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Tom Feuerstacke und Kolja Steinrötter sprechen über Frauenfußball und mehr

WIR SCHWITZEN ALLE GLEICH

Die Fußball-Europameisterschaft der Frauen ist vorüber und das deutsche Team hat einen begeisterten 2. Platz belegt. Mit Lob überschüttet kehren die Damen zurück und jeder möchte sich im Erfolg des Teams sonnen. Dabei ist Fußball bei den Frauen noch immer ein Stiefkind im „Großen und Ganzen“. Es zeigt sich einmal mehr, wie wenig das Interesse den Damen über die Jahre zu Teil wurde. Ein ständiger Kampf um Gleichberechtigung im Fußball ist im vollen Gange und kein Ende ist in Sicht. Besonders leiden darunter Teams in den unteren Klassen, die für ihre Leidenschaft vom großen Kuchen ‚Geld‘ nichts abbekommen. Dabei geht es nicht nur um Geld.

Kolja, kaum ein Mann wird so stark in Verbindung mit Frauenfußball gebracht wie du. Wie bist du an die Damen von Blau Weiß Aasee geraten?

Während meiner Studentenzeit habe ich regelmäßig auf der Sentruper Höhe gekickt. Wir waren gemischte Teams. Also habe ich schnell gemerkt, dass Frauen auch was am Ball können. Bei Aasee hörten damals die Trainer der Damenmannschaft auf und ich wurde gefragt, ob ich als Coach einsteigen möchte. Da ich zwei Frauen aus dem Team kannte, sagte ich zu.

 

Deine Entscheidung, ein Frauen-Team zu coachen, basierte darauf, dass du zwei, drei Spielerinnen kanntest. Nicht schlecht. Das ist vermutlich der häufigste Grund, warum ein Trainer ein Team übernimmt?

Nee (lacht). Jetzt fällt es mir wieder ein; das war vor circa 12 Jahren. Geil. Das ist überhaupt die Idee, dachte ich damals. Ich als großer Pep Guardiola-Fan übernehme ein Damenteam und lasse es spielen wie den großen FC Barcelona.

 

Ein sehr bescheidenes Ziel, was du dir und deinem Team gesteckt hattest für den Anfang?

Ich hatte relativ schnell gemerkt, dass die Mädels auf diesen Spielstil Bock hatten. Wir haben angefangen, alles etwas anders zu machen und eine bestimmte Art des Fußballspiels zu trainieren. Davon war das Team schnell überzeugt.  

 

Der Kolja kam und Aasee spielte wie der FC Barcelona?

Das war eine langsame Entwicklung. Aber ich kann sagen, dass es ein unglaubliches Gebolze war, als ich damals bei Aasee begonnen habe. Im Frauenfußball wurde vor Zehn Jahren recht eindimensional gespielt. Du hast eine Spielerin, die den Ball sauber spielen kann. Alle anderen bolzen den Ball nach vorne und die Spielerinnen rennen hinterher. Das heißt, wir hatten ziemlich schnell in jedem Spiel um die 80 Prozent Ballbesitz, haben dann aber trotzdem die Spiele verloren.  

 

Das spielerisch bessere Team zu sein und dann verlieren; was habt ihr daraus mitgenommen?
Zwei Dinge waren wirklich wichtig. Die Mädels waren schnell weniger frustriert, weil sie gemerkt hatten, dass sie das bessere Team sind. Somit rutschte das eigentliche Ergebnis in den Hintergrund. Zum Zweiten sprachen uns immer häufiger Damen aus den anderen Vereinen an, ob sie bei uns spielen könnten. Das war die beste Werbung, die wir in eigener Sache an den Start bringen konnten. Wir haben natürlich angefangen, Spiele zu gewinnen. Bis wir Begegnungen dominiert und gewonnen haben, hat es 5 Jahre gedauert.  

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Kaum ein anderer hier im Kreis Münster Warendorf steht als Mann so für den Frauenfußball wie du. Der Frauenfußball muss mehr gefördert und in den Fokus gerückt werden. Viele Vereine investieren mittlerweile in die Damen. Der Fußball ist auch sichtbarer geworden. Was fehlt im Frauenfußball jetzt, damit ein weiterer großer Schritt gemacht werden kann?

