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2022-11-07 Stadtgeflüster Illustration Ekki kurz.tif

Tom Feuerstacke und Peter Kraus besprechen ein Leben mit Rock ’n’ Roll

ROCKIN’85!

Seitdem es den Rock ’n’ Roll in Deutschland gibt, kennt man ihn, den mittlerweile 85-jährigen Botschafter dieser Musikrichtung, der diesen Sound und seine Besonderheiten in die Wohnzimmer unseres Landes brachte. Über den großen Teich in die Häuser, wo eine ganze Generation in den Bann gezogen wurde. Bis heute steht kein anderer Name so wie seiner für den deutschsprachigen Rock ’n’ Roll. Und nichts beschreibt den Entertainer, Peter Kraus, besser als „Rockin’85“!

Herr Kraus, Sie gehen bald auf Tour und kommen auch nach Lingen, in der Nähe von Münster. Wie bereiten Sie sich auf eine Tournee in Ihrem Alter vor? Geht es um körperliche Fitness, stimmliche Vorbereitung oder beides?


Es ist nicht so, dass ich mich speziell für eine Tournee vorbereite, sondern eher kontinuierlich durch Auftritte und das Probenprogramm. Die Tournee selbst ist mehr ein Bündel von Konzerten, bei denen ich zwischendurch immer wieder singe. Körperlich halte ich mich fit, indem ich regelmäßig auf der Bühne stehe und mich in Bewegung halte. Es ist eher die Herausforderung, ein Programm von drei Stunden auf zwei Stunden zu kürzen, weil wir viele Lieder haben, die wir spielen möchten.


Wie kürzen Sie ein Programm von drei auf zwei Stunden? Das sind einige Titel, die herausgestrichen werden müssen.


Es ist tatsächlich eine Herausforderung, das Programm auf zwei Stunden zu reduzieren. Wir müssen entscheiden, welche Lieder unbedingt dabei sein müssen, weil sie Teil meines Markenkerns sind oder die Menschen von mir erwarten. Dazu gehören Lieder aus meiner Anfangszeit. Auch neue Songs von meiner aktuellen Platte „Idole“ müssen in das Programm. Letztlich entscheide ich, welche Stücke die größte Wirkung haben und am besten zu den Showelementen passen, die ich einbaue, um die Zuschauer zu unterhalten.


Was können die Zuschauer von Ihrem neuen Programm erwarten?


Die Zuschauer können sich auf eine Mischung aus alten Klassikern, Rock ’n’ Roll und neuen Liedern freuen. Es wird eine gute Portion Unterhaltung geben, mit Showelementen und humorvollen, parodistischen Stücken. Ich möchte, dass die Menschen fröhlich und zufrieden nach Hause gehen. Neben den Hits aus der Vergangenheit und neuen Songs werde ich auch ein paar persönliche Highlights präsentieren und das Publikum mitreißen.


Ihre neue Platte heißt „Idole“. Was hat es damit auf sich?


„Idole“ ist eine Hommage an die großen Stars, die mich in meiner Jugend inspiriert haben. Diese Platte enthält Songs, die mich beeinflusst haben, als ich Gitarre gelernt habe, und die von amerikanischen Swing- und Jazz-Stars wie Sinatra stammen. Die Platte reflektiert meine musikalischen Wurzeln und die Idole, die mich geprägt haben.


Was würden Sie sagen, hat Ihre Musik besonders gemacht?


Ich denke, was meine Musik besonders macht, ist die Mischung aus Rock ’n’ Roll und den Einflüssen meiner Jugend. Die Verbindung von verschiedenen Musikstilen und die Art und Weise, wie ich die Musik präsentiere, haben viele Menschen berührt. 


Mich würde interessieren, ob Sie jemals bereut haben, nicht im Jazzbereich geblieben zu sein, sondern sich für Rock ’n’ Roll entschieden zu haben. Gab es Momente, in denen Sie lieber Jazzmusiker geworden wären?


(Lacht) Nein, tatsächlich nicht. Ich hatte natürlich großes Interesse an Jazz und Swing, aber als der Rock ’n’ Roll aus Amerika kam, war das eine Musikrichtung, die mich sofort gefesselt hat. Sie war eingängiger und einfacher als der komplexe Jazz, was sie für die Jugend besonders attraktiv machte. Ich war glücklich darüber, dass ich diese Musik aus Amerika nach Deutschland bringen konnte und damit erfolgreich war. Es war für mich eine große Freude, diesen neuen Musikstil hierzulande populär zu machen.


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Es ist wichtig, ein abwechslungsreiches Programm zu bieten

Ihre neue Platte „Idole“ hat sich als Bestseller im Bereich Vocal Jazz entwickelt. Was macht das mit Ihnen? Es ist heute nicht einfach, in der Musikbranche Erfolg zu haben, primär mit dem Einfluss von Streaming-Diensten. Wie fühlt es sich an, dass Ihr Album so erfolgreich ist?


Es ist eine große Freude und Bestätigung für mich. In der heutigen Zeit, wo Plattenverkäufe durch Streaming-Dienste stark zurückgegangen sind, ist es nicht einfach, eine große Fanbase zu erreichen. Der Erfolg meines Albums zeigt mir, dass es noch immer Menschen gibt, die meine Musik schätzen. Es ist nicht mehr wie früher, als man Platten einfach verkaufen konnte, sondern man muss heute auch live auftreten und Konzerte spielen, um die nötige Reichweite zu erzielen. Der Erfolg des Albums macht mich sehr stolz und zeigt, dass meine Musik nach wie vor relevant ist.


Wie schaffen Sie es, den Spannungsbogen während eines Konzerts aufrechtzuerhalten, besonders wenn die Zuschauer nicht aktiv mitmachen?


Es ist wichtig, ein abwechslungsreiches Programm zu bieten und die Menschen durch Geschichten und verschiedene Musikstile zu unterhalten. Ich versuche, die Konzerte so zu gestalten, dass es sowohl ruhige als auch energetische Momente gibt. Obwohl ich die Zuschauer nicht animiere, direkt mitzuklatschen oder mitzusingen, achte ich darauf, dass die Musik und die Präsentation die Leute fesseln. Es geht darum, eine Verbindung zum Publikum aufzubauen und ihnen eine gute Zeit zu bieten, auch ohne aktive Beteiligung.


In Ihren Konzerten setzen Sie auf eine eher traditionelle Form der Unterhaltung, bei der es keine großen Showeffekte gibt, sondern ausschließlich Live-Musik von sieben Musikern. Wie schaffen Sie es, dass die Zuschauer bei dieser Art von Konzert so fasziniert sind und Ihnen gebannt zuhören?


(Lacht) Es ist tatsächlich so, dass ich auf eine altmodische Form des Konzerts setze, bei der es keine großen Showeffekte gibt. Die Musik steht im Mittelpunkt, und die Atmosphäre entsteht durch die Live-Darbietung und die Geschichten, die ich erzähle. Es gibt keine Tricks oder Konfetti, nur die pure Musik und das Licht. Diese Art der Präsentation hat sich als sehr erfolgreich erwiesen, da die Zuschauer wirklich auf die Musik und die Geschichten konzentriert sind. Es ist ein wunderbares Gefühl, wenn die Menschen an meinen Lippen hängen und die ruhige, konzentrierte Atmosphäre genießen.


Wie wählen Sie Ihre Musiker aus? Arbeiten Sie schon lange mit Ihnen zusammen, und gibt es jemanden, der Sie seit den Anfängen begleitet?


Ich arbeite schon seit etwa 20 Jