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2022-11-07 Stadtgeflüster Illustration Ekki kurz.tif

Peter Sauer spricht mit Tina Werzinger über 15 Jahre Zucchini Sistaz

IMMERGRÜNER SWING MIT VIEL LAMETTA UND HERZ

Mit Verve, guter Laune und tiefer Liebe zum Sommerkürbis Zucchini: Seit 15 Jahren sorgen die fabelhaften „Zucchini Sistaz“ aus Münster mit ihrer mitreißenden musikalischen Lesart des Swing der 1920er bis 1950er und mit eigenen pointierten Songs bundesweit für ausverkaufte Häuser. Passend zum neuen Album mit der SWR Big Band sprach Peter Sauer mit Gitarristin und Sängerin Tina Werzinger.

Grüß Dich Tina, den wievielten Cappuccino hast du heute schon getrunken?


Hallo Peter, Du, ich zähle die Cappuccinos mittlerweile nicht mehr mit, so viele sind es. Bei mir kommt Kaffee aus’m Wasserhahn – Harmonien und Koffein, das ist mein Benzin! Haha.


Warst Du als Kind auch schon so lustig und musikalisch?


Selbstverständlich! Ich stamme aus einer musikalischen Familie, aus Mittelfranken. Meine Großmutter hatte zusammen mit ihren beiden Töchtern, also meiner Mutter und meiner Patentante, eine fränkische Volksmusikgruppe – da spielte ich bereits mit acht Jahren an der Gitarre mit. Man kann also sagen, meine erste Band war eine Art fränkische Girl-Group.


Und woher kommt der große Swing-Einfluss?


Mein Opa hat in einer Bierzelt-Blaskapelle gespielt, da gab es immer ein Set mit Swing-Musik. Das fand ich am besten. Als ich „In the Mood“ von Glenn Miller das erste Mal hörte, war ich hin und weg. Kurz danach wurde ich lebenslanger Fan von Ella Fitzgerald – wie großartig kann ein Mensch bitte singen! 


15 Jahre Die Zucchini Sistaz. Wo ist die Zeit geblieben?


Gute Frage. Fühlt sich nicht so lange an – ein gutes Zeichen! Neben drei CDs, einem Kochbuch, Videos und vielen verrückten, detailverliebt kreativen Ideen ist sie zum größten Teil bei unseren Konzertbesuchern geblieben und hat ihnen hoffentlich unvergessliche Konzerterlebnisse geschenkt. Zwischendurch war es aber auch strubbelig.


In der Corona-Zeit?


Ja. Das war eine schlimme Saure-Gurken-Zeit. Auch für Zucchinis. Wir sind froh und dankbar, dass unser Publikum wieder zurückgekommen ist – in noch größerer Stärke und Begeisterung als vor der Pandemie. Das ging nicht allen Kolleginnen und Kollegen so. Publikumsschwund ist nach wie vor ein großes Problem. Also: Ab ins Theater, ab ins Konzert, egal was: Hauptsache raus! 


Wie fing das eigentlich mit den Zucchini Sistaz an?


Kontrabassistin Jule (Balandat) und ich kannten uns vom gemeinsamen Studium „Theaterpädagogik“ in Lingen an der Ems. Dort war nicht allzu viel los. In Lingen lernten wir auch Marie Nandico kennen, deren Vater Gundolf Gründungsmitglied vom Theater Titanick ist. Marie wollte ein Tanztheaterstück auf die Beine stellen, wir Musik. Marie brachte ihr Flügelhorn mit und wir hatten unseren ersten Auftritt in einem alten Kino, mit drei Liedern. Mehr konnten wir nicht. Das kam gut an – obwohl wir in unserer Anfangszeit wirklich schlecht waren, das glaubt uns heute keiner mehr. Wir mussten eine Zugabe geben, hatten aber keine. Also spielten wir die drei Lieder nochmal.


Woher kommt die Liebe zum Gemüse Zucchini?


Wir sind alle drei Vegetarierinnen und hatten irgendwann den ersten Auftritt, aber noch keinen Bandnamen! Den brauchten wir dringend, die Presse wollte uns ja ankündigen. Jule hatte immer schon intensiv Gemüse geschnippelt zu den Proben, sodass in der Pause dann was fertig war und da gab es oft Zucchini. Da lag der Name auf dem Teller. Wie gut das zu uns passt, haben wir erst unterwegs gemerkt: Eine Zucchinipflanze hat männliche UND weibliche Blüten. Sie ist sehr autark und alles in Personalunion. 


Wie bei Euch …


Richtig. Wir machen alles selbst und haben – wenn wir nicht gerade mit der mehrfach Grammy-nominierten SWR Big Band unterwegs sein dürfen – keine Herren-Band hinter uns stehen, die uns begleitet. Das ist stark.