Ich glaube, dass uns allen, egal ob Frauen oder Männern, die so lange im Fußball tätig sind, es unglaublich schwerfällt, mit dem nötigen Abstand auf Verbands- und Vereinsstrukturen und den Weltfußball zu gucken. Dabei zu erkennen, was man ändern kann und sollte. Es fehlt vielen Leuten die Utopie zu sehen, was für Möglichkeiten eigentlich da sind. Wir kämpfen für Gleichberechtigung. Wir wollen gleiche Bedingungen im Fußball für Mädchen und Frauen, wie sie bei den Jungs und Männern vorherrschen. Da muss man nicht mehr nur über die Gleichberechtigung im Fußball reden. Da muss man über das Geld reden. Und das ist ein Thema vor allem im Amateurbereich, da sticht man ins Wespennest. 

Das mit dem Geld ist ja hinlänglich bekannt und wurde auch in einer Dokumentation beleuchtet. Allerdings redet niemand gerne darüber. Aber was genau braucht der Damenfußball?
Über die Problematik der Schwarzzahlungen im Fußball spricht niemand und das ist ein riesiges Problem. Dieses Geld fehlt im Damenfußball und in der Fußballförderung. Es fehlt letztendlich in allen anderen Sportarten. Es schadet allen. Also klar: Es geht immer um Gleichberechtigung. Ich bin aber der Auffassung, dass sich der Fußball ändern muss. Die Strukturen müssen sich ändern. Wir brauchen andere Verbände. Da würde ich größer ansetzen. Den Frauen ist nicht damit geholfen, dass sie bisschen mehr Geld und Aufmerksamkeit bekommen. Dann sind sie am Ende ein kleiner Männerfußball.       

 

Da sprechen wir eine Sprache. Der Amateurfußball, besonders in den unteren Regionen, leidet deutlich unter den Entscheidungen der großen Verbände. Vor allem finanzielle Umverteilung. Reiche werden reicher und es bleibt kein Geld für die Kleinen. Am Ende braucht es vermutlich eine Revolution, denn die Entscheidungen der Verbände zeigen ja, in welchem starren und verstaubten Korsett sie sich bewegen?
Das Ziel müsste lauten: Weg mit dem DFB und seinen Verbänden. Weg auch mit der FIFA und UEFA. Das ist natürlich erst mal ein unrealistisches Ziel. Aber jeder, der von außen auf den Fußball schaut, muss doch zu der Einsicht gelangen, dass all dies Verbände aufgelöst werden müssen. Natürlich ist das unrealistisch. Aber wir müssen erkennen, dass man keine Veränderungen mehr bei den Verbänden schafft. Man muss anfangen, parallele Strukturen zu schaffen. Man muss Druck aufbauen. 

 

Wenn du als kleiner Verein machtlos bist, gibt es am Ende des Tages nur die Möglichkeit, sich aus dem Verband zu verabschieden. Denn auch die Machtlosigkeit beeindruckt. dieser schier endlos wirkende Kampf wird vermutlich nicht erfolgreich enden?

Es kann durchaus beeindruckt sein, wenn man Machtlosigkeit begegnet. Man sollte aber nicht unterschätzen, was man in der eignen Mannschaft oder dem eigenen Verein machen kann –  natürlich mit der nötigen Sichtbarkeit und Außendarstellung. Es geht mir dabei um die Blut-Schweiß-Tränenmentalität. „Kommt Männer noch mal angreifen“ –  das ist eine sehr männlich geprägte Denkweise. Ich finde, dass da ein Hebel sitzt, den man anwenden kann. Jede Kreisligamannschaft hat einen fucking Strafenkatalog. Das kann man anders machen. Die Mannschaften und Vereine müssen deutlich mehr demokratisiert werden. Es muss eine gesellschaftliche Solidargemeinschaft werden, die den Einstieg niedrigschwelliger gestaltet. 

 

Das musst du mir an einem Beispiel aufzeigen?

Armutsdiskriminierung im Fußball ist schon ziemlich krass. Wer seine Beiträge nicht zahlen kann, wird bei vielen Vereinen auch nicht vor den Ball treten. Was mache ich also mit denen, die keine Knete haben, aber spielen wollen. Warum schafft man nicht die Möglichkeiten, dass sie sich als Gegenleistung im Verein engagieren. Die meisten Vereine, die gegen Homophobie und für Gleichberechtigung stehen, sind elitäre Vereine, deren Mitglieder häufig auf der Sonnenseite des Lebens laufen. Gehe da mal hin und sage: „Ich will kicken, nur habe ich gar kein Geld.“ Das wir für Erwachsene eine schwierige Angelegenheit.  

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Solidarität und Demokratisierung im Fußball ist schon ein spannendes Thema. Stellt sich die Frage, wie das im Leistungsbereich umgesetzt werden könnte?

Ich bin in vielen Bereichen nicht so der Experte und weiß nicht, was im Profibereich passiert. Wie man aber sicherlich merkt, bin ich nicht der größte Fan der Strukturen, die vorherrschen. Besonders die im Amateurbereich. Da bleibt halt viel auf der Strecke und das besonders bei den Frauen.

 

Wir müssen da mal ins Eingemachte kommen. Was bleibt wirklich auf der Strecke?

Mir haben Damen, die bei mir spielen, ihre Erlebnisse erzählt, als sie als Jugendliche im Fußballinternat waren oder in der Bundesliga gespielt haben. Da ging es halt arg rücksichtslos zur Sache. Das ist vermutlich bei den Jungs nicht anders. Da wird ohne Rücksicht auf Verluste gesiebt und sortiert. Es stellt sich die Frage, warum der Spaß am Fußball dabei verschwinden muss.

Wenn du bis in die A-Ligen herunter Prämien zahlst und Spieler vergütest, ist es ab dem Moment schwierig, eine Solidargemeinschaft zu etablieren, die sich als Mannschaft selbstbestimmt. Vielmehr bist du ja quasi dem Verein verpflichtet?

Da hast du recht. Aber das viel größer Problem liegt darin, dass die Trainer unterschiedlich bezahlt werden. Ein Frauentrainer bekommt in der Landesliga ein Fünftel von dem, was sein Gegenüber im Männerfußball bekommt. Der Aufwand, der aber betrieben werden muss, ist bei beiden Teams gleich.   

 

Das ist ein deutlicher Unterschied und man hat den Eindruck, dass es niemanden interessiert?

Dabei geht es mir nicht darum, dass ich das Gleiche bekomme wie Männertrainer oder die Prämien angeglichen werden. Aber warum muss im Männerfußball überhaupt so viel bezahlt werden? Warum müssen ständig noch größere Sponsoren gefunden werden. Mal eben 20.000 Euro in den unteren Ligen, um sportlich erfolgreich zu sein. Wenn solche Summen das letzte übergebliebene Argument für Erfolg im Amateurfußball sind, dann läuft was falsch.

Keine Frage.
Das gibt es in keiner Sportart. Da muss was passieren. Sonst wird die Schieflage immer größer. Über Gleichberechtigung reden, aber aus Angst des Misserfolges immer mehr Geld in unterklassige Mannschaften pumpen, widerspricht sich. Denn solange ich nur dem Erfolg hinterherlaufe und das Wesentliche, den Fußball an sich, vergesse, wird es auf Dauer für kleine Vereine schwer, ordentlichen Fußball anbieten zu können.

Danke Kolja und wir sehen uns auf den Plätzen des Kreises, kämpfend für fairen Fußball.
So wird es sein.

INFO

Kolja Steinrötter

Der Galerist aus Münster steht wie kein Zweiter für den Frauenfußball in Münster. Am Ende können die Frauen von Blau-Weiß Aasee von Glück sprechen, dass ihr Trainer frühzeitig gemerkt hat, dass sein Platz nicht auf, sondern neben dem Grün ist.

Autor Tom Feuerstacke / Fotos Ewald Freitag

Erstmalig erschien dieser Text in Stadtgeflüster Interview Oktober 2022

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