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2022-11-07 Stadtgeflüster Illustration Ekki kurz.tif

Tom Feuerstacke und Sebastian Schneberger besprechen das Polospiel

PFERDESTÄRKEN, POMMES UND PICKNICKDECKEN

Polo? Klingt nach Zylinderhut, Zaunlattengehabe und britischem Akzent. Doch wer mit Sebastian Schneberger über Münster spricht, landet zwangsläufig mitten auf dem Rasen – beim Polopicknick. Eines der größten Poloturniere Deutschlands? Findet nicht etwa in Hamburg, München oder Berlin statt, sondern zwischen Picknickkorb und Pferdeanhänger am Stadtrand von Münster. Grund genug, mal genauer nachzufragen: Wie wird ein Pferd eigentlich zum Polo-Profi? Warum lohnt sich ein gutes Bier mehr als ein teurer Champagner? Was kostet ein solches Polopferd wirklich? In unserem Stadtgeflüster-Interview bringt uns einer der Köpfe hinter dem Event die Welt des Polo so bodenständig näher, dass man am liebsten direkt mitreiten würde. Oder sich zumindest an den Spielfeldrand setzt, Currywurst in der einen, Kaltgetränk in der anderen Hand.

Das Wichtigste für den Polosport sind, neben ausreichend Platz fürs Spielfeld und den enorm sportlichen Reiter, die Pferde. Ab wann kann man ein Pferd fürs Polo-Training einsetzen – und wie lange bleiben sie im Sport aktiv? 


Los geht’s bei den meisten so mit vier Jahren. Aber bis ein Pferd wirklich voll im Spiel dabei ist, dauert es. In Argentinien zum Beispiel fangen sie ganz behutsam an. Die Pferde werden früh angeritten, dann wieder auf die Weide gestellt, dürfen zwischendurch mal mit den Kids zur Schule reiten. Also ganz entspannt. Und wie lange sie im Sport bleiben, ist super individuell. Manche sind mit 16, 17 raus. Das ist normal. Aber ich hatte mal ein ganz besonderes Pferd, das war mit 25 noch im Finale dabei! Danach ist sie in Rente gegangen und wurde über 30. Das ist aber wirklich die Ausnahme.


Stimmt es, dass Polopferde speziell gezüchtet werden? Oder kann man theoretisch jedes Pferd nehmen, das schnell genug ist? 


Das ist mittlerweile schon eine richtig gezielte Zucht. Die meisten Polo-Ponys kommen aus Argentinien. Da wurde das klassische, robuste Arbeitspferd, genannt Criollo, mit englischen Vollblütern gekreuzt. Daraus ist dann dieser perfekte Mix entstanden: klein, wendig, ausdauernd und mit ordentlich Kraft. Heute geht man sogar noch einen Schritt weiter und nimmt gezielt Rennpferde, um genau die Physis zu bekommen, die man im Polo benötigt. Schnell, leicht, reaktionsschnell. Zufällig an der Hofreitschule vorbeigehen und sagen „Das da wird mein Polo-Pony“, das funktioniert eher nicht.


Und jetzt mal die Frage, die alle interessiert. Was kostet denn so ein Polopferd? 


(lacht) Ja, die Frage kommt immer! Die ehrliche Antwort ist: Es ist wie bei Autos. Es kommt darauf an. Klar, ein Polopferd ist in der Regel günstiger als ein Spring- oder Dressurpferd. Aber, und das ist der Haken, du brauchst nicht nur eins. Du benötigst gleich mehrere, wenn du ernsthaft spielen willst. Also letztlich ist Polo schon ein teurer Sport, aber im Verhältnis sind die Pferde selbst gar nicht so teuer, wie viele denken.


Wie viele Pferde benötigt man, um ein Polospiel ordentlich zu bestreiten? 


Also, theoretisch benötigst du zwei Pferde. Laut Regel darf ein Pferd in Deutschland maximal zwei Spielabschnitte, sogenannte „Chukkas“, laufen. Ein Spiel hat vier Chukkas, also zwei Pferde – passt. In der Praxis machen es aber die meisten anders: Sie bringen vier Pferde mit, eins pro Chukka. Warum? Ganz einfach: So kann jedes Pferd nach seinem Einsatz direkt raus und sich erholen. Manche wechseln sogar mitten im Chukka. Dann laufen die Pferde nur dreieinhalb Minuten statt sieben. Das ist einfacher, leistungsorientierter und schont die Tiere.


