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2022-11-07 Stadtgeflüster Illustration Ekki kurz.tif

Peter Sauer spricht mit Vera Deckers über Comedy und Psychologie

MIT HUMOR UND INFOTAINMENT GEGEN KRISEN UND SCHLECHTE LAUNE

Eigentlich wollte Vera Deckers immer Schauspielerin werden, studierte dann aber Psychologie. Durch Zufall kam sie zum Kabarett, Johann König hat sie entdeckt. Mit ihrer mitreißenden Mischung aus Comedy und Infotainment ist sie mittlerweile zu einer eigenen Marke geworden. Aktuell ist sie für Tegtmeiers Erben nominiert, dem bundesweiten Wettbewerb für Bühnenoriginale. Höchste Zeit für ein Gespräch.

Grüß Dich Vera, na, wobei habe ich Dich gerade gestört?


Ich sitze im Bademantel vor dem Fernseher und trinke gerade das dritte Piccolöchen … So stellt man sich das doch bei Künstlern vor, oder? Ok, ich habe gerade die Wäsche auf dem Dachboden aufgehängt und gönne mir jetzt einen grünen Tee. 


Vera, wann ging das bei Dir mit dem Humor los?


Ich war auf einer Mädchenschule. In der 7b habe ich mit meinem blonden Feenhaar Otto Waalkes nachgemacht. Ich hatte auch immer lustige Rollen bei Bühnenauftritten in der Schule. Keiner wollte die Männerrollen spielen, ich wollte lieber Lacher und Herausforderungen, als einfach  als schönes Mädchen über die Bühne zu flanieren. So spielte ich beim Schulstück mal einen betrunkenen Mann, der über die Bühne torkelte, eine Rolle, die schon Willy Millowitsch gespielt hat. 


Hattest Du als Kind Lieblingslieder, die heute noch wichtig für Dich sind?


Bester Song heute bei mir ist „Under Pressure“ von Queen. Um vor den Auftritten Dampf abzulassen. Damals wie heute „Super Trouper“ von ABBA. Ich dachte lange, „Super Trouper“ bedeute, dass ich auf der Bühne stehe, Scheinwerfer voll an, die Show geht ab. Erst viele Jahre später merkte ich, dass der Song von ABBA von etwas völlig anderem handelt, nämlich vom Heimweh von Künstlern.


Was sind Deine schönsten Kindheits- beziehungsweise Jugenderinnerungen?


Wir sind mit unseren Eltern viel gereist. Die waren sehr sportlich. Das heißt, wir haben zwar auch Sightseeing gemacht, es war aber auch immer viel Zeit, um Tennis zu spielen und zu schwimmen. 


Stimmt es, dass Du an einer Schule voller Komiker warst?


Ja, das kann man so sagen. Ich war am Clara-Schumann-Gymnasium in Bonn. An der Schule waren auch Bernhard Hoëcker, Bastian Pastewka, Alexis Kara („heute-show“). Und Keirut Wenzel, mit dem ich die Sketche für mein Solo gedreht habe. Die meisten hatten schon früh mit Comedy angefangen. Deshalb ging ich extra erst mal weg aus Köln und aus dem Rheinland, nach Berlin und probierte in der Wohnung einer guten Freundin meine ersten Comedy-Gehversuche aus. Sie wohnte mit ihrem Freund zusammen, war aber zu der Zeit nicht in Berlin, weshalb ihre Freundinnen dachten, wir hätten eine Affäre, weil ich mich immer in diese Wohnung schlich. 


Und die Wahrheit war?


Ich hatte meinen eigenen Freund. Aber das Proben war gut. Irgendwann habe ich mich dann in die „Scheinbar“ getraut. 


Mit eigenem Freund bist Du damals von Köln nach Berlin gezogen. Wie hast Du eigentlich Deinen jetzigen Partner kennengelernt? 


Meinen jetzigen Partner habe ich Silvester über Freunde kennengelernt, wir wurden nicht verkuppelt, wir flogen einfach aufeinander. Ich fand ihn schon sehr anziehend. Mein Patenkind, die Tochter meiner besten Freundin, war an dem Abend auch dabei. Sie war damals zwölf Jahre alt und meinte ganz direkt zu mir: „Du Vera, der David mag dich!“


Wie kamst Du zum Kabarett? 