Und auch Euer Alleinstellungsmerkmal …


Strong Women we are! Außerdem klingt Zucchini lustig, wild und inniglich und gibt auch die Farbe vor. Zucchini sind grün, sie sind gesund. Grün ist die Hoffnung, grün sieht gut aus, grün ist frisch. Grün steht allen. Das passt. 


2014 ging Marie andere künstlerische Wege und Sinje Schnittker, singendes Multitalent an Trompete, Posaune und weiteren Instrumenten, kam zu Euch …


Richtig, da Jule und ich musikalisch Autodidaktinnen sind, kam mit Sinje eine studierte Trompeterin zu uns, die auch Sopran singen kann. Das katapultierte uns musikalisch auf eine neue Ebene. Die Chemie stimmte auf Anhieb. Gründungsmitglied Marie Nandico wird eine unserer Überraschungsgäste beim Jubiläumskonzert sein. 


Tina, Du warst viele Jahre lang auch die Managerin und Bookerin der Zucchini Sistaz. Warum seit kurzem nicht mehr? 


Das war eine lehrreiche und nicht immer einfache Zeit – ich war nah dran am Burnout: Es ist eigentlich unmöglich, hundert Konzerte im Jahr zu geben und sie gleichzeitig zu verhandeln und zu organisieren. Mit unserer Agentin Andrea Heister ist es jetzt perfekt, ich kann wieder durchatmen und mich aufs Künstlerin-Sein konzentrieren. Das vierte Bandmitglied ist unser Toningenieur Georg Türk, der auch mit Silbermond auf Tour ist.


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Wir sind alle drei Vegetarierinnen

Immer häufiger komponiert Ihr eigene Songs. Wo kommen die besten Ideen?


Bei Bassistin Jule ist es auf dem Rad, bei mir unter der Dusche oder am Tourende, wenn wir übermüdet sind. Und Sinje ist die beste Macherin, die ich kenne: Sie strickt gerne und hat zu Weihnachten Pullis für unsere Instrumente gestrickt. 


Was macht die Chemie der Sistaz aus?


Wir haben eine unbändige Lust am Abenteuer, an Herausforderungen. Fehler sind Freunde – unsere besten Ideen entstanden aus vermeintlichen Fehlern. 


Wie schwer ist es, euren dreistimmigen Gesang so exakt hinzukriegen?


Oh, Peter. Das ist sauschwer, da hast du keine Vorstellung von.


Das stimmt.


Einmal ist da die Intonation, die muss jede erstmal einzeln und dann zu dritt trainieren. Als Solosängerin hat man da einen anderen Spielraum. Intonationsschwankungen sind da eher Stilmittel und Interpretation. Aber bei den Harmonien zu zweit oder zu dritt ist das viel fataler. Wenn alles gut stimmt und in Balance einrastet, entwickelt sich der Sound und es klingt nicht mehr nach drei einzelnen Stimmen, sondern nach Zucchini-Magie. Wir machen auch oft eine Übung mit Korken zwischen den Zähnen, um Aussprache und Phrasierung für Gesang und Texte zu trainieren. Und wenn man das alles halbwegs kann, kommt ja noch das Instrument dazu.


Gutes Multitasking …


Ja, der Gesang, die Musik und unsere Moderationen zwischendurch – das ist schon echtes Körperballett, ein Marathon auf Stöckelschuhen. Das lohnt sich aber: Wir bekommen so viel Power und Energie vom Publikum zurück, Sistaz und Publikum spornen sich gegenseitig an. 


Wie viel Konzerte hattet Ihr in den vergangenen 15 Jahren?


Über 1000 Konzerte und das Zucchini-Mobil fahren wir auch selbst.


Respekt! Was war das skurrilste Konzert?


In der Schweiz sollten wir in einer Mehrzweckhalle spielen. Alles war so abgelegen und plötzlich waren wir mitten in eine Militärübung, die dort auch zeitgleich stattfand. Alles ein bisschen spooky und bizarr.


Was war Deine Lieblingspanne?


Jule ging ein Schuh kaputt und da bat ich das Publikum aus Solidarität ebenfalls den linken Schuh auszuziehen.


Und?


Sie taten es. Bei 30 Grad. Das war auch olfaktorisch interessant. Ein weiteres schönes Pannen-Erlebnis hatten wir kurz vorm Weihnachtskonzert in der Cloud.


Nämlich?


Sinjes Trompete ging plötzlich nicht mehr und in 20 Minuten sollte das Konzert losgehen. Es hatte sich einer der Korken von unseren Zungenlockerungsübungen ausgerechnet in den Trichter der Trompete verirrt. Wir wurden alle leicht panisch, der Saal war voll. Wir telefonierten nach einer Ersatz-Trompete während gleichzeitig an der Verstopfung gewerkelt wurde. Zum Glück bekam Jules’ Papa den Korken noch rechtzeitig wieder raus, was nicht ganz einfach war.