Wie sieht das beim Turnier aus? Wie oft wird da gespielt und wie lange haben die Pferde Pause?


Bei einem Turnier wie dem Polopicknick zum Beispiel spielt jedes Team ein Spiel pro Tag – also vier Chukkas. Du bringst vier Pferde mit, jedes läuft pro Tag ein Chukka. Dann haben sie den Rest des Tages frei und können am nächsten Tag noch einmal starten. Danach ist erst mal Schluss für die Turnierrunde. Wichtig ist: Der Schutz der Pferde steht immer an erster Stelle. Ein guter Polospieler weiß: Du kannst noch so viel Talent haben. Ohne dein Pferd bist du niemand. Deshalb ist es auch vollkommen normal, dass du eher in vier gesunde, fitte Pferde investierst, als alles auf ein oder zwei zu setzen.


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Ohne Dein Pferd bist du niemand

Stimmt es eigentlich, dass Polo ursprünglich aus Persien kommt? War das damals schon mit Schläger und Ball wie heute?


Fast, aber nicht ganz so elegant, wie wir es heute kennen. Ursprünglich war das eher eine raue Angelegenheit, so à la Rambo. In Afghanistan zum Beispiel wird noch heute eine Art Vorläufer gespielt, „Buzkashi“ nennt sich das. Da wird statt eines Balles tatsächlich eine Ziege durchs Feld getragen. Früher waren das angeblich sogar gegnerische Köpfe, kein Witz. Mit der Zeit wurde das Ganze zivilisierter, es kamen feste Teams, Regeln und Spielzeiten dazu. Die Briten haben das dann während der Kolonialzeit aufgegriffen, nach England gebracht, Regeln festgelegt und von da aus ging’s wieder zurück in die Welt. Argentinien hat es dann perfektioniert.


Warum ist Polo in Argentinien ein echter Volkssport – und bei uns eher ein Nischending? 


Das ist wirklich faszinierend. In Argentinien spielt gefühlt jeder Polo: mein damaliger Banker, unser Architekt, der Bäcker um die Ecke. Es ist dort vollkommen normal. Du siehst an der Autobahn sogar elektronische Anzeigetafeln mit Polo, genau wie bei uns beim Fußball. In Europa, und vor allem in Deutschland, ist das anders. Reitsport ist hier ohnehin schon eher ein Randsport, und Polo ist dann noch mal eine Stufe spezieller. Du benötigst viel Platz, viele Pferde, ein ganzes Team und eine Menge Organisation. Wenn wir zum Spiel fahren, sieht das aus wie ein kleiner Wanderzirkus: Pferde, Trucks, Equipment, alles. Das ist hier einfach schwerer zu stemmen.


Ist Polo eigentlich zu kompliziert oder ist das genau der Reiz daran? 


Klar, einfacher geht immer. Aber gerade das Besondere macht Polo ja aus. In England zum Beispiel gibt es College Polo, das ist dort ein Schulsport! In Deutschland war Polo nach 1936 erst mal komplett verboten. Warum genau, weiß keiner so richtig. Vielleicht, weil wir letzter wurden? (lacht) Aber jetzt ist es zum Glück wieder da. Ja, es ist aufwendiger als Fußball, aber dafür bekommst du ein ganz anderes Zusammenspiel aus Pferd, Reiter, Taktik und Geschwindigkeit. Das packt dich komplett.


Das Polopicknick in Münster ist inzwischen echt ein Begriff. War das von Anfang an so geplant oder war es eher eine Herzenssache?


Definitiv Herzenssache! Ich wollte einfach ein Turnier schaffen, wie ich es mir als Spieler wünschen würde. Und auch für Zuschauer, die vorher vielleicht dachten: Polo klingt elitär, ist nichts für mich. Ich wollte genau dieses Bild aufbrechen. Darum auch der Name Picknick, locker, zugänglich, Spaß am Pferd und Sport. Und heute sind wir mit Abstand eines der zuschauerstärksten Turniere in Deutschland. Das zeigt, dass es funktioniert.


Ist das Turnier in Münster heute genau so, wie du es dir vorgestellt hast oder geht da noch mehr?


Also ehrlich? Ich bin total happy, wie es läuft. Aber mehr geht immer! Ich habe auch ständig neue Ideen, größer, länger, vielleicht über zwei Wochenenden, neue Sponsoren, vielleicht sogar internationale Beteiligung auf ganz anderem Niveau. Aber das braucht ein ganz anderes Budget, ein anderes Team, andere Strukturen. Und so weit ist Polo in Europa einfach bisher nicht. Solche Größenordnungen hast du vielleicht in England, Paris oder Südspanien. Aber für das, was wir in Münster auf die Beine stellen, mit so viel Herzblut und ehrenamtlichem Einsatz, bin ich einfach nur stolz.


