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Tom Feuerstacke und Leonard Lansink auf heißer Spur

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Wer hätte vor 25 Jahren gedacht, dass Münster Schauplatz ganzer 70 Delikte werden würde, deren Auflösung die hiesige Polizei vor große Probleme stellen sollte? Wer hätte seinerzeit vermutet, dass es eines kauzigen Buchhändlers bedurfte, mit Hilfe von Freunden und seiner besonders feinen Spürnase die Fälle zu lösen? Am Ende siegt bekanntermaßen eben stets das Gute – und damit Georg Wilsberg.

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MÜNSTERS ERMITTELNDER ANTIQUAR

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Moin, Leonard. Wir haben uns ewig nicht gesehen. Von daher freue ich mich, dass wir heute miteinander plaudern. 

Ja genau, das ist vernünftig.

 

25 Jahre „Wilsberg“. Wir vom Stadtgeflüster widmen euch eine ganze Ausgabe.

Geile Scheiße, cool.

 

Jetzt lese ich gestern, der Lansink könne sich ein Leben ohne „Wilsberg“ vorstellen. Harter Tobak?

Immerhin aus der WN. Wenn die Westfälischen Nachrichten das so schreiben, ist es ja annähernd richtig. Ich bin Schauspieler und kann mir alles vorstellen. Oder besser gesagt, mein Leben besteht daraus, mir etwas vorzustellen.

 

Was war denn der Hintergrund dieser Aussage? Willst du etwa aufhören?

Das Gegenteil. Ich habe nie gedacht, ich muss jetzt Schluss machen. Ich kann mir eher vorstellen, dass wir noch 100 Episoden mehr drehen, als jetzt die Geschichte zu beenden.

 

Wann hast du denn mit der Westfälischen Nachrichten gesprochen?

Mit der dpa habe ich vor zwei Tagen in Hamburg auf einem Pressetermin gesprochen. Dass wir die 25 Jahre „Wilsberg“ nicht in Münster feiern, hatte rein pragmatische Gründe. Es handelte sich um einen Pressegesprächstermin mit den Printmedien, die nun mal in Hamburg sitzen.

 

Das sah gesellig aus – und es gab ja sogar eine Torte mit einer 25 drauf?

Die war praktisch eine Zugabe nachmittags nach Feierabend. Das war keine Riesenparty, die für uns geschmissen wurde. Erst einmal musste ich mit zehn Journalisten reden, hintereinander weg. Um 15:30 Uhr war Feierabend, wo uns die Torte sozusagen überreicht wurde. Dann wurden noch ein paar Fotos geknipst und wir haben uns alle schön aus dem Staub gemacht.

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Ich dachte, ihr habt mal ordentlich einen Tisch durchgetreten auf der Reeperbahn?

Nee. Nix davon. Wir nennen das hier lieber „ein Arbeitsessen in netter Gesellschaft“. Das stellen wir an dieser Stelle mal richtig.

 

Aber wie kam es denn zu der Verwechslung, mit „Lansink hört auf“?

Die dpa-Kollegin fragte mich, ob ich mir ein Leben ohne „Wilsberg“ vorstellen könnte. Ich antwortete, dass ich mir alles vorstellen könnte, da ich ja schließlich Schauspieler bin. Allerdings könnte ich mir eben nicht vorstellen, auf meine Kollegen zu verzichten. Eingekürzt wurde daraus, Lansink könne sich „ein Leben ohne ‚Wilsberg‘ vorstellen“. Es heißt allerdings was völlig anderes.

 

Wäre es für Georg Wilsberg denn vorstellbar, nicht mehr im Blickpunkt der Stadt Münster zu stehen?

Für Georg sicherlich. Der würde am liebsten seinen Buchladen von innen abschließen, damit niemand mehr reinkommen kann. Die Frage ist nur, wer schickt ihm dann das Geld?

 

Von Aufhören also keine Spur. Du machst weiter?

Als wir den 50. „Wilsberg“ abgedreht hatten, habe ich gesagt, dass wir jetzt bis zum 75. planen. Das ging ein bisschen zügig, schließlich sind wir jetzt bei der 70. Was nun? Also verschieben wir unsere Gedanken zur Planung und schauen jetzt erstmal der
100. Folge entgegen. Die Missinterpretation der dpa reicht allerdings nicht für eine Gegendarstellung. Wir wollen es heute mal nicht übertreiben. (Lacht)

 

Was ins Auge sticht: Alle, mit denen ich für diese Ausgabe Interviews geführt habe, sagen, ein Leben ohne „Wilsberg“ wäre schwierig. Aufeinander zu verzichten quasi unmöglich. Wirkt ein wenig abgesprochen … Ist es echt so, dass ihr ohne einander nicht mehr könnt?

