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2022-11-07 Stadtgeflüster Illustration Ekki kurz.tif

Tom Feuerstacke und Sascha Hildmann ziehen eine verbale Bilanz

EINFACH GEWINNEN

Während der „Kicker“ bei Preußen Makel sieht, spricht der „RevierSport“ von einer perfekten Hinserie. Die Fans taumeln in Euphorie und sehnen sich das Ende der Saison herbei. So bewertet jeder den komfortablen Gruß von der Tabellenspitze anders. Ein ganz normaler Vorgang im schnelllebigen Fußballgeschäft. Sei es drum. Am Ende gilt es, Ruhe zu bewahren und die sportliche Antwort auf dem Platz zu liefern. Und nur das zählt. Alles andere ist das Knirschen im Gebälk, positiv wie negativ. Das ist immer zu hören, wenn sich was bewegt. Es bedeutet Leben und Arbeit. Bei unseren Preußen bewegt sich vieles und das in die richtige Richtung.

Sascha. Was machst du am 13. Mai 2023?


(Lacht). Eine Anspielung auf den letzten Spieltag. Wie immer werde ich mich auf das letzte Spiel vorbereiten und schauen, was da auf uns zukommt.


Ziemlich coole Antwort?


Im Ernst Tom. Was soll ich sagen? Es sind noch 15 Spieltage bis zum Saisonende. Der Fußball ist schnelllebig und es kann noch unglaublich viel passieren. Ich bin da zurückhaltend. Ich weiß, dass alles andere nichts bringt. Ich werde mich einfach weiter auf unsere Aufgaben fokussieren.


Trotzdem muss die Frage gestellt werden. Der Blick auf die Tabelle zeigt uns eine komfortable Situation. Man sieht einen ordentlichen Vorsprung – sowohl bei den Punkten als auch bei den Toren. Da verfällt der eine oder andere schon in eine gewisse Euphorie?


Das ist eine sehr gute Ausgangsposition. Eine super Momentaufnahme. Mehr aber auch nicht. Wir müssen diese Position jede Woche bestätigen. Wenn du dann vielleicht einmal verlierst und ein Unentschieden hinterher schiebst, sieht die Welt ganz anders aus. Und das Jubeln hat ein Ende. Genau so wie du jetzt fragst, was ich am 13. Mai mache, würdest du mich vermutlich fragen, wie es weitergeht, wenn es nicht so gut läuft. Es werden bei den kleinsten Unregelmäßigkeiten, die im Fußball dazu gehören, alle möglichen Szenarien durchgesprochen. Von daher kann man zwar von einem komfortablen Vorsprung sprechen, aber es muss jeden Samstag geliefert werden. Und nur wenn das passiert, war die Euphorie berechtigt werden wir sehen, was Mitte Mai passiert. Aber bis dahin ist es ein langer Weg.


Wenn ich an unser letztes Gespräch denke und dich auch sonst erlebe, bist du eigentlich ein sehr offener und geradliniger Mensch. Im Moment wirkst du eher defensiv. Was ist in der Vergangenheit passiert, dass du so zurückhaltend bist?


Ich habe meine Lehren aus den Aussagen der Vergangenheit gezogen. Die Fallhöhe muss immer im Blick bleiben. Schnell kann diese Situation eine andere sein, als sie im Moment ist. Am Ende möchte ich mich nicht an meinen Worten messen lassen, sondern Ergebnisse müssen für sich sprechen.


Wenn ich im Stadion stehe, erlebe ich ein gut gefülltes Haus. Die Stimmung unter den Fans ist durchweg positiv. Man gewinnt den Eindruck, dass Fans und Team eine Einheit bilden?


Stimmt. Bei den Fans empfinde ich das genauso. Die Grundhaltung ist positiv. Eine wirklich schöne Realität. Ich war in der „Nordschänke“ zum „Preußen-Talk“. Was da an positiver Energie herübergekommen ist, ist ein gutes Gefühl. Auch nach dem 4:5-Ergebnis in Wattenscheid. Es war sensationell gut, wie da die Fans abgegangen sind. Das kann mir und dem Team niemand nehmen. Da wollen wir noch einiges zurückgeben.


