Tim Schaepers fragt Tobias Storp nach einem guten Friseur in der Nähe
TERMINE, TERMINE, TERMINE
Wer kennt es nicht!? Ein Blick auf den Kalender sagt, dass man gestern eigentlich den bitternötigen Friseurtermin hatte. Das in Frankreich gegründete Unternehmen Planity hat es sich zur Aufgabe gemacht, das zu verhindern. Seit Anfang des Jahres ist es auch auf dem deutschen Markt aktiv. Mittlerweile zählen zudem über 20.000 Friseursalons, Beauty-Salons, Barbershops und Tattooshops zum Kundenstamm in Frankreich. Wie sie das machen und was das Erfolgsrezept ist, wollte Tim Schaepers von einem der ersten Mitarbeitern in Deutschland, dem Münsteraner Tobias Storp, wissen.
Digitalisierung ist eines der zentralen Themen der Bundesregierung. Du digitalisierst Friseursalons?
Auch, ja. Planity ist ein Start-up-Unternehmen aus Frankreich. Ursprünglich wurde das Produkt für Friseursalons und der Beauty-Branche entwickelt – Nagelstudios, Massagesalons, Barbershops und so weiter.
Wie muss ich mir eure Plattform vorstellen?
Im Mai sind wir in Deutschland online gegangen. Du gehst also auf unsere Seite und suchst zum Beispiel einen Friseur in deiner Nähe und kannst bei unseren Kunden direkt einen Termin vereinbaren. Das Prinzip kennt man von anderen Buchungsplattformen.
Was ist die Idee von Planity?
Die Plattform, die wir anbieten, regelt nicht nur die Terminabwicklung, sondern im Grunde genommen alles, was mit Buchhaltung zu tun hat. Terminbuchungen können bequem über unsere Plattform vorgenommen werden, 24/7. Über unsere SMS-Erinnerung, die der Kunde erhält, können zum Beispiel die sogenannten „No-Shows” – also Termine, die nicht wahrgenommen werden – um bis zu 75 Prozent vermieden werden. Durch die Online-Buchung müssen insbesondere kleinere Läden nicht ständig ihre Arbeit unterbrechen, weil das Telefon klingelt und sie kein Empfangspersonal haben.
Das ist das eine, was könnt ihr noch?
All das, was mit der Kasse zu tun hat. Wir machen den Gang zum Steuerberater viel einfacher. Bei Jahresabschluss müssen unsere Kunden nur zwei Mal die Maustaste betätigen und haben ihre gesamte Buchhaltung in digitaler Form erledigt, mit DATEV-Anbindung. So kann sich der Saloninhaber auf das fokussieren, was sein Spezialgebiet ist, und nicht noch „nervige” Themen nebenher erledigen.
Ihr wickelt also alles ab, was mit Zahlen und Daten zu tun hat?
Genau. Wir ersparen den Salons und Läden eine Menge Arbeitsaufwand, den man sich im Grunde lieber sparen möchte.
Bist du selbstständig als Franchiser oder Angestellter?
Ich bin angestellt bei Planity.
Hattest du Vorerfahrung als Digitalisierer von Beauty-Salons oder welche Referenzen musstest du vorweisen, um dort anzufangen?
(lacht) Nein, ich bin Quereinsteiger, so wie viele von uns. Meine Kolleginnen und Kollegen sind oder waren Influencer, Friseure und alles möglich Andere. Wir sind eine bunte Mischung. Ein Kollege hat zum Beispiel bei einem bekannten Shampoo-Hersteller gearbeitet. Mit diesem ist eine Kooperation entstanden und gemeinsam sponsern wir die German Hairdressing Awards dieses Jahr.
Wann hast du bei Planity angefangen?
Bevor ich angefangen habe, gab es zwei Mitarbeiter in Deutschland. Im März habe ich dann mit zehn weiteren Personen angefangen. Seither haben wir viel gemacht, hart gearbeitet, sodass der Name bekannt wird und Kunden mittlerweile auf uns zukommen.
So teilt ihr euch Deutschland gebietsweise auf?
Richtig. Wobei uns daran gelegen ist, dass die Gebiete nicht zu groß sind, damit unsere Kunden persönliche Ansprechpartner haben und die Zusammenarbeit vertraulicher ist. Wir wollen keinen Kundenservice im Ausland sitzen haben. Deshalb können die Kunden mich theoretisch auch direkt anrufen oder mir abends eine Nachricht schicken und wir schauen gemeinsam nach einer Lösung.
Wie viele Läden nutzen eure Plattform bisher weltweit?
Weltweit dauert noch etwas, da wir bisher nur in Frankreich, Belgien und Deutschland aktiv sind. Ich kann dir aber sagen, dass wir aktuell etwa 25.000 Friseursalons, Kosmetikstudios, Barbershops und so weiter betreuen und circa fünf Millionen Menschen über uns ihre Termine bei unseren Kunden buchen.
Und in Münster?
In Münster sind es bisher schon über 50 Salons, mit denen wir zusammenarbeiten. Diese werden jetzt nach und nach online gestellt.
Und wo soll es mal hingehen mit eurem Unternehmen?
Europa. Wir wollen Europas größte Buchungsplattform in diesem Bereich werden. Es gibt natürlich Mitbewerber auf dem Markt, gegen die wir uns durchsetzen wollen. Es kommen mittlerweile auch viele Tattoo-Studios auf uns zu, für die unser Produkt auch sehr interessant ist. Gerade so Dinge wie Buchhaltung. Schließlich hat nicht jeder einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund.
Wie bist du zu dieser Firma gekommen?
