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2022-11-07 Stadtgeflüster Illustration Ekki kurz.tif

ARNDT ZINKANT FRAGT TILL WYLER VON BALLMOOS UND RANDI GÜNNEMANN NACH DER ZUKUNFT DES PUMPENHAUS-THEATERS

SCHÖNE VISIONEN – HARTE FINANZEN

Ob Politik oder Kultur – der Trend geht zur Doppelspitze. Am Eingang des Pumpenhauses überrascht der neue Leiter, Till Wyler von Ballmoos, den Interviewer mit einer weiteren Gesprächspartnerin: seiner Kollegin Randi Günnemann. Bislang war Wyler von Ballmoos in den Medien als alleiniger Chef und Nachfolger des im Januar verstorbenen Ludger Schnieder vorgestellt worden. Dieser hatte das Theater über Jahrzehnte geprägt – was die Zukunft bringen soll, erzählt das neue Duo im Interview.

Es scheint, als sei in kurzer Zeit die Entscheidung gereift, die Pumpenhaus-Leitung als Doppelspitze aufzuteilen. Stimmt der Eindruck?


Till Wyler von Ballmoos: Eine Co-Leitung für das Theater im Pumpenhaus war von Beginn an geplant. Randi Günnemann und ich hatten uns bereits im letzten Sommer zusammengesetzt. Die Bewerbung hatte ich zwar alleine gestartet, aber wir haben das Konzept gemeinsam entwickelt. Wir teilen in Zukunft die organisatorischen und künstlerischen Aufgaben unter uns auf. Das wurde der Jury auch so mitgeteilt. Die künstlerische Leitung und Geschäftsführung wird jedoch mit einer Person besetzt bleiben.


Randi Günnemann: Meine Aufgaben liegen dabei im Bereich der Produktionsleitung – als Schnittstelle zwischen Kunst, Technik und Finanzen. Uns beide eint unter anderem der Gedanke, dieses Theater zu einem offenen Ort zu machen. (Zwiti: „Uns beide eint der Gedanke, dies Theater zu einem offenen Ort zu machen“)

Einem Ort, der gleichermaßen für die Stadtgesellschaft und für die junge Szene der freien darstellenden Künste Münsters da ist.


Das Jugendtheater gehörte bekanntlich immer zu den Grundfesten des Pumpenhauses, insbesondere das Junge Theater „Cactus“. Soll das wie gehabt fortgeführt werden?


WvB: Ein Großteil der Produktionen wird von der lokalen Freien Szene geschaffen, wozu natürlich auch „Cactus“ gehört. Dazu kommen nationale und internationale Gastspiele. Ich habe mich mit dem langfristigen Ziel beworben, die jungen Theaterschaffenden, also den Nachwuchs, zu fördern sowie neue Formate für einen Wissenstransfer zu schaffen.


Gibt es denn da Optimierungsbedarf?


WvB: Ich glaube, an dieser Stelle muss ich sorgsam differenzieren zwischen Inhaltlichem, Strukturellem und der Kommunikation des Theaters, um mal drei Bereiche zu nennen. Ludger Schnieder hat ein tolles und diverses Programm aufgebaut. Da gilt es, unter anderem die Kooperation mit Künstlerinnen, Künstlern und Gruppen weiter auszubauen.


R.G.: Auch im Sinne der Nachhaltigkeit. Hier entstandene Produktionen sollen nicht ausschließlich im Pumpenhaus gezeigt werden. Vielmehr wollen wir versuchen, diese dann als Gastspiele national und vielleicht sogar auch international an andere Theaterhäuser oder Festivals zu vermitteln. Damit sich die künstlerische Arbeit und die verbrauchten Ressourcen mehr auszahlen und nicht nur dem münsterschen Publikum zugutekommen.


Wie war das denn zum Beispiel bei „Cactus“ -- sind deren Produktionen häufig anderswo gelaufen?


