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Arndt Zinkant befragt Münsters Zoodirektorin Dr. Simone Schehka

WIR ZOOS SIND WIE EINE ARCHE

Seit rund elf Jahren kennen die Tiere im Allwetterzoo Simone Schehka, und entsprechend wird auch sie begrüßt, wenn sie morgens in der Frühe ihre Runde macht. Die promovierte Biologin arbeitete zuvor als Kuratorin, bevor sie im Sommer 2020 dann die Leitung des Zoos übernahm. Das war mitten im ersten Coronajahr. Wie der Zoo dies überstanden hat und wo ihr Team bei der Umsetzung des „Masterplans 2030“ aktuell steht, erzählt sie im Interview. Und: Wie man Verhandlungen mit Orang-Utans führt …

Vor knapp vier Jahren wurde vom Zoo der „Masterplan 2030“ vorgestellt, damals noch unter Ihrem Vorgänger Thomas Wilms. Inwieweit ist der noch realistisch? 

Der Plan ist seinerzeit mit viel Liebe zum Detail von uns entwickelt worden – und hat auch über den Führungswechsel hinaus seine Gültigkeit. Es geht darum, das Profil zu schärfen hin zu einem Klima- und Artenschutzzoo. Das ist unser Herzensanliegen. Natürlich sind die Sanierungsmaßnahmen, die es braucht, nicht mit Herrn Wilms mitgegangen. (lacht) Auch Attraktivitätssteigerung ist wichtig, denn wir wollen uns ja weiterentwickeln. Man sieht an unserem Artenschutz- und Klimacampus, dass uns diese Themen einfach innewohnen. 

 

Direkt vor Weihnachten haben Sie ja ein schönes Geschenk bekommen: eine Spende in Millionenhöhe von Herrn Horst Eschler, einem passionierten Zoofan. Aber angesichts der riesigen Gesamtsummen – fällt so eine Spende überhaupt ins Gewicht? Und wofür soll sie konkret ausgegeben werden? 

Es waren mehrere Spenden für verschiedene Bereiche, zum Beispiel Tausende Karten für Kinder. Die Spende im Dezember war konkret zweckgebunden für die Infrastruktur der Mitarbeiter: ein neuer Aufenthaltsraum sowie neue Sanitär- und Umkleideräume. Diese Sanierungen und Erweiterungen sind zweifellos nötig, im Masterplan aber zuvor nicht direkt verankert worden. Es ist wichtig, so einen Ort zu haben, wo man sich treffen oder auch Informationsveranstaltungen durchführen kann. Oder im Sommer mit der Belegschaft grillen. Der bisherige Aufenthaltsraum stammte von 1974 – dessen Sanierung war aber stets verschoben worden, weil wir meist alles Geld in die Tiere investieren.

 

Sie haben Ihr Amt ja im Sommer 2020 angetreten, also schon mitten in der Coronazeit. Inwieweit ist der Zoo davon betroffen, lässt sich das beziffern?

Ja, recht gut sogar. Gerade im ersten Coronajahr herrschte noch viel Verunsicherung, und wir hatten mehrere Monate geschlossen – also Einnahmeausfälle, mit denen nicht zu rechnen war. Die Eintrittsgelder sind ja letztlich unsere einzige Einnahmequelle. Zum Glück erfuhren wir aber auch sehr viel Unterstützung in Form von Tierpatenschaften und Spenden. Zudem wurden auch Zoos mit Hilfsmitteln vom Land NRW bedacht. Und unser Betriebsrat stimmte zu, mit den Mitarbeitern Kurzarbeit zu vereinbaren. Allerdings blieben 80 Prozent der Gesamtkosten unverändert – denn die Tiere können ja nicht ins Homeoffice! Die müssen weiter versorgt werden. Diese Durststrecke hat uns aber auch als Team zusammengeschweißt.

 

Und die behördlichen Auflagen?