Was macht das Polopicknick in Münster so besonders?


Das Schöne ist: Die Leute bringen sich einfach ihr eigenes Picknick mit, setzen sich an den Spielfeldrand und genießen das Wochenende, ganz entspannt, ganz ungezwungen. Wir wollten weg von diesem typischen Champagner und Hut-Image, das viele mit Polo verbinden. Es geht hier nicht um Tüdelüt, sondern um eine gute Zeit, für die Zuschauer genauso wie für die Spieler. Wir achten auf Top-Bedingungen fürs Spiel, für die Pferde, faire Matches, aber auch auf Atmosphäre. Münster eben, herzlich, bodenständig, charmant.


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Es ist aufwendiger als Fußball

Und was benötigt der Münsterländer für ein gelungenes Polowochenende außer Champagner?


(lacht) Auf jeden Fall ein gutes Picknick und vielleicht ein kaltes Bier. Ich erinnere mich noch an so ein paar Jungs, die meinten: Wir grillen jetzt hier! Da musste ich sie bremsen: nicht auf dem Rasen, bitte! Aber klar, die hatten ihren Spaß, Dosenbier in der Kühlwanne, herrlich! Genau das ist der Vibe: Jeder macht es sich gemütlich, niemand muss sich verstellen. Und wer trotzdem Champagner will? Kein Problem, aber hier gibt es halt beides. Das macht es aus.


Was hat sich denn beim Polo über all die Jahre eigentlich nicht verändert?


Ganz klar: das Trittin! Das ist die Tradition, bei der die Zuschauer in der Spielpause auf den Platz gehen und die losgetretenen Grasstücke wieder in die Löcher drücken. So wird das Feld für das nächste Chukka wieder eben. Das hat richtig Stil und einen praktischen Nutzen. In England ist es sogar so: Wenn die Queen anwesend ist, hat sie das Vorrecht, als Erste auf den Platz zu gehen. Vielleicht benötigen wir das auch in Münster … einen Ehrentreter! Ich dachte schon: Wir könnten dich nehmen oder Thorsten!


Was gehört für dich auf jeden Fall zum Polopicknick dazu, abseits vom Spiel?


Die Pommesbude! Die gibt es schon immer, und sie ist und bleibt mein persönlicher Favorit. Egal, was es sonst noch zu essen gibt: Am Ende des Tages steht gefühlt jeder noch einmal da an. So eine richtig gute, ehrliche Pommes, am besten mit doppelter Mayo, das ist einfach unschlagbar. Ein Polo Spieltag ohne Pommes? Unvorstellbar! (lacht)


Du bist bei der Siegerehrung ja gern mit Champagner auf dem Podest. Was trinkst du eigentlich nach getaner Arbeit wirklich zuerst?


Eiskaltes Bier, ganz klar. Am liebsten vier Eiswürfel drin! Ich bin da ganz bei Harald Juhnke: keine Termine und leicht ein Sitzen, das ist der perfekte Abschluss nach einem intensiven Turniertag. Aber im Ernst, das Gefühl, wenn der ganze Platz steht, die Sonne langsam untergeht und du einfach nur noch loslassen kannst, das ist Gold wert.


Und wie lebt man als Polospieler eigentlich beim Turnier, Hotel oder Wohnwagen neben dem Pferd?


(lacht) Nein, nein, Wohnwagenromantik haben wir eher weniger. Die Pferde stehen entweder direkt vor Ort in Stallzelten oder werden hin und her gefahren. Unsere Grooms, also die Pfleger, kümmern sich liebevoll um alles: füttern, tränken, striegeln, Sättel prüfen, oft bis tief in die Nacht. Und wir Spieler? Die meisten schlafen ganz normal im Hotel, bei Freunden oder auch mal auf meinem Sofa, je nachdem, wie weit sie anreisen. Ganz entspannt also.


Ich wünsche euch gutes Wetter und spannende Spiele.


Danke.


Sebastian Schneberger

Der 1970 in Münster geborene Revolutionär und Banker hat viele Ideen, die ihn faszinieren. Die Faszination Polo brachte er nach Münster und etablierte ein Picknick, kombiniert mit dem rasanten Pferdesport.

Illustration Thorsten Kambach / Fotos Oliver Schmidt

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