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2022-11-07 Stadtgeflüster Illustration Ekki kurz.tif

Tom Feuerstacke und Sascha Hildmann fiebern verbal dem Saisonfinale entgegen

DER ADLER FLIEGT

Es ist lange her, dass wir eine solche Saison erlebt haben. In der Stadt spürt man die Nervosität überall.
Es gibt kein anderes Gesprächsthema als unsere Preußen und ihren Trainer. Schaffen es unsere Preußen in die 2. Liga aufzusteigen? An diesen Tagen scheint sie nichts aufzuhalten. Dafür steht der Coach.
Seit fünf Jahren leistet er und sein Team Unglaubliches. Mit der jüngsten Vertragsverlängerung von
Sascha geht die wilde Fahrt weiter.

Sascha, wie fühlst du dich dieser Tage?


(Lacht) Hervorragend. Ich bin gesund und munter.


Und fußballerisch?


Geht es mir auch ausgezeichnet. Die Ergebnisse gegen Ulm und Regensburg haben nicht diesen gewünschten Erfolg gebracht, aber ich relativiere das alles. Gegen wen sind wir angetreten? Wir haben gegen die Top-Mannschaften Dresden, Regensburg und Ulm hintereinander gespielt. Alle sind Tabellenführer zu seiner Zeit gewesen, außer Dresden. Gegen Dresden haben wir noch gewonnen. Aber gegen Regensburg spürte man, dass oben in der Liga eine große Qualität da ist. Die Niederlagen sind bedauerlich, aber Fußball ist nun einmal kein Wunschkonzert. Wir haben sieben Spiele in Folge gewonnen. Dass das nicht immer so weitergeht, war allen klar. Also auch da kein Selbstläufer. Ich bin sehr realistisch und kann das alles optimal einschätzen. Deshalb geht es mir wirklich ausgezeichnet, ich bin entspannt.


Hattest du vor der Saison überhaupt damit gerechnet, dass wir eine solche Rolle in der Liga spielen würden? Du bist eher optimistisch, also kein Pessimist. Aber dass es einen solchen Lauf nehmen würde?


Natürlich nicht. Man hofft immer auf den maximalen Erfolg. Wenn du mir vor der Saison gesagt hättest, wir wären sechs Spieltage vor Schluss Dritter und würden voll im Aufstiegsrennen mitmischen. Ich hätte gesagt, dass du sie nicht alle hast. Es ist eine ganz tolle Geschichte. Ich genieße diese Situation und nehme diese auch so wahr. Viele Menschen sehen das so. Kein großer Totentanz, weil wir zwei Spiele verloren haben. Also im Gegenteil, es sind alle stolz.


Ihr habt die Unterlagen zur Lizenzierung für die 2. Liga eingereicht. Planst du als Trainer denn auch zweigleisig für die kommende Saison?


Was heißt planen? Du musst diese Möglichkeit im Kopf haben. Nicht mehr und nicht weniger. Du musst die Eventualitäten im Kopf haben, die kommen können. Deshalb könnte man sagen, dass auch wir zwei-

gleisig planen im weitesten Sinne. Allerdings nur, wenn das Tagesgeschäft es zulässt.


Du bist entspannt, sagst du. Bist du nicht doch ein wenig nervös mit dem Gedanken? Wenn wir vier von fünf Begegnungen gewinnen, dann sind wir immer noch in der Verlosung. Da darf doch schon etwas Hitze im Körper sein?


Ich bin absolut nicht nervös, im Gegenteil, ich bin absolut entspannt. Außerdem ist es eine reine Spekulation von mir mit den vier aus fünf Begegnungen. Nervös wäre ich, wenn man jetzt mit dem Rücken zur Wand stehen würde. Dann hätten wir ein wirkliches Problem. Die Situation jetzt ist doch ein Luxusproblem, das ist das Schönste, was es gibt. Wir spielen oben mit, keiner hätte damit gerechnet. Es ist eine ganz starke Ausgangsposition, die die Mannschaft und wir uns erarbeitet haben. So nehmen wir das auch an und so genießen es. Alle Leute unterstützen uns komplett. Und wir können nichts verlieren. Ich habe vor Wochen bereits gesagt, dass wir nur noch gewinnen können, egal was kommt. Die Erwartung muss neu eingeordnet werden.


Wir haben in der Vergangenheit schon über das eine oder andere gesprochen. Was mir dabei auffällt: Immer, wenn wir miteinander gesprochen haben, steht die Mannschaft immer an erster Stelle in den Erwähnungen. Es gibt keine Erwartung. Du bist ruhig und wirkst entspannt. Du kannst auch kritisch sein. Aber eher schon zurückhaltend. Deine Arbeit ist akribisch. Abgestiegen, aufgestiegen, nun kämpfen unsere Preußen um den Aufstieg. Da dürfte man ruhig von sich sprechen. Der Sascha tut das allerdings nicht?


Ja, weil ich das alleine niemals geschafft hätte. Du benötigst verdammt gute Mitstreiter. Ich habe ein sehr hervorragendes Trainerteam. Wir verfügen über eine fantastische Mannschaft, die wir zusammengestellt haben. Nach dem Abstieg war jede Saison eine Entwicklung da. Jedes Jahr wurde es besser. Eine solche Entwicklung spricht für uns als Trainerteam. Ich würde niemals von mir alleine sprechen. Sicherlich bin ich der Chef, gar keine Frage. Als Cheftrainer bin ich der Verantwortliche für alles. Ich werde in die Verantwortung genommen, wenn es nicht laufen würde. Keine Frage. In der Verlosung oben wie unten sind wir immer als gesamtes Team.

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Du bist der dienstälteste Trainer

Interessante Trainerposten werden frei. Du warst überall im Gespräch. Bayern und Liverpool haben dich gejagt. Wir haben uns bereits darüber unterhalten, du bist der dienstälteste Trainer. Nicht nur bei Preußen, sondern in der ganzen Liga. Mit dem Wissen, dass im Fußball alles vergänglich ist und Erfolge der Vergangenheit schnell in den Hintergrund treten können, hast du dich für weitere zwei Jahre an unseren Verein gebunden. Du bleibst somit in unserer wunderschönen Stadt. Was bewegt dich, so ein zuverlässiger Preuße zu sein?


Für mich gab es gar keinen anderen Gedanken als Preußen Münster. Ich hatte überhaupt keine andere Idee in meinem Kopf. Ich wollte unbedingt hierbleiben. Hier fühle ich mich wohl. Ich mag die Menschen, die Fans und den Verein sehr. Deshalb habe ich mich immer für diesen Weg entschieden. Ich will das Team noch weiterentwickeln. Vielleicht darf ich das neue Stadion noch erleben. Ein Traum von mir ist, dass die neue Spielstätte fertig steht und ich noch immer Trainer bin. Das wäre Weltklasse …


… schöner Traum, den ich auch habe – also das neue Stadion noch erleben zu dürfen …


... (Lacht) Ja, ich weiß. Ich glaube, dass da zeitnah etwas passiert. Ich habe immer geschworen, nur noch dort zu arbeiten, wo es mir Freude bereitet und das, was ich mir hier aufgebaut habe, erfüllt mich mit Freude. Und deshalb war für mich klar: Preußen Münster steht an oberster Stelle, ist und bleibt meine erste Adresse. Ich wünsche das zurückzugeben, was die Fans mir geben. Ich finde, wir gehen einen hervorragenden Weg. Und ich denke, das passt einfach.


Bei aller Lobhudelei: Die konstanten Leistungen der Spieler erwecken die Begehrlichkeit anderer Vereine. Und so mancher Spieler strebt nach Höherem. Nervt es nicht, sich mit diesen Sorgen beschäftigen zu müssen?


Diese Gedanken sind immer da. Das ist etwas, was ich nicht verhindern kann. Sozusagen ist das der Fluch der guten Tat. Die Begehrlichkeiten wachsen mit dem Erfolg und das gehört im Profifußball absolut dazu. Wenn sich ein Spieler verbessern kann und ein Angebot aus der Bundesliga bekommt, dann freue ich mich vollkommen für ihn.


Hand aufs Herz, wenn du dich mit deinen Vertrauten austauschst, sagst du dann nicht: „Mensch, hätte der heute ein Tor weniger geschossen“?


Nein, da bin ich zu sehr Fußballer. Ich möchte auch immer weiter. Deshalb verstehe ich das. Am Ende ist es auch eine Auszeichnung für uns und unsere Arbeit.


Unsere Saison war in jeder Hinsicht grandios. Das wird ein heißer Endspurt. Wie willst du Ruhe tanken? Die Mannschaft muss für die neue Spielzeit zusammengestellt und eingeschworen werden. Man erwartet doch immer eine Steigerung. Somit werden es vermutlich sehr kurzweilige Ferien für dich.