Du bist während einer Pressekonferenz aufgestanden und hast sie beendet. Es ist nicht selten mittlerweile, dass Interviews oder Konferenzen abgebrochen werden. Was hat dich so erzürnt, dass du gegangen bist?


Letztendlich ist das nicht wichtig. Ein Journalist und ich hatten eine unterschiedliche Auffasung und fanden nicht zueinander. Aber es ist auch okay für mich. Die Presse macht ihren Job und ich meinen. Am Ende können wir nicht ohneeinander. Egal, wie unterschiedlich die Ansichten sind.

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Vor den Erfolg hat der liebe Gott den Schweiß gesetzt

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Wir haben die zweitwenigsten Gegentore kassiert. Auf der Guthabenseite steht ein Plus von 30 Treffern. Punktemäßig stehen wir souverän auf Platz eins. Eine solche Tabelle habe ich lange nicht mehr gesehen. Im „Kicker“ steht: Preußen Münster, Herbstmeister mit Makeln. Der „RevierSport“ schreibt von der perfekten Hinrunde. Beschäftigst du dich damit?


Es ist richtig, dass wir uns überall entwickelt haben und Erster sind. Ich nehme das zur Kenntnis. Nicht mehr und nicht weniger. Es hat keine Auswirkung auf meine Arbeit. Die wird von jedem anders bewertet. Das ist auch gut so. Am Ende zählt nur das Ergebnis. Da ist es egal, wie begeistert oder enttäuscht wer auf dem Weg dahin war.


Wenn du dir die Hinrunde anschaust: Hast du für dich einen Ansatz gefunden, welche Makel gemeint sein könnten. Gibt es da Situationen, in denen ihr cleverer hättet sein müssen?


Nein. Es ist eigentlich alles erklärbar. Das Spiel in Oberhausen haben wir verloren. Der Schiedsrichter hatte dem falschen Spieler die Rote Karte gegeben. Da beeinflusst du nichts mehr. Natürlich kannst du mit zehn Mann gewinnen. Das ist aber nicht die Regel. In Aachen spielten wir eine gute erste Halbzeit und eine schlechte zweite. Da haben wir zurecht verloren. Gegen Kaan-Marienborn rennen wir 88 Minuten auf ein Tor. Der Gegner taucht einmal vor unserem Gehäuse auf und es steht unentschieden. Auch das gibt es im Fußball. Damit rede ich nichts schön, aber ich kann erklären, was passiert ist. Genauso wie nicht alles perfekt gelaufen ist in der Hinrunde. Somit ist es ein ständiges Analysieren und Neuausrichten auf die Aufgaben, die da kommen.


Ich finde deine Haltung nachvollziehbar und gut. Aber es gibt ja noch das Team. Wie lesen die Spieler solche Headlines?


Ich habe den Jungs geraten, alle Kritik, positiv wie negativ, beiseitezulegen. Tom, die Spielleistung war insgesamt gut. Du gewinnst nun mal nicht alle Spiele in einer Saison. Natürlich bewirken Überschriften und Aussagen etwas bei den Jungs. Sie stehen auf dem Platz und in der Verantwortung. Das Team wird das Beste daraus machen, denn sie wissen, was sie bis jetzt geleistet haben. Da kann man erhobenen Hauptes weitergehen.


Welches Spiel der Hinrunde hat dich so sehr begeistert, dass du wirklich selber zu dir sagst: „Hammer!“?


(Lacht) Da muss ich ehrlich sagen, dass es da einige Spiele gab. Zu Hause gegen Bocholt das 5:0 oder der Sieg über Wattenscheid. Wobei Wattenscheid schon ein Wahnsinnsspiel war. Wir haben eine überragende erste Halbzeit gespielt und einen miserablen zweiten Durchgang. Es stand 4:4, aber wir fanden zurück ins Spiel und machten mit dem Schlusspfiff in der 96. Minute den Sieg fest. Das hat mich an der Mannschaft total begeistert. Sie hatten gezeigt, dass sie es unbedingt wollten. Einfach gewinnen.


Sportchef Niemeyer sieht keinen großen Bedarf für die Mannschaft zur Rückrunde. Bist du auch so überzeugt für die zweite Saisonhälfte?