Gab es auch Heiratsanträge?


Reihenweise. War aber nichts dabei! Ich überlege, mir einen Hund anzuschaffen. 


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Wir haben eine unbändige Lust am Abenteuer

Auch Euer Outfit hat sich im Laufe der Zeit verändert, oder?


Gut erkannt, Peter. Grundsätzlich machen wir Musik zum Anschauen. Am Anfang haben wir nur echte Vintage-Kleider getragen. Mittlerweile haben wir unsere Garderobe erweitert um maßgeschneiderte Dreierkombinationen aus dem Hause Siggi Spiegelburg Couture, bei unserem Sommer-Programm „Ein Tag am Meer“ um maritimen Chic und zu den neuen Songs des Programms „Eleganz oder gar nicht!“ werden wir sogar in Hosen auftreten. Kleidung bespielt uns, sie hat eine Wechselwirkung auf uns.


Und welche?


Innen und außen spiegeln sich. Schönes zieht Schönes an. In der Jogginghose auf dem Sofa wird mir nie ein energiegeladener Song einfallen. Bei schwierigen Telefonaten trage ich hohe Schuhe. Das gibt mir im wahrsten Sinne Hoch-Status und eine gewisse Stacheligkeit falls nötig.


Was war Euer bislang schönstes Konzert?


Als wir im April 2022 mit der SWR Big Band in der Porsche Arena Stuttgart vor 5000 Leuten auf der Bühne standen, mit Größen wie Nils Landgren, Till Brönner, Max Mutzke oder Götz Alsmann. Das war eine große Ehre und das Konzert dauerte 4,5 Stunden.


Hammer! Klasse finde ich auch Euer soziales Engagement …


Wir sind Botschafterinnen für das Pelikanhaus am Clemenshospital, das ist ein wichtiges „Zuhause auf Zeit“ für Familien schwer erkrankter Kinder. 


Wollt Ihr noch weitere 15 Jahre auf der Bühne stehen?


Unbedingt! Die Zucchini Sistaz sind noch nicht auserzählt: Uns ist immer noch nicht langweilig und unserem Publikum auch nicht. Wir haben noch viel vor und sind gerade in einer ganz heißen Phase, um uns ein Stück weit neu zu erfinden: Mit vielen neuen, selbstgeschriebenen Songs. 


Wie wichtig ist Eure Musik 2025?


Ich glaube, das, was die Gesellschaft in Zeiten komplizierter Kontexte und Krisen unbedingt braucht, ist Kunst und Kultur generell, in unserem Falle eben Livemusik, die Freude bereitet, die der Seele Futter gibt, die Hoffnung schenkt und die vor allem Gemeinschaft stiftet. Die Menschen, die zum Konzert kommen, erleben etwas gemeinsam. Und Verbundenheit ist die beste Basis für konstruktive Gesellschaften. Auf unseren Konzerten haben sich auch schon Menschen kennengelernt, die später geheiratet haben!


Jule und Sinje haben beide zwei Kinder …


Witzigerweise waren beide auch zur gleichen Zeit schwanger und traten bis kurz vor knapp auf. Da waren wir zwei Kürbis-Kanonen und ein Zucchini-Spargel! Beim letzten Konzert vor der Babypause, auf der Geburtsfeier von Götz Alsmann, waren zur Sicherheit mehrere Frauenärzte im Publikum. Aber es lief alles glatt. 


Und was machen die Zucchini Sistaz in ihrer Freizeit?


Auf meiner Dachterrasse mitten in Münster pflanze ich Gemüse und Blumen ein und freue mich dann, wie es wächst und gedeiht. Jule und ich haben auch eine eigene Radiosendung: „Klatschmohn“, jeden zweiten Mittwoch im Monat auf Antenne Münster um 20.04 Uhr. Sinje strickt und häkelt sehr viel und Jule macht alles, was Spaß macht, vor allem Kochen. Passend zu unserem Jubiläumskonzert werden wir mit einem speziellen „Sistaz Sekt“ Premiere feiern – von einem Wormser Weingut. 


Auf die nächsten 15 Jahre Zucchini Sistaz!


Ja, Peter, sehr gerne. Man darf gespannt sein. Chin-Chin!


Die Zucchini Sistaz

Die Zucchini Sistaz bestehen aus: Sinje Schnittker (singendes Multitalent an Trompete, Posaune und weiteren Instrumenten), Jule Balandat (singende Kontrabassistin und Fachfrau für Zirzensik und Conférence) und Tina Werzinger (singende Gitarristin und hinreißende Unterhalterin). Da das Konzert am 12.10. ausverkauft ist, gibt es ein Zusatzkonzert am 9.11. im Theater Münster.

https://zucchinisistaz.de/?site=1

Illustration Thorsten Kambach / Fotos SWR & Harald Hoffmann

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