Es ist wohl eher so, dass wir uns alle gegenseitig adoptiert haben. Inzwischen finden wir uns prima. Wir sind echt enge Kumpels. Während Rita Russek Paule in Modefragen berät, sprechen Korittke und Jankowski mit mir über Männerprobleme. Seit Neuestem haben die beiden Kerle auch Kinder im Alter von fünf oder sechs Jahren. Da sind die natürlich auch Gesprächsthema. So hat sich das zum Familientreffen entwickelt. Nebenbei drehen wir dann auch noch „Wilsberg“.

 

Du sagst, mittlerweile haben wir uns lieb. Gab es eine Phase, in der ihr euch nicht so gut riechen konntet?

Nein, das nicht. Aber es gab eine Zeit, in der es mühsam war, weil man sich seltener sah. Dadurch dauerte es natürlich länger, bis man sich reingekämpft hatte. Das ist heute wesentlich entspannter. Wenn wir in Münster aus dem Zug steigen, mögen wir uns ab Hauptbahnhof wieder.

 

Ihr mögt euch nur in Münster?

Na gut. Wenn wir uns in Berlin, Hamburg oder Köln treffen, mögen wir uns auch. Es gab nie eine Phase, wo wir uns gegenseitig auf den Geist gegangen sind. Maximal gab es Etappen, in denen es schwieriger war – und solche, wo es leichter fiel.

 

Das klingt aber schon so ein bisschen wie befohlen?

So soll es nicht rüberkommen. Jeder hat seine eigenen Bedürfnisse, die er so mitbringt. Paule dreht den Zürich-Krimi und anderes, Korittke beschäftigt sich mit Experimentalfilmen und Rita verbringt den Sommer gerne auf Elba. Und mit diesen Gedanken im Kopf kommst du nach Münster und triffst dich mit deinen Kollegen. Das sorgt dafür, dass wir uns um uns kümmern und die anderen Dinge, die uns beschäftigen, solange beiseitelegen.

 

In den beiden Jubiläumsfolgen spielt nie das gesamte Ensemble mit. Wie hast du reagiert, als du erfahren hast, dass ihr nur in abgespeckter Version zu sehen seid?

So war das nicht. Wir wurden Anfang letzten Jahres gefragt, wer für diese Aufnahmen im Sommer Zeit und Lust hat. Da durften dann alle aufzeigen. Ursprünglich waren alle außer Korittke am Start, der den Sommer mit seiner Familie, vor allen Dingen mit seiner Tochter, verbringen wollte. Eben, damit er sie auch aufwachsen sieht.

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Nachvollziehbar.

Somit war das Drehbuch geschrieben für Paule, Rita und sogar den kiffenden Leichenbestatter aus dem Friesland-Krimi. Der wollte unbedingt mitspielen. Dann kam dazwischen, dass das Team vom Zürich-Krimi den Drehplan umgeschmissen und Paule auf einmal keine Zeit hatte. Also wurde kurzerhand ein neues Skript geschrieben. Mit dem neuen Text fiel dann aber der kiffende Leichenbestatter aus dem Friesland-Krimi weg, der wiederum mit Detlev Buck eine Produktion mit zahlreichen Drehtagen hatte. Also wurde Zackzack das Drehbuch wieder geändert. Man kann durchaus sagen, dass dieses Drehbuch das meist-umgeschriebene Buch der Welt ist.

 

Als ihr Ende der 90er Jahre zu den Dreharbeiten des „Wilsberg“-Piloten unterwegs wart: Hättest du je einen Gedanken daran verloren, dass es zu diesem Hype um die Serie kommen würde?

Ich hätte eher gelacht. Es war am Anfang ja nie geplant, dass wir mal 75 Folgen drehen könnten. Es gab ein Drehbuch, das habe ich seinerzeit bekommen. Das hatte ungefähr 90 Seiten. Zudem gab es einen Produzenten, einen Regisseur sowie einen Redakteur, die gesagt haben, wir haben hier einen Film, der läuft an einem Montagabend als „Fernsehspiel der Woche“. Ich wurde gefragt, ob ich das nicht drehen wolle. Kein Ding, dachte ich mir. Ich las mir das Drehbuch durch und fand es gut. Die Geschichte war prima, ich hab das gerne gemacht. Ein Jahr lang habe ich nichts gehört, bis derselbe Produzent mir anbot, noch einen „Wilsberg“ zu drehen. Allerdings war alles total überraschend und schleppend. Wir drehten den Ersten, den Zweiten. Dann kamen wir ins Samstagabendprogramm. Von da an war klar, dass das eine längerfristige Sache werden könnte.

 

Ab wann stand fest, dass ihr aus der Samstagabendlandschaft im TV nicht mehr wegzudenken seid?

Als wir neulich bei ZDFneo das eigene Hauptprogramm geschlagen haben (Scherz). Ab dem Moment wusste ich, dass wir es geschafft haben.

 

Ja, ZDFneo gibt es aber noch nicht so lange?

(Lacht) Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Man bekommt den Erfolg mit, wenn man sich auf der Straße bewegt. Schließlich sehe ich die Zuschauer ja im richtigen Leben auch. Da bekommt man dann gespiegelt, dass die Leute uns mögen und die Arbeit, die wir machen, schätzen. Sie geben uns quasi die Zuneigung zurück, die wir versuchen, in den Film einfließen zu lassen.

 

Wie begegnen dir die Leute auf der Straße?

Vor allem freundlich. Es gibt niemanden, der sich ärgert.

 

Echt nicht? Du hast noch nie einen gehabt, der dir sagt, was das denn für eine Scheiße gestern war?

Nein, auf der Straße nicht. Bei Facebook gibt es mehrere, die sich trauen, einem Scheiße „ins Gesicht zu sagen“. Ich würde das offensiver nennen, wie man einem bei Facebook begegnet. Schließlich kannst du dich hinter so einem Netzwerk ja gut verstecken. Aber auf der Straße sind alle nett. Man bekommt sogar Mitleid, sollte mal einer gestorben sein. Die Zuschauer sind betroffen, wenn die Figur in den nächsten Folgen nicht mehr zu sehen ist. Außerdem beschäftigen Anna und Georg natürlich das Tagesgeschehen neben dem Prinzenpaar aus England.

 

Ernste Themen werden bei euch humoristisch aufgearbeitet.
Wie bekommt ihr das hin?

Verletzungen dürfen nicht zu tief gehen, so läuft das. Als Beispiel: „Wilsberg“ und Kinderpornografie, das würde nicht funktionieren. Schließlich gibt es Dinge, die kann man nicht humoristisch beleuchten.

 

Mädchen aus dem Ostblock, die hier anschaffen müssen, gab es aber schon in einer eine Folge.

Stimmt, in einem Film gab es russische Prostituierte, die in einem Bordell gearbeitet haben. Wir zeigen einen Abklatsch der Wirklichkeit, weil um die Uhrzeit ja nichts gezeigt wird, was den Familienfrieden stören könnte. Wir drehen ja nicht im Frankfurter Rotlichtmilieu hinter dem Bahnhof. Bei uns sieht ein Bordell aus wie ein Freudenhaus mit Wohlfühlcharakter, wir offenbaren halt nicht, was auf den Zimmern passiert. Aller Leichtigkeit zum Trotz, mit der wir das zeigen, weiß jeder, dass das Elend der Mädchen, die in diesem Etablissement arbeiten müssen, groß ist. Deshalb werden solche Figuren bei uns auch nicht von Mädchen, sondern von jung aussehenden erwachsenen Frauen verkörpert, die Schauspielerinnen sind. Es ist natürlich alles etwas geflunkert bei uns. Aber der Kern der Wahrheit ist vorhanden. Trotzdem haben wir einfach Grenzen, in denen wir uns bewegen.

 

Würdest du auch mehr Grenzen aufzeigen, indem du deinen Finger hebst und sagst, das drehe ich nicht?

Geschmacklich sind wir eh alle auf derselben Seite. Von uns würde beispielsweise niemand daran denken, etwas zu schreiben oder zu spielen, das mit Missbrauchsfällen auf dem Campingplatz oder Kinderpornografie zu tun hätte. Wir würden nicht mal über Missbrauch in der katholischen Kirche schreiben oder spielen, was in Münster ja möglicherweise ein Thema sein könnte.

 

Leonard, du wurdest in Hamm geboren. Wie lange hast du dort gelebt?

Einen Tag. Meine Mutter wollte eigentlich nach Münster, hat es mit mir aber nur bis Hamm geschafft. 

 

Wie bitte?

War ‚n Scherz. Meine Mutter hat mich im Marienhospital in Hamm geboren. Sie verschwand ohne mich aus dem Krankenhaus. Ihre Eltern haben mich dann aus den Fängen der Schwestern befreit. Dementsprechend bin ich in Gelsenkirchen aufgewachsen, der Heimat meiner Großeltern.

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Damit erklärt sich dein absoluter Ruhrpott-Slang. Wie bewegt man sich außerhalb Ruhrgebiets im doch eher zurückhaltenden Münster?

Wenn man nicht gerade aus dem südlichen Ruhrrevier kommt – Richtung Rheinland ist es doch derselbe Menschenschlag. Also ich finde das alles ganz einfach. Ich habe meine erste Barbourjacke in Münster gesehen, aber sonst alles ganz easy.

 

Leonard, was erwartet uns eigentlich noch so bei „Wilsberg“? Auch wenn der Weg kurz erscheinen mag: Bis zur 100 sind es ja doch noch einige Meter…

Gute Frage. Ich habe überhaupt keine Vorstellung. Wir werden schon an den Themen der Zeit dranbleiben. Die werden auch weiterhin so plausibel verpackt, dass die Zuschauer am Samstagabend Spaß an uns haben.

 

Dann frage ich anders: Was erwartet uns nicht?

Das kann ich ziemlich sicher sagen: Eine Eheschließung zwischen Anna Springer und Georg Wilsberg.

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Jetzt hast du das ganze Interview gesprengt! Ich hatte bis gerade die Hoffnung, dass du mir sagst, es wäre in der nächsten Folge soweit?

(Lacht) Das wäre wie „Casablanca“ mit dem falschen Schluss. Ergibt doch gar keinen Sinn. Stell dir mal vor, der falsche Kerl wäre mit der Bergmann ins Flugzeug gestiegen. Was wäre das für ein Ende für den Film gewesen!

 

Was hindert Georg daran, Anna seine totale Liebe zu gestehen?

In erster Linie seine Bindungsängste. Er möchte alle Vorteile ohne die Nachteile. Georg ist einfach eine faule Socke, was Beziehungen angeht.

 

Was vermutest du, warum die Anna dem Georg die Liebe nicht gesteht?

Der Georg mischt sich zu sehr in das Berufsleben von Anna ein. Er macht ihr da was streitig und das findet sie nicht so gut. Während sie lieber Kaffee und Kuchen mit ihm zu sich nimmt, möchte er in ihren Akten auf dem Revier schnüffeln. Das geht nicht zusammen.

 

Wenn man Georg über den Bildschirm laufen sieht, erkennt man Leonard?

Ich nehme Leonard mit zur Arbeit. Das ist schon so. Allein meine Haarpracht bringe ich ja mit. Jeder weiß ja, wie ich aussehe. Außerdem hinke ich und kann keinem Bus in Münster hinterherrennen. Wir können leider nicht erklären, warum das mit dem Hinken so ist, da Georg ja keinen Reitunfall hatte. Schließlich weiß Wilsberg nicht mal, wie Pferde funktionieren. So muss Georg mit meinen körperlichen und optischen Mängeln leben.

 

Was hast du denn von Georg angenommen?

Wir haben zusammen zu rauchen aufgehört. Das ist schon ganz okay. Und ich bin offener geworden. In Wirklichkeit wäre ich noch schweigsamer als Georg.

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Wo kommt ihr beide nicht zusammen?

Wilsberg ist knauseriger als ich. Womit der großzügig umgeht, sind die Zeit und das Eigentum anderer Menschen. Seine Freigiebigkeit kennt keine Grenzen, wenn es um das Auto von Ekki geht oder das Geld von Alex. Außerdem arbeitet er ja ausschließlich aus Zuneigung. Kohle spielt ja überhaupt keine Rolle in dem Buchladen.

 

Danke, Leonard. Hoffentlich treffen wir uns bald wieder in Münster.

Jau, das wird klappen. Und bring dann bitte eine Ausgabe mit.

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INFO

Der 1956 in Hamm geborene Lansink ist als Schauspieler für seine Rollen in Krimis bekannt. Seine wichtigste Figur kann aus Münsteraner Sicht aber nur die des Georg Wilsberg sein.

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Viele, viele weitere Infos zum Leonard Lansink erfahrt Ihr am besten hier:

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Autor Tom Feuerstacke / Illustration Thorsten Kambach

Erstmalig erschien dieser Text in Stadtgeflüster Interview

Februar 2020

​Alle Rechte bei Stadtgeflüster – das Interviewmagazin vom

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