Meine Freundin ist Friseurmeisterin in Münster. Ich habe mich im Netz auf diversen Seiten immer mal nach einem neuen Job umgeschaut und hatte mir die Firma gespeichert. Und irgendwann habe ich mich ganz einfach drauf beworben. Innerhalb von einer Stunde bekam ich einen Anruf. Innerhalb von zwei Stunden hatte ich das Interview gemacht und binnen vier Stunden hatte ich den Vertrag.
Wow, das ging sehr schnell!
Auf jeden Fall. Es hat alles sofort gepasst. Das ist ein Traumjob für mich. Ich mache das definitiv mit großer Leidenschaft.
Wieso?
Zunächst einmal habe ich mich natürlich schlau gemacht, was Planity macht und wie die so aufgestellt sind. Dann hat mich sehr gereizt, dass ich unter den Ersten bin, die für die Firma in Deutschland an den Start gehen und dieses Produkt mit aufbauen darf. Den Aufbau voranzutreiben, ist eine sehr interessante Aufgabe, statt bestehende Strukturen bloß zu verwalten. Es war auch erstaunlich zu sehen, wie sehr dieses Produkt gebraucht wurde und wie gut es ankommt.
Du hast aber doch gesagt, dass es solche Systeme bereits gibt?
Das stimmt, so ähnliche. Aber es hat immer irgendwas gefehlt. Wir bieten im Prinzip ein Rundum-Paket. Unsere Kunden können sich ganz um ihre Arbeit kümmern, den Rest machen wir sozusagen.
Was hast du vorher gemacht?
Ich habe für ein weltweit operierendes Großunternehmen gearbeitet und meine beruflichen Reisen waren dementsprechend viel. Nach fast acht Jahren Konzern-Zugehörigkeit und ein Wohnort außerhalb meiner Heimatstadt, war die Münsterliebe stärker als die Leidenschaft für einen weiteren beruflichen Aufstieg. Intern habe ich dann meine Position gewechselt, sodass ich lediglich Account-Manager für Norddeutschland war.
Dann warst du also öfter zu Hause in Münster?
So war der Plan. Aber wie das so ist, war ich dann doch öfter unterwegs – beinahe wieder jeden Tag. Mein Zuhause in Münster, aber nicht zuhause gelebt. Dann kam da aber die Sache mit dem Schicksal. Ich wachte eines morgens auf und meine linke Seite war gelähmt, konnte nicht mehr laufen und mir ging es echt schlecht. Ich war länger krankgeschrieben. Als mich dann die Firma über den hinterlegten Notfallkontakt kontaktierte und ich Zahlen liefern musste, habe ich mich dazu entschieden, selbst in so einer Situation, das sichere Konzernleben zu verlassen.
Was hattest du denn? Wieso ging es dir so schlecht?
Das war erst gar nicht klar und hat sehr viel Zeit bei verschiedensten Ärzten und Krankenhäusern gekostet. Dann habe ich endlich die Diagnose ‚Multiple Sklerose‘ bekommen. Das war natürlich ein Schock für mich, aber wenigstens hatte das Kind einen Namen.
So was wirft einen aus der Bahn, nehme ich an?
Das kann man wohl sagen. Die Zeit war nicht leicht. Anfang diesen Jahres ging es mir nach vielen Therapien auch schon wieder etwas besser und ich schaute mich nach einem neuen Job um. Ich bin dann sehr schnell auf Planity gestoßen und habe diesen Job, vom ersten Tag an, mit Leidenschaft gelebt. Bis ich nach kurzer Zeit wieder einen MS-Schub bekam. Der Schub war so heftig, dass ich erstmal wieder im Krankenhaus lag.
Das auch noch?
Ja, aber als Teil von Planity habe ich das weltbeste Team hinter mir stehen. Nach drei Wochen Krankenhaus, sechs Wochen Reha mit anschließender Wiedereingliederung und Medikamentenumstellung bin ich fit und voll motiviert zurück im Einsatz. Das Ganze ging aber auch nur so schnell, weil meine Vorgesetzten und das ganze Team mich so unterstützt und alles möglich machen, um meinen Arbeitsplatz so zu gestalten, dass ich gut mit meiner Krankheit arbeiten kann.
So eine Reaktion wünscht man sich.
Richtig. Und das nach einer so kurzen Zeit im Unternehmen ist nicht selbstverständlich. Auch jetzt sehe ich, was wir zusammen schaffen und freue mich jeden Tag aufs Neue, unsere Plattform so schnell wachsen zu sehen.
Ich höre, dass du glücklich mit deinem neuen Arbeitgeber bist. Dass erst so eine einschneidende Diagnose kommen muss, bevor man in seinem Berufsleben so zufrieden ist, wie du es bist, ist sehr besonders.
Da gebe ich dir recht. Das letzte Jahr war eine große Herausforderung. Wenn man aber in einer solchen Situation eine Firma hat, die einen unterstützt und zu einem hält, ist das großes Glück. Außerdem hätte ich mich gar nicht um einen neuen Job bemüht, wenn ich gesund geblieben wäre.
Danke für das Gespräch. Ich wünsche dir viel Kraft und Erfolg für die Zukunft!
Vielen Dank.
INFO
Tobias Storp
Der 1988 geborene Tobias Storp hat nach der Mittleren Reife eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker gemacht. Nach dem Zivildienst hat er Fahrzeuglackier gelernt und anschließend als Anwendungstechniker in der Chemiebranche gearbeitet. Vor seinem Berufswechsel war der gebürtige Münsteraner weltweit im technischen Service für ein Chemieunternehmen aktiv.
Autor Tim Schaepers / Illustration Thorsten Kambach / Fotos Tobias Storp
Erstmalig erschien dieser Text in Stadtgeflüster Interview Oktober 2022
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