Das war ein irrer Zufall. Wir hatten einen Kabarett-Workshop bei uns in der Nähe mit Konrad Beikircher und Hans Dieter Hüsch. Der Aushang hing beim Kino aus, ich bin über die Warteliste nachgerückt. Ich war damals 19 Jahre alt, stand kurz vor dem Abi.  Ich spielte meine erste sozialkritische Satire, war Schaulustige am Unfallort, spielte die aufgeregte Mutter.


Parallel zum Psychologie-Studium gingst Du in Köln auf die Comedy Schule …


Ja, da waren auch andere spätere Comedy-Kollegen in meinem Jahrgang. Wir haben uns gegenseitig inspiriert und angefeuert. 


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Ich war damals 19 Jahre alt

Klasse. Welche Kollegen waren das?


Ingo Oschmann, Hennes Bender und Bülent Ceylan unter anderem. Das war eine tolle Aufbruchstimmung. Wir haben uns gegenseitig bei unseren ersten Auftritten besucht, gingen danach immer in der Regel einen oder mehr trinken. NightWash fing gerade an, deutlich rebelliger als heute. Wir waren total ohne Konkurrenzgedanken, haben Ideen ausgetauscht, uns gegenseitig empfohlen – das war tolles frühzeitliches Networking. 


Du hast Psychologie studiert und abgeschlossen. Wolltest Du in der Psychologie keine Doktorarbeit machen?


Vor der Doktorarbeit habe ich mich gedrückt. Ich bin daher von meinem akademischen Titel her nur Diplompsychologin. Ich hatte damals auch nur angefangen mit dem Psychologiestudium, weil eine gute Freundin anfing, das zu studieren und ich fand das auf Anhieb sehr spannend. 


Und während des Studiums reiften dann andere berufliche Pläne?


Der Masterplan war, Schauspielerin zu werden. Ich bin dann aber umgeschwenkt zur Psychologin, dann umgeschwenkt zur Comedy, nachdem ich bei einem Auftritt von Michael Mittermeier plötzlich total geflasht war. Den fand ich damals gut. Ich wollte mir damals beruflich alles offenhalten.


Welchen Schwerpunkt hast Du Dir denn im Psychologie-Studium gesetzt?


Kinder- und Jugendberatung. Ich habe Entwicklungspsychologie gemacht. „Naive Weisheitskonzepte“ war mein Abschlussthema im Studium. Aber eines war klar: Keine Praxis, keine eigene. Und der Drang, als Comedienne aufzutreten, war dann letztlich größer. 


Apropos Bühne, was war Dein schrägster, bizarrster Auftritt?


Ich bin mal in einem Stripclub aufgetreten. Ich hatte mir damals vor dem Auftritt mit Bier etwas Mut angetrunken, und plötzlich war alles so verdammt entspannt, zu sehr entspannt. Ich habe danach beschlossen, nie wieder Alkohol vor dem Auftritt zu trinken, sonst werde ich bei jedem Auftritt so „stripclubselig“. (Lacht)


Und Dein erster Auftritt war in der „Scheinbar“ in Berlin?


Richtig. Vor gerade mal einem Dutzend Leuten testete ich meine erste Stand-Up-Nummer direkt nach Abschluss meines Psychologie-Studiums.


Aber offenbar erfolgreich, oder?


Ja, vor allem wenn Du darauf anspielst, dass ich kurz danach auf der Offenen Bühne im Ersten Kölner Wohnzimmertheater auftrat. Es war ausverkauft. Und ich stand mit Cordula Stratmann und Bernhard Hoecker gemeinsam auf der Bühne. 


War das der Abend, wo Du für den Quatsch-Comedy-Club entdeckt wurdest?


Ja, von Johann König, einem lieben Kollegen, der uns auch bei unserem Corona Projekt „Homekneiping“ sehr unterstützt hat. Johann sagte mir, dass Thomas Hermanns nach Frauen für den Quatsch Comedy Club suchen würde. Ich meinte zu ihm: „Ich habe doch erst eine Nummer, ich trau mich noch nicht.“ Johann meinte: „Keine Sorge, bei mir hat es bis zur Einladung ein Jahr gedauert.“ Er nahm das Video mit, eine Woche später meldete sich Renate Berger,  und zwei Monate später war ich schon im Quatsch Comedy Club damals im Imperial Theater mitten auf der Reeperbahn.


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Ich bin mal in einem Stripclub aufgetreten

Und wie ging die Sache dann wirklich aus?