WvB: Mir ist bekannt, dass sie auf renommierte Festivals eingeladen werden, und mit Gastspielen an anderen Theatern touren. Wir werden Künstlerinnen und Künstlern, welche Gastspiele bei uns machen, in Austausch mit der lokalen Szene bringen. Und zwar in beide Richtungen: Beispielsweise beim Auftritt einer Tänzerin, wie zum Beispiel Louise Lecavalier, zu planen, dass sie noch ein paar Tage länger bleiben kann, wenn sie von weither angereist ist – um danach einen Workshop für lokale Künstlerinnen und Künstler zu geben, zu dem auch ein interessiertes Publikum eingeladen ist. Interessant ist auch die Kooperation mit der Kunstakademie. Zwiti: „Interessant ist auch die Kooperation mit der Kunstakademie.“   Vielleicht lässt sich ja in Zukunft ein Vortrag einer Gastkünstlerin des Pumpenhauses im Rahmen der fantastischen Reihe „Münster Lectures“ der Kunstakademie realisieren.

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Mein Netzwerk geht von Belgien über die Niederlande bis zur Schweiz

Soll die Linie von Ludger Schnieder im Großen und Ganzen fortgeführt werden?


WvB: Nein, das würde ich so nicht formulieren. Betrachtet man aber die Theaterlandschaft – mit Stadttheater, Borchert-Theater, Meerwiese oder „Kleiner Bühnenboden“ – macht es Sinn, dass hier im Pumpenhaus speziell die Performance und das experimentelle Tanztheater einen Schwerpunkt bilden. Das ist auch etwas, was mich persönlich interessiert und immer begleitet hat. Außerdem habe ich in meiner künstlerischen Arbeit ja noch einen weiteren Fokus, nämlich die Musik, genauer: das Musiktheater. Da habe ich ein sehr gutes Netzwerk, das sich auch nach Belgien, in die Niederlande und die Schweiz erstreckt. Es wird sicherlich einige Einladungen aus diesen Regionen ins Pumpenhaus geben.


Von Haus aus sind Sie ja Schweizer. Vermutlich kennen Sie die dortige Szene besser?


WvB: Ich habe gute Verbindungen in die Schweiz, aber habe selbst die letzten Jahre in internationalen Kontexten gearbeitet. 2019 bin ich mit dem Pumpenhaus in Berührung gekommen. Damals hatte mich Ludger Schnieder für die Produktionsleitung der „Flurstücke“ angefragt. Das führte dazu, dass wir künstlerisch in Kontakt kamen. Daraus ergab sich die Zusage, ab 2020 als Leiter und Regisseur meiner eigenen Theaterlabels im Pumpenhaus mit Gastspielen aufzutreten. Daher kannte ich dieses Haus zunächst quasi nur von außen, als Theatermacher. Dadurch dass ich schon vier Jahre in Münster lebe, bekam ich mit der Zeit natürlich auch Kontakte zur lokalen Freien Szene.


Haben Sie früher Schweizer Dialekt gesprochen?


WvB: Den kann ich zur Not immer noch, insbesondere nach einem Glas Wein (lacht). Allerdings habe ich mir im Rahmen meiner Schauspiel- und Regieausbildung viel Mühe gegeben, mein schweizer Idiom abzutrainieren. Da ich mich international und besonders im europäischen Raum bewege, empfinde ich mich weniger als Schweizer denn als Nomade zwischen den Kulturen.

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War Münster für Sie eigentlich ein Kulturschock? Das hiesige Publikum gilt als begeisterungsfähig, aber nicht unbedingt als experimentierfreudig.


WvB: Wie es mir mit Münster geht? Es ist sicherlich beides: Eine ganz tolle und liebenswerte Stadt. Andererseits ist es auch wichtig, immer wieder hinauszugehen an andere Orte, die nicht so privilegiert wie Münster sind. Aus diesen Reisen können dann auch Experimente mit Formaten und neue Theatersprachen ans Pumpenhaus gebracht werden und für einen Perspektivwechsel beim Publikum sorgen.


Haben Sie eigene Regiearbeiten in Planung?