Ich hätte anfangs nicht gedacht, dass ich ein Hygienekonzept nach dem anderen schreiben müsste. Natürlich möchten wir den Menschen einen sicheren Besuch ermöglichen. Aber der ständige Wechsel der Maßnahmen und Auflagen, etwa welches unserer Häuser wir öffnen dürfen und welches nicht, das alles lehrte uns eine immense Flexibilität. Im Ergebnis sind wir insgesamt schneller geworden und auch im Digitalen kompetenter. So haben wir „digitale Zooführungen“ durchgeführt, zum Beispiel für Schulklassen, die nicht kommen konnten. Also live digital durch den Zoo gewandert und dann zu den Schülern nach Hause gestreamt. 

 

Und die finanziellen Einbußen?

Die spürten wir im ersten Jahr deutlich – aber das vergangene Jahr war gar nicht so schlecht. Die Leute konnten ja auch nicht wegfahren. „In den Flieger und ab in den Urlaub“, das ging nicht. Diese Lücke haben wir quasi füllen können. Und die Menschen kamen! Wir haben übrigens auch ein eigenes Testzentrum aufgebaut, also die Schnelltests nicht an einen externen Dienstleister vergeben. So wurden die Besucher wie auch die eigene Belegschaft geschützt – und die Tiere, die sich übrigens ebenfalls anstecken können. 

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Hat sich denn eines angesteckt? 

Soweit wir das beurteilen können, nicht. Wenn man allerdings einem Gorilla mit Wattestäbchen in die Nase will, kann er durchaus ungemütlich werden. (lacht) So etwas geht nur, wenn ein Tier dieser Gefährlichkeit ohnehin in Narkose muss. 

 

Kommen wir noch mal zum Masterplan in puncto Artenschutz: Es waren ja Änderungen im Tierbestand geplant. Esel und Wildpferde sollten den Zoo verlassen, dafür kämen dann zum Beispiel Riesenotter, Brillenbären und Baumkängurus. Ist dieser Wechsel schon passiert? 

Im Prinzip schon. Die Riesenesel haben tatsächlich bereits den Zoo verlassen. In die Meranti-Halle (Anm.: Benannt nach einer hoch bedrohten Tropen-Baumart) werden nun Riesenotter einziehen. Dann sind im letzten Jahr bereits Rote Pandas hinzugekommen und jetzt im April folgen Rothunde. Sobald wir einen guten Platz für unsere Malaienbären gefunden haben, werden diese dann mit den ebenfalls gefährdeten Lippenbären vergesellschaftet. Alles in allem entwickelt sich der Tierbestand so, wie es der Masterplan vorsieht. Dazu gehört auch, dass wir uns für jene Tiere einsetzen, die es in freier Wildbahn schwer haben. Ebenfalls müssen wir die Population innerhalb des Zoos durch eine gute Auswahl von Nachzüchtungen gesund erhalten. Würden alle Zoos nur ihr eigenes Klein-Klein machen, fehlte die genetische Vielfalt, und wir bekämen kranke Populationen. Momentan sind wir Zoos wie eine Arche, weil die Lebensräume für die Tiere schwinden und wir sie daher auch nicht zurück in ihren natürlichen Lebensraum bringen können.

 

Als Zoodirektorin müssen Sie ja nicht nur Ahnung von Tieren haben, sondern auch von Betriebswirtschaft oder Marketing. Welche Fähigkeiten sind am wichtigsten?

Es geht ein bisschen so in Richtung „eierlegende Wollmilchsau“. (lacht) Gerade zu Anfang habe ich versucht, mich in alle Bereiche des Zoos einzuarbeiten, und glaube auch, dass ich sie mittlerweile alle verstehe. Das heißt aber nicht, dass ich die Expertin dafür bin. Genau für diese notwendigen Fachkenntnisse steht ein kompetentes Team bereit. So haben wir einen technischen und auch einen kaufmännischen Leiter oder auch einen Fachmann fürs Marketing. Wir besprechen alle entscheidenden Fragen im Team. Meine Stärke ist das bereichsübergreifende und ganzheitliche Denken. Es gibt im Zoo immer die drei Achsen: Tiere – Mitarbeiter – Besucher. Dieses Gleichgewicht muss bei allen Entscheidungen berücksichtigt werden.

 

Es ist eine Klischee-Frage, aber ich stelle sie trotzdem: Haben Sie im Zoobestand ihre Lieblinge? 

