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2022-11-07 Stadtgeflüster Illustration Ekki kurz.tif

Thorsten Hamer erklärt die Geschichte seiner Heinz Erhardt-Revue

DER HEINZ ERHARDT AUS OMAS BÜCHERKISTE

Jede Generation hat ihre Idole und wohl jeder von uns hat oder hatte eine Person, zu der er aufgeschaut oder die er sogar verehrt hat. Das Ausmaß dieser Angelegenheit ist dabei höchst unterschiedlich. Was Thorsten Hamer macht, dürfen sich dabei wohl nur die wenigsten in die Biografie schreiben. Der Schauspieler hat seinem Vorbild eine eigene Revue gewidmet, mit der er jährlich durch Deutschland tourt. Was ihn antreibt, wie alles anfing und wer daran schuld ist, erzählt er in diesem Gespräch mit Stephan Günther.

Trinkst du vor deinen Auftritten einen Schnaps?


(Lacht) Nein, bloß nicht, das mag ich überhaupt nicht! Heinz Erhardt hat das zwar aufgrund seines Lampenfiebers gemacht, aber meins ist das nicht, obwohl ich auch durchaus Lampenfieber habe.


Womöglich könnte dir dann eine Brille mit falschen Gläsern weiterhelfen?


Die habe ich tatsächlich, aber ohne Gläser, wie Erhardt das auch machte, damit er das Publikum nur sehr verschwommen sieht.


Warum Heinz Erhardt? Wie kamst du zu ihm?


Eigentlich ist meine Oma schuld. Sie hat mir als Kind damals aus seinen Werken vorgelesen.


Einen guten Geschmack hat deine Oma!


Das auch, aber der Grund war eigentlich etwas banaler. Als es anfing, dass ich häufiger bei ihr schlief, hatte sie noch keine Kinderbücher. In Ermangelung dieser, las sie mir dann aus einem Buch von Heinz Erhardt vor. Sie selbst musste bei den Pointen immer wieder lachen. Das hat mich fasziniert.


Eine glückliche Fügung, oder?


Kann man so sagen. Nach meinem Schauspielstudium habe ich überlegt, was ich wirklich Eigenes auf die Beine stellen kann, da fiel mir das wieder ein. Ich dachte: „Okay, wenn jemand immer wieder über dieselben Pointen lachen kann, dann muss etwas daran sein.“ So bin ich dann zu dem Heinz Erhardt-Programm gekommen.


Zeitloser Humor, stimmt. War es nur das, was dich an ihm faszinierte, die Pointen?


Die Zeitlosigkeit war es zunächst eigentlich nicht. Ich war zuallererst fasziniert davon, dass die Pointen, auch wenn man sie schon kennt, immer noch funktionieren. Das ist krass, Menschen lachen immer noch aus vollem Herzen, auch wenn sie die Pointen schon tausendmal gehört haben, oder die Bücher in- und auswendig kennen.


Ok, das ergibt Sinn.


Die Zeitlosigkeit erschloss sich mir dann erst später. Da habe ich gemerkt: „Oh, cool. Daraus kann man was machen.“ Dadurch, dass er nie politisch war, sind vor allem seine Gedichte wirklich zeitlos. Die Filme muss man vielleicht anders betrachten.


Also war das eher eine konkrete Entscheidung, das zu machen, als dass sich das irgendwie entwickelt hätte? Letzteres hätte ich aus dem Bauch heraus getippt, also dass du ein Talent in der Nachahmung entdeckt und entwickelt hättest.


Nö, entwickelt hat sich das so nicht. Es war eine wirkliche Überlegung und Entscheidung, so ein Programm zu machen.


Wie ging es nach der Entscheidung weiter?


Ich habe dann überlegt, wie ich so etwas anstelle …


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Lieber ein kleinen Lackschaden als ein großer Dachschaden.

Mit welchem Ergebnis? Rezitierst du Erhardt, oder schlüpfst du auch richtig in die Rolle?


Ich spiele die Kunstfigur Heinz Erhardt. Also ich schlüpfe in die Rolle und versuche dadurch so nah wie möglich an den Künstler heranzukommen. Vieles in meiner Revue entwickelt sich auch einfach von selbst. Wie Heinz Erhardt gehe ich auch von Beginn an spontan auf das Publikum ein.


Hast du vorher Gemeinsamkeiten oder Ähnlichkeiten mit Heinz Erhardt festgestellt?


Nein, vorher gar nicht. Also zumindest habe ich die nicht gesehen. Als ich mich wirklich mit ihm und seinem Leben beschäftigt habe, fiel mir aber doch eine Gemeinsamkeit auf. Der unbändige Wunsch, auf die Bühne zu gehen.


Eine schöne Gemeinsamkeit!


Ja, und bei Erhardt auch ein wenig ungewöhnlich. Er kommt ja aus Riga, da war es schon selten, dass jemand sagt: „Ich will unbedingt auf die Bühne.“ Vor allem zur damaligen Zeit. Aber er hat diesen Willen gehabt und es auch gemacht, das verbindet uns schon.


Erhardts Lebenslauf ist ja durchaus turbulent, vor allem zu Beginn, bevor er in Deutschland ankam …


Absolut. Seine Eltern trennten sich früh nach seiner Geburt, er wurde zwischen Mutter und Vater hin- und hergereicht und war dann später bei seinen Großeltern. Erlebt hatte er schon viel bis dahin.


