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Das Schlaun-Gymnasium ist bereit für die Zukunft
EIN PLATZ AN DER SONNE(NSTRAßE)
Idealer geht es wohl nicht: Zentral zwischen Bült und Bahnhof und direkt an der Stadtbücherei gelegen, befindet sich „das Schlaun“. Schon als ich vor zehn Jahren mein Abitur an dieser Schule absolvierte, ging es bereits seit Jahren darum, ob das Gymnasium seinen Standort an der Sonnenstraße 18 behält oder umzieht, ob es renoviert wird, beziehungsweise wann. Fakt bis dahin ist, dass die Schulgemeinde selbst die Ärmel hochgekrempelt hat und die Kinder und Lehrer voller Tatendrang die Pinsel in die Hand nahmen. Folgt man Berichterstattungen, scheint Bewegung in die Sache zu kommen. Wie diese außergewöhnliche Schulgemeinschaft sich gemacht hat, wie es um konkrete Pläne steht und was die Debatte nun im Jahr 2024 hergibt, möchte ich von der Schulleiterin des Johann-Conrad-Schlaun-Gymnasiums, Sabine Langenberg, erfahren. Ein Interview von Chiara Kucharski.
Sie sind noch nicht lange Schulleitung an dieser Schule. Wie war es, das Schlaun unter diesen Bedingungen zu übernehmen?
Das war im April 2020, auch noch zu ganz außergewöhnlichen Bedingungen. Ich fange hier neu an der Schule an und es sind überhaupt keine Schüler da. Wir mussten im Zuge der Corona-Maßnahmen alles online aufbauen und den gesamten Unterricht digital organisieren. Häufig konnte ich über die digitale Schulplattform „Iserv“ oder „Teams“ nur schwarze Kacheln sehen, anstatt die Schüler persönlich kennenzulernen. Das war ein Start … Und natürlich für uns alle komplett neu. Aber das war mein besonderer Einstieg.
Mit wahrscheinlich gänzlich neuen Herausforderungen und Tricks der Schülerschaft?
Genau. Wenn dann „angeblich“ die Technik zuhause nicht funktioniert. Oder auch die Frage nach dem Umgang mit Künstlicher Intelligenz.
Inwiefern hat sich seit der Zeit etwas verändert?
Zunächst einmal sind unsere Schüler und Lehrer allesamt so fit im Digitalen geworden, das ist gerade für junge Lernende eine große Herausforderung. Jeder hat hier sein eigenes iPad, das zum Lernen gebraucht wird. Keines zum „Daddeln“, sondern mit einer festgelegten Basiskonfiguration. Durch unser hausinternes Mediencurriculum werden die Schülerinnen und Schüler gezielt in den verschiedenen Jahrgangsstufen in den entsprechenden Fächern in die notwendigen und später erweiterten Skills eingeführt, die einen verantwortungsbewussten und sinnvollen Umgang ermöglichen.
Was hat sich sonst getan?
Darüber hinaus haben wir den Instagram-Kanal „Schlaun-Post“ und eine komplett neu gestaltete Homepage. Neben den vielen kleinen und großen Veränderungen im Schulgebäude gehen wir in der Attraktivitätssteigerung unserer Lernumwelt voran. Aktuell ist die Begrünung für die Dächer an den Fahrradständern als „alternatives, grünes Klassenzimmer“ in der Planung.
Eigeninitiative macht vieles möglich.
Gleichzeitig geht es aber auch darum, den großen Lern- und Sozialdefiziten zu begegnen, die sich zunehmend als Folge der Corona-Schulschließung herausstellen. Das muss man sich einmal vorstellen, die Fünftklässler, die jetzt bei uns sind, sind zu Corona-Zeiten in die erste Klasse eingeschult worden und haben einen Schulalltag nur von zuhause aus kennengelernt.
Was für Defizite kann man durch diese Zeit feststellen?
Das merkt man bei den grundlegenden schulischen Inhalten, beim Lesen und Grundlagenrechnen und man merkt es auch in sozialen Kontexten im Klassenverband. Es gibt mehr psychische Probleme schon bei jungen Kindern, denen wir hier einfühlsam und mit Unterstützung, Stichwort „Mental Health“, entgegenkommen.
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Auch ein Herr Deilmann ist hier zur Schule gegangen.
Welche Ansätze fährt man?
Wir haben mit Frau Lisa Hafeneger eine tolle Diplom-Sozialpädagogin, die die erste Ansprechpartnerin bei Stress, kleinen und „echten“ Problemen, Sorgen ist. Wir haben unseren Schulhund Rudi, der auf emotionaler Ebene viel erreichen und stets aufbauen kann. Wir fördern und haben eine enorme Vielfalt in unserer Schulgemeinde, die unvergleichlich ist und in die unsere 40 ukrainischen Kinder gut integriert werden konnten. Auch wenn nicht alle nach zwei Jahren Erstförderung bei uns verbleiben konnten.
Wie profiliert sich die Schule?
Gerade vor drei Wochen haben wir einen Fotowettbewerb in der Stadtbücherei zum Thema „Vielfalt“ mit einem dotierten Preisgeld von 1500 Euro gewonnen, einfach toll. Als einziges Gymnasium in Münster haben wir einen Kultur-Schwerpunkt, der sich in der Kooperation mit externen Partnern, wie dem Sinfonieorchester, dem LWL-Kunstmuseum und dem Radio Kaktus Münster e.V., zeigt oder auch in der Zusammenarbeit mit der Architektenkammer Westfalen, wodurch wir in Berlin an einer Schulbau- und Architektur-Messe teilnahmen.
Es werden aktuell immer mehr Gesamtschulen gefordert, gebaut und gefördert. Sehen Sie sich benachteiligt, dass die Förderungen so ungleichmäßig verteilt werden?
Seit 18 Jahren gibt es nun dieses Darben, diese Debatte um das Schlaun. Unterschiedliche Schulformen spiegeln aber Vielfalt wider und ein „gegeneinander ausspielen“ wird keiner Schulform gerecht. Da schließt sich überhaupt nichts aus. Eltern haben ihre ganz persönlichen Gründe, weshalb sie ihre Kinder in dem Konzept der jeweiligen Schulform sehen. Alle Schulformen haben ihre Berechtigung.
Sicherlich.
Es ist nun aber so, dass die Einwohnerzahlen stetig steigen und in allen Bereichen, seien es Kitas, Grundschulen oder auch weiterführende Schulen, der Bedarf steigt. Die Logik leuchtet schlichtweg nicht ein, wieso eine Schule geschlossen werden soll, nur weil eine andere neu in einem aufstrebenden Stadtteil entsteht. Der steigende Bedarf ist schließlich da und muss abgedeckt werden. Wenn ansonsten eine Schule gebaut wird, schließt man dafür an anderer Stelle auch keine andere Schule.
Wie wirkt sich diese Standortdebatte auf die Anmeldezahlen der Fünftklässler aus?
Eine Schule lässt sich nicht auf ihre Anmeldezahlen reduzieren. Schule ist ein Lebensraum, in dem die Kinder ihre prägenden Jahre und viel Zeit mit ihren Mitschülern und den Lehrkräften verbringen. Einige,
vielleicht sensiblere oder schüchterne Schüler brauchen sogar einen kleineren Rahmen, ein persönliches Eingehen auf ihre Person. Trotz der seit Jahren oft recht kritischen Berichterstattung über uns, lassen wir uns als Schulgemeinschaft nicht in unserer guten Arbeit entmutigen.
Das merkt man.
Natürlich kann eine Berichterstattung in Münster nicht alles Mögliche aller Schulen veröffentlichen, denn sonst wären die Zeitungen nur von Schüler-Aktionen aller Schulen gefüllt. Die anhaltende Diskussion aber über den Standort beziehungsweise den Erhalt einer fast 125-jährigen Bildungseinrichtung ermöglicht keine unbeschadete Fokussierung auf unser Kerngeschäft, sondern wirkt sich natürlich auf noch entscheidungsunsichere Eltern bei den Anmeldezahlen aus.
Man liest immer wieder Gegensätzliches. Welche Standort-Möglichkeiten für die Schule stehen im Raum?
Als der temporäre Sanierungsbeschluss des Rates, unter schwarz-grüner Führung, unter dem damaligen Schulleiter Dr. Jansen im Januar 2019 fiel, schien zunächst ein Schlussstrich unter die Debatte gezogen worden zu sein. Im weiteren Verlauf stellte sich jedoch heraus, dass die „ESPA“ im Kreuzviertel, in die wir während einer Renovierung hätten umziehen sollen, mit 19 unterschiedlich großen Klassenräumen, ohne Schulhof, Turnhalle oder naturwissenschaftliche Räume, gar nicht praktikabel ist.
