuvor hatte der heute 54-Jährige Physik an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg studiert. 1994 wurde er Bayerischer Meister im Beachvolleyball.
Autor Arndt Zinkant / Fotos Frank Eidel
Erstmalig erschien dieser Text in Stadtgeflüster Interview Oktober 2022
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