Und immer den Humor bewahrt!


Ich glaube, genau der hat ihn durch die Zeit getragen.


Bitter nötig, auch später in den Kriegsjahren.


Auf jeden Fall. Erhardt war ja auch an der Front. Er wurde spät eingezogen und landete bei der Truppenunterhaltung. An der Front hat er dann auch seine Gedichte geschrieben.


Soweit ich weiß, war er ausgerechnet bei der Marine?


(Lacht) So ist es! Und das als Nichtschwimmer und Brillenträger. Absurd, dass er überhaupt eingezogen wurde. Er war aber Gott sei Dank nie auf einem Schiff tätig. Er wurde immer zu den Truppen geschickt, um sie in dieser schweren Zeit zu unterhalten. Besonders bitter ist ja, dass er kurz vor dem Krieg und seiner Einberufung schon in Berlin begann, Fuß zu fassen. Nach seiner Zeit in Kriegsgefangenschaft konnte er aber zum Glück schnell wieder arbeiten.


Welche Frage würdest du ihm stellen, wenn du ihn noch einmal treffen könntest?


Ich würde ihn fragen, warum er sich entschied, diese Kunstfigur zu erschaffen. Der private Heinz Erhardt war ja ein ganz anderer als der auf der Bühne. Außerdem würde ich gerne wissen, wie er auf diese unbeholfene „So zu tun, als würde ich mich konstant versprechen.“-Nummer kam. Diese vermeintlichen Versprecher waren ja akribisch geplant. Die Idee dahinter interessiert mich wirklich, weil es ja letztendlich der Schlüssel zu seinem Erfolg war.


Das wäre wirklich interessant. Damals einzigartig wahrscheinlich.


Ja, diese Art von Komik war damals wie heute gut. Kunstfiguren wie ihn gab es lange Zeit dann gar nicht mehr. Hape Kerkeling war einer der Ersten mit Horst Schlämmer. Diese Konsequenz, mit der Heinz Erhardt aber diese Figur auf der Bühne und später auch in den Filmen gespielt hat, gab es vorher nie. Er war immer der Heinz Erhardt, den alle Menschen kannten.


Unerreicht, würde ich fast sagen.


Er ist einzigartig in seiner Form und in dem, was er gemacht hat. Faszinierend auch, dass man wirklich seine zwei Genres hat, Film und seine lyrischen Gedichte. Beides nicht zu vergleichen. Die Filme, so nett sie auch sind, sind verhaftet in den 50ern, mit diesem typischen „Wirtschaftswunder! Alles muss toll sein.“ Die Gedichte sind allerdings völlig anders und bis heute wirklich unerreicht. 


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Ich machte eine klassische Ausbildung an der Hochschule.

Jetzt mal abgesehen von Heinz Erhardt, über wen kannst du heutzutage lachen? Der Comedy-Bereich ist ja aktuell ziemlich durchwachsen, also meinem Geschmack nach.


Thorsten Sträter, der würde mir jetzt spontan einfallen. Heinz Erhardt unterscheidet sich von ganz vielen dadurch, dass er mit seinen Witzen nie nach unten getreten hat. Seine Tiergedichte oder die Verballhornung der deutschen Klassiker, damit hat er niemandem weh getan. Ich finde den heutigen Humor ja oft böse, immer wird jemand beleidigt, in der Hoffnung, dass es irgendwer witzig findet.


Schwierige Zeiten, auch im politischen Kabarett wird’s dünn.


(Lacht) Die Politiker machen ihr Kabarett ja mittlerweile selbst …


Was machst du denn noch so, außer Heinz Erhardt zu imitieren?


Ich bin studierter Schauspieler. Ich habe eine klassische Ausbildung an der staatlichen Hochschule gemacht. Zurzeit drehe ich gerade „Die Landarztpraxis“, eine TV-Serie für SAT1. Am Theater war ich auch fest, klassisches Theater, von Shakespeare oder Goethe, bis hin zu modernen Stücken. Die Heinz Erhardt-Revue war immer mein eigenes Ding, mein Herzensprojekt, welches ich nebenher gemacht habe.


Stichwort! Du spielst am 25. Januar in Münster, was erwartet die Münsteraner?


Ein Abend mit und über Heinz Erhardt, mit seinen Gedichten, seinen Liedern und einfach mal zwei Stunden dem Alltag entfliehen und sich zurückfallen lassen in die Zeit, in der Heinz Erhardt groß war auf der Bühne.


Damit lassen wir unsere Leser jetzt mal alleine! Thorsten, vielen Dank für die nette Unterhaltung. Wir freuen uns auf den Januar!


Thorsten Hamer
Der 42-jährige Thorsten Hamer wurde 1982 in Solingen geboren und studierte bis 2003 Schauspiel an der Schauspielschule Düsseldorf. Danach spielt er fest in diversen Theatern und auch in vielen TV-Serien. Seit 2018 ist er zusätzlich mit seiner Heinz Erhardt-Revue auf Tournee. Am 25. Januar 2025 spielt er damit im Kap.8 im Bürgerzentrum Kinderhaus in Münster.

lllustration Thorsten Kambach / Fotos Thorsten Hamer

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