Gut, Gott sei Dank. Am Vorabend beim Quatsch Comedy Club hatte ich noch zwei Nummern echt versemmelt. Aber Martin Reinl, mit dem ich damals oft auftrat und der damals auch schon im Quatsch Comedy Club auftrat, schickte mir noch eine SMS auf den Weg: „Du bist lustig“. Ich hatte aber in den ersten Jahren noch viel Lampenfieber, da musste ich dran arbeiten. 


Wie hast Du das gemacht? Hast Du Tipps für andere? 


Unter anderem sich innerlich zu freuen, sich den Auftritt vorher schön vorzustellen, für sich in die Stimme und Atmung reinzugehen. Mehr Leichtigkeit. Ich habe gelernt, mich nicht auf den einzigen Miese-Typ im Publikum zu konzentrieren, sondern die lustigen Typen zu suchen und mich stattdessen voll auf sie und ihre Reaktion zu konzentrieren. 


Provokativ gefragt: Gehst Du auch auf die Bühne, um Dich selbst zu therapieren?


Gut gefragt, Peter, sehr befreiend ist immer vor und mit Leuten über etwas Bestimmtes zu sprechen und gemeinsam zu lachen. Es kommt zu einer gemeinsamen Katharsis, wenn du nah an die anderen Menschen kommst.


Was forderst Du von der Gesellschaft Anno 2025?


Ehrlich, Peter?


Ja, mal ganz ernst gefragt?!


Es wird Zeit, wieder aufeinander zuzugehen, Zeit für eine neue Leichtigkeit. Zeit für Verständnis untereinander, füreinander, fürs richtige und offene freie Zuhören. Kommunikation ist da die Schnittmenge von Psychologie und Comedy. Zum Lachen und Dazulernen. Immer wichtiger wird es, all die Nachrichten, die auf uns einstürmen, richtig einordnen zu können. 


Warum?


Weil es unendlich viele sind. In der New York Times stehen in einer Woche so viel Informationen, wie ein Mensch im 16. Jahrhundert in seinem ganzen Leben verarbeiten musste. Breaking News sind eine Seuche,  finde ich. Das Leben der Menschen von heute wird ständig unterbrochen, das Gehirn springt hin und her und die Leute werden News-abhängig. Und die Angst wird immer größer. Wir brauchen deshalb umso mehr positive und konstruktiv-nachhaltige Auszeiten. Und wir müssen alle viel mehr lachen. Deshalb baue ich in meinen Shows zum Beispiel auch sehr gerne Sketche und Infotainment ein, und setze auf Abwechslung und nachhaltige Interaktion mit dem Publikum.


Du bist auch politisch, sozial und karitativ aktiv?


Ja, ich unterstütze Terre des Femmes, die sich für Menschenrechte für Frauen einsetzen. Ich bin auch Patin bei den „Sisters of Comedy“. Dort wird normalerweise für lokale Frauenhilfsprojekte gespendet, im Sommer veranstalte ich aber ein Special zugunsten von Terre de Femmes bei den Wetzlarer Festspielen. 


Du magst keine Wettbewerbe, oder?


Ja, mit einer Ausnahme. Ich bin für Tegtmeiers Erben nominiert. Tegtmeier fand ich immer gut. 


Und Du bist in Münster im Hauptbahnhof aufgetreten!


Ah ja, stimmt. Bei Euch im Bahnhof war es im Vergleich zu anderen Bahnhöfen besonders gut, weil das Publikum gut mitging. Die Akustik war okay, in anderen Bahnhöfen hörte man immer noch mittendrin jede Zugdurchsage. Das war in Münster zum Glück nicht so heftig.


Was machst Du diesen Sommer?


Schwimmen gehen, gerne in Seen. Ich habe mich auch mal von der Strömung der Isar durch München treiben lassen. Und ich fahre gerne Rad, also Bio-Bike, ich trete noch selbst. Das ist mir wichtig.


Vera Deckers

Vera Deckers kam am 8. März 1973 in Köln auf die Welt, lebt dort glücklich mit Freund und Teilzeit-Hund. Psychologie hat sie studiert, Humor hat sie im Blut. Und so verbindet sie beides, wenn sie als Keynote-Speakerin oder als Stand-Up-Comedienne auftritt. Aktuell tourt Vera Deckers mit ihrem Programm „Probleme sind auch keine Lösung“, am 19. September auch im Kreativhaus Münster.

www.vera-deckers.de
www.sisters-of-comedy-nachgelacht.de
www.frauenrechte.de

Illustration Thorsten Kambach / Fotos Guido Schröder & Stephan Günther

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