(Lacht) Ja, Stress pur. Das ist mein Schicksal, das ich habe. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich mal einen stressfreien Sommerurlaub gehabt habe. Es gibt eine Menge Arbeit, die bewältigt werden muss. Ich kann mal eine Woche wegfahren, aber selbst dann musst du erreichbar sein. Das ist notwendig. Da geht es ja nicht nur um neue Spieler, da geht es um die gesamte Planung. Du kannst nicht sagen, du machst jetzt mal drei Wochen nichts. Klappt nicht. Wann sollen die Leute mit dir sprechen? Selbst in der Bezirksliga, in der ich begonnen habe, haben sich alle Spieler in der Sommerpause gemeldet. Da war ich im Urlaub. Das bringen dieser Trainerjob und diese Verantwortung einfach mit sich.


Gehen wir mal davon aus, es wird mit dem Aufstieg klappen. Wie ist das für einen Trainer? Lieber mit Sondergenehmigung an der „Hammer Straße“ spielen? Oder sagst du, dass da logistisch etwas draufgepackt werden muss und lasst uns mal nach: Wie heißt das Ding da hinten in Ostwestfalen – Paderborn, Bielefeld oder was weiß ich?


Ich hoffe, dass wir mit einer Ausnahmegenehmigung hier spielen können. Was in anderen Stadien auch möglich war. Wir werden ein paar Auflagen erfüllen müssen und dann sollte es genehmigt werden, hier in Münster in unserem Stadion zu spielen.

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Das ist der Fluch der guten Tat

Bleibt der Kader so, wie er ist oder hast du noch ein paar Leute, die du aus dem Hut zaubern wirst?


Ja, natürlich. Tatsächlich schläft der Markt aktuell noch. Es ist sehr ruhig. Ich bin nicht im Bilde darüber, warum. Es ist alles so ruhig, da passiert nichts. Warten wir mal ab, was da noch kommt.


Es sind zwei direkte Aufstiegsplätze. Zusätzlich gibt es einen Relegationsplatz, auf dem in zwei Spielen ein möglicher weiterer Aufsteiger dazukommen kann. Was wäre dir denn lieber? Direkter Aufstieg oder zwei Bonusspiele und dann ab nach oben?


Die Relegation ist für die Zuschauer super. Für mich als Trainer ist das der blanke Horror. Nächtelang nicht schlafen können. Das ist wie in der Schule mit der Nachprüfung. Extrarunde drehen und hoffen, dass es dann für über den Strich reicht. Nichts für mich. Ich möchte, wenn, dann am liebsten direkt hoch.


Beim letzten Mal sprachen wir über einen möglichen Umzug nach Münster. In der Stadt, die dir ans Herz gewachsen ist. Du hast dich für weitere zwei Jahre für diese faszinierende Metropole entschieden. Gibt es jetzt Pläne für eine dauerhafte Lösung?


Nein. Da ist alles unverändert. Meine Frau ist in unserer Heimat beruflich im sozialen Bereich voll eingebunden. Egal, was passiert, wir haben unseren Heimathafen. Das halte ich für wirklich wichtig. Meine Frau kommt donnerstags mit dem Zug und bleibt bis sonntagabends. Ich konzentriere mich den Rest der Woche auf Fußball. Wir freuen uns aufeinander. Das ist nun unser Alltag seit fünf Jahren und es funktioniert perfekt. Es gibt also keinen Grund, hierherzuziehen. Unsere Familien und unser Freundeskreis sind in der Heimat. Sonntags, wenn ich nach dem Training nach Hause fahre, kann ich zu meinen Eltern rüber oder Freunde kommen zu uns auf die Terrasse und bei einem Getränk spricht man über die normalen Dinge des Alltags. Ich kann dann einfach nur der Sascha sein. Das ist wichtig. Dieser Heimathafen gibt dir die Sicherheit und Geborgenheit, um einen solchen Job wie meinen machen zu können.


Sascha, wie immer ein kurzweiliges Gespräch. Ich hoffe und wünsche mir, dass noch viele folgen werden. Und vor allem glaube ich an ein Happy End am Ende der Saison.


Danke. Das hoffe ich.

Sascha Hildmann
Der 1972 in Kaiserslautern geborene Fußballlehrer ist ein Überzeugungstäter. Trainer aus Leidenschaft. Wenn dann etwas Leiden schafft, ereilt ihn der Ehrgeiz, um diesen Zustand abzustellen. Eines ist sicher: Münster ist für ihn nicht nur Fußball.

lllustration Thorsten Kambach / Fotos Sebastian Sanders | SC Preußen Münster

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