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Wir hatten keine tatsächliche Wahl.
Wie ging es weiter?
Somit war die Maßgabe an uns: Zum Erhalt der Schulgemeinschaft entweder Umzug nach Gremmendorf oder die Schule wird geschlossen. Wir hatten also keine tatsächliche Wahl, natürlich wählten wir dann 2022 als Schulkonferenz den Umzug. Dass im späteren Verlauf das „Optionale“ eingebracht wurde, stand zum Zeitpunkt unserer Entscheidung nicht fest.
Das ist aber interessant.
Eine Schulschließung habe ich selbst einmal miterlebt. Wie das ist, wenn eine Schule geschlossen wird: Die Schülerschaft wird überall in der Stadt verteilt. Der Zusammenhalt wird zerstört, geschlossene Freundschaften werden auseinandergerissen und ein engagiertes Kollegium wird getrennt. Dass eine Schulschließung für mich aufgrund der eigenen Biografie keine Option ist, wissen alle, die mit mir in und für diese Schule zusammenarbeiten. Ich werde diese Schule nicht schließen!
Das ist mal ein Wort.
Auch das Freiherr-vom-Stein-Gymnasium hat 2006 so einen Umzug von der Innenstadt in den Stadtteil Gievenbeck erfolgreich hinter sich. Für uns war klar, wir werden nach Gremmendorf ziehen und uns neu aufbauen. Sollte der Rat der Stadt in dieser Sache anders entscheiden, so liegt es auch in der Hand des Rates über den Standort des Schlaun-Gymnasiums zu entscheiden. Dann bleiben wir eben hier an der Sonnenstraße.
Was man nur wünschen kann. Das Schulgebäude ist wirklich prägend.
Das stimmt. Doch auch hier gilt: Ein Standort ist grundsätzlich nur die Hülle, noch wichtiger sind die Leute, die Schüler, Lehrer, die Elternschaft. Die Schulgemeinschaft am Schlaun hat ganz viel Herz. Damit werden wir auch an jedem anderen Standort etwas Besonderes aufziehen. 16 Mal bin ich umgezogen. In meinen fast 30 Berufsjahren habe ich an Schulen gearbeitet und in keiner der Schulen war der Zusammenhalt unter der Elternschaft, den Schülern und dem Kollegium derart groß wie hier am Schlaun. Soll heißen: Welcher Standort es auch in Zukunft werden soll, wir sind auf alles vorbereitet und machen weiter.
Wobei der Standort hier schon Kult ist. Das charakteristische Gebäude … Schon Götz Alsmann ist hier zur Schule gegangen.
Ja, das ist richtig. Auch ein Herr Snoek, ein Herr Deilmann und andere bekannte Münsteraner sind hier zur Schule gegangen. Aber ich sage auch: Wir sind kein Museum. Es geht um die Schüler, die jetzt hier sind, für sie jetzt das Bestmögliche zu geben und sich für sie einzusetzen ist unser Auftrag. Natürlich ist es für alle Ehemaligen schön, in Erinnerungen zu schwelgen und durch die Gänge zu wandern und schöne Erinnerungen auszutauschen. Meinen jetzigen Schülerinnen und Schülern möchte ich ebensolche unvergesslichen Erinnerungen schaffen.
Das tun sie in jedem Fall. Schön zu sehen, dass die Schule bei Ihnen in guten Händen ist und danke für das Gespräch.
Sabine Langenberg
Sabine Langenberg, geboren 1971 in Niedersachsen, ist aufgewachsen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Nach dem Abitur studierte sie an der WWU Münster die Fächer Geschichte, Chemie und Physik auf Gymnasiallehramt und war anschließend an zahlreichen Gymnasien und Gesamtschulen tätig, zuletzt als stellvertretende Schulleiterin am Pascal-Gymnasium. Seit April 2020 ist sie die Schulleitung am J.-C.-Schlaun-Gymnasium in Münster.
www.schlaun-gymnasium.de
llustration Thorsten Kambach / Fotos Sabine Langenberg