Ich liebe es, im Sommer in der Frühe durch den Zoo zu schlendern, wenn noch keiner da ist. Natürlich wird man dann von den Tieren auch begrüßt, die mich ja seit rund elf Jahren kennen. Und wenn es irgend geht, schaue ich bei den Orang-Utans vorbei. 

 

Das sind Schelme, oder? 

Vor allem haben sie eine ausgeprägte Persönlichkeit. Manchmal durchaus mürrisch, meistens aber gut aufgelegt. Ich erzähle es mal anhand einer Geschichte, die schon ein paar Jahre zurückliegt: Damals waren die Orangs an eine Eisenstange gelangt, die man ihnen aber nicht einfach überlassen konnte, weil sie mit all ihrer Kraft damit viel Unsinn stiften können. Ich wusste aber, dass unsere Orangs sehr raffiniert auf Tauschgeschäfte bedacht sind. Wenn man etwas haben will, muss man auch etwas geben. Im Personal-Kühlschrank fand ich dann eine einzige Banane. Von den Orangs wurde mir aber leider alles Mögliche andere zum Tausch angeboten, vom Stöckchen bis zur Mohrrübe. Als ich schon dachte, es ist aussichtslos, und die Banane zurücklegen wollte, hatte unsere clevere „kleine Französin“ (Mandi) dann doch plötzlich die Eisenstange parat. Orang-Utans bieten also nicht sofort das Wertvollste zum Tausch an – ganz clever!  

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Damit sind wir beim Thema Entertainment. Auch hier hat Münster ja eine gewisse Tradition. Zum Beispiel habe ich ihren Vorvorgänger Jörg Adler das erste Mal nicht in Münster, sondern in der Harald-Schmidt-Show gesehen! Mitsamt seinem Pinguin. Wie sehen Sie dieses Thema? 

Ich würde es nicht unbedingt Entertainment nennen, aber die Verbindung zu den Menschen ist unwahrscheinlich wichtig. Wie könnten wir Botschafter sein, wenn wir uns ins stille Eckchen verkriechen würden? Wir müssen die Menschen abholen. Man muss sie einladen, einen erholsamen und erlebnisreichen Zoo-Tag zu verleben. Das erreicht man weder durch Schweigen noch durch einen erhobenen Zeigefinger. Es gilt, eine Brücke zu den Menschen zu schlagen, und die kann dann eben durchaus über Harald Schmidt führen. 

 

Der Zoogründer Professor Landois war ja ein ziemlich schräger Vogel, der sogar einen „Katzenhasser-Verein“ gründete. Was käme für Sie infrage, vielleicht ein Orang-Utan-Verein? 

Den habe ich ja als europaweite Koordinatorin der Orang-Utans in menschlicher Obhut quasi schon. Am liebsten wäre mir ein Zoofan-Verein, aber den gibt es ja auch schon. (lacht) Schaut man sich Landois an, hat er ja offenbar deutlich polarisiert. Ich bewundere aber, wie er verstand, die Menschen zu erreichen. Und so etwas braucht jeder Zoo. Vielleicht wäre für mich ein „Tierrespekt-Verein“ das Richtige. Es liegt mir daran, dass wir im Zoo die Menschen sensibilisieren und sie die Achtung vor dem Tier und der Natur bei uns spüren. Vielleicht nehmen sie diesen Blick auf die Welt ja sogar mit nach Hause.    

 

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INFO

Dr. Simone Schehka

Studium der Biologie in Berlin, danach Promotion zum Dr. rer. nat. in Hannover, wo sie auch ihre berufliche Laufbahn begann, zunächst in der Wissenschaft. Doch die Nähe zum Tier war Simone Schehka laut eigener Aussage wichtiger. Zum Allwetterzoo Münster kam sie als Kuratorin 2011. Im Juli 2020 trat sie dann in der Nachfolge von Dr. Thomas Wilms die Leitung des Zoos an, übrigens als erste Frau in dieser Position.

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Autor Arndt Zinkant / Illustration Thorsten Kambach / Fotos Pressefotos

Erstmalig erschien dieser Text in Stadtgeflüster Interview April 2022

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