WvB: Nein, ich werde keine Regiearbeiten mehr realisieren – bis auf eine Ausnahme: Eine Produktion in der ehemaligen Oxford-Kaserne Anfang kommenden Juni werde ich als künstlerischer Leiter verantworten. Aber als Kurator beziehungsweise künstlerischer Leiter des Hauses habe ich bereits eine Handvoll tolle Produktionen für die kommende Spielzeit geplant.


Gibt es zwischen Ihnen beiden erwartbare Reibungsfläche – also zwischen künstlerischer Vision und harter Finanzlage?


R.G.: Diese Reibungsfläche existiert bereits! (Lacht) Die braucht es auch. Da die finanziellen Mittel natürlich begrenzt sind, wollen wir ab nächstem Jahr vermehrt Drittmittel akquirieren. Mit dem Fokus für das Pumpenhaus passende öffentliche Förderungen oder Sponsoren zu finden, die uns einen größeren Spielraum für die Realisierung von künstlerischen Arbeiten ermöglichen. Dass es jedoch künstlerische Ideen geben wird, die finanziell nicht realisierbar sind, ist zu erwarten. Aber auch ganz normal. Da gilt es dann gemeinsam mit den Kunstschaffenden Kompromisse zu finden.


WvB: Förder- oder Drittmittel zu akquirieren, gehörte während der letzten Jahre auch zu meinem täglichen Geschäft. Aber ich bin dankbar, mich jetzt vermehrt auf die Programmgestaltung konzentrieren zu können.


Ludger Schnieders Tod reißt eine Lücke in Münsters Kulturszene. Wie gut kannten Sie ihn?


R.G.: Ich kannte ihn leider überhaupt nicht.


WvB: Ich kannte ihn seit den Skulptur-Projekten 2017. In engeren Kontakt kamen wir aber erst durch die Flurstücke zwei Jahre darauf. Es war ein professionell-künstlerisches Verhältnis, wie es viele Kunstschaffende kennen. Nach der Jury-Entscheidung für meine Person wurde das Verhältnis sehr schnell sehr eng. Wir hatten auch schon viele Pläne für das kommende Jahr. Sein plötzlicher Tod war für mich ein Schock, wie für viele Menschen, die ihn kannten.


Zwiti: „Ludger Schnieders plötzlicher Tod war für mich ein Schock.“


Letzte Frage: Wo soll das Pumpenhaus in zehn Jahren stehen?

WvB: Diese Vision ist schnell erzählt. Wir haben dann ein fantastisches Probezentrum mit fünf Probebühnen, und wir haben Kooperationspartnerschaften mit extrem kreativen jungen Künstlern und Künstlerinnen. Es gibt Gruppen, die bei uns im Hoppengarten im Austausch mit der lokalen Szene produzieren, es gibt mehrere Residenzformate, insbesondere für interdisziplinäre Projekte und Workshops von Gästen für ein interessiertes Publikum. Wir haben stets ein volles Haus und überdies ein Team, das alles abbildet, was wir auch auf der Bühne zeigen. Wir sind dermaßen nachhaltig, dass wir kaum noch Strom oder Gas und dergleichen brauchen. Wir können alle, die bei uns arbeiten, angemessen bezahlen, bieten ein Programm, das so weit in die Region hinausstrahlt, dass die Menschen von weit her nach Münster ins Pumpenhaus ziehen.


R.G.: Das kann ich nur unterschreiben!

Der Musiker und Regisseur Till Wyler von Ballmoos wurde 1979 in Bern geboren. 2004 schloss er sein Musikstudium mit dem Konzertdiplom (Cello) an der dortigen Hochschule der Künste ab. In München studierte er Theaterregie.
Randi Günnemann stammt aus dem Ruhrgebiet und hat dort in der Produktionsleitung diverser Theater-Festivals gearbeitet. Berufliche Erfahrungen in der Verwaltung machen sie zur idealen „Sparringspartnerin“ des künstlerischen Leiters Wyler von Ballmoos.

llustration Thorsten Kambach / Foto Hanna Neander

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