Das sehe ich auch so. Wir haben ein gutes Team und eine sehr gute U23. Die ist aktuell auch Erster. Wenn was sein sollte, können wir uns da auch bedienen. Wenn Spieler den Verein verlassen würden, müssten wir reagieren. Aber Stand jetzt sehe ich keinen Handlungsbedarf und vertraue meiner Mannschaft zu 1000 Prozent.


Hast du dir eigentlich mal überlegt, ob du nach Münster ziehst. Stelle dir mal vor, du steigst auf. Die Geschichte ist dann vermutlich nicht zu Ende geschrieben. Du wirst glatt zum dienstältesten Trainer der letzten Jahre?


Ich meine sogar, dass ich der Dienstälteste der letzten Jahre bin. Ich meine sogar, dass ich unter den Top 5 der längsten Trainer im Amt bin. Aber um auf die Frage zu antworten. Ich wohne ja schon in Münster…


…ich meine mit der ganzen Familie nach Münster…


…meine Frau hat in der Heimat einen guten Job, den sie nicht aufgeben würde für einen Trainer (lacht). Du weißt doch Tom: Dreimal verlieren und du fragst mich, wann ich wegziehe.

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Ich rede nichts schön …

Ich stelle die Frage sicherlich nicht, aber wir müssen ehrlich sein: Bei unseren Preußen läuft es in die richtige Richtung. Der Stadionumbau hat endlich begonnen. Trainingsplätze entstehen und wir können einen großen Schritt Richtung Nachwuchsleistungszentrum machen. Sogar eine neue Anzeigetafel hängt. Es gibt allerdings die Fan-Angst. Es geht um das „Dicke Ende“ und das „Preußen-Like“. Wie entgegnest du dem?


Diese Aussagen treffen wirklich eingefleischte Fans. Wenn ich durch die Stadt laufe, kommen die Menschen zu mir und erzählen mir, wie geil sie das alles finden. Und dann fällt das „Hoffentlich“. Und ich frage: Warum denn? Ich kann das „Preußen-Like“ nicht mehr hören. Und jetzt kommen die ersten Fans auf mich zu und sagen völlig angstfrei: „Sascha, wir haben 5:4 in Wattenscheid gewonnen. Das war ein geiles Spiel. Wenn wir ein solches Spiel gewinnen, steigen wir auf.“ Es ist unglaublich schön, so was zu hören, zu spüren, wie viel Vertrauen vorhanden ist. Ich kann dem nur entgegen, dass wir nichts zu verlieren haben, nur gewinnen können. Fertig aus.


Jetzt mal Tacheles. Was sind deine Wünsche für 2023?


Beruflich wünsche ich mir maximalen Erfolg. Das wäre der Aufstieg mit Preußen. Eine großartige Feier mit den Fans wäre super. Dass der unsägliche Krieg in Russland beendet wird. Dass Frieden für uns alle herrscht. Dass Vernunft, Moral und Motivation zurückkehren. Dass das Lachen im Leben wieder einkehrt.


Zum Schluss komme ich noch mal auf den 13. Mai 2023. Ich bin der Überzeugung, dass du auf das Deutlichste verspätet in den Urlaub kommen wirst. Massen von Menschen werden feierwütig verhindern, dass das Team und du aus dem Stadion kommt?


(Lacht). Wenn das so kommt, wäre ich sofort bereit, bis in die Nacht mit den Fans zu feiern. Aber bevor es zu einem Platzsturm kommen kann, gibt es hoffentlich acht ausverkaufte Heimspiele und die Auswärtsfahrten, die spielerisch positiv gestaltet werden müssen. Ich bin sicher, dass die Euphorie da ist. Wir wollen durchziehen und jedes Spiel gewinnen.


Sacha. Dir und deiner Familie nur das Beste für 2023.


Danke. Euch auch.

Sascha Hildmann
Der 1972 in Kaiserslautern geborene Fußballlehrer ist ein Überzeugungstäter. Trainer aus Leidenschaft. Wenn dann etwas Leiden schafft, ereilt ihn der Ehrgeiz, um diesen Zustand abzustellen.
Eines ist sicher: Münster ist für ihn nicht nur Fußball.

Autor Tom Feuerstacke / Illustration Thorsten Kambach / Fotos SC Preußen 06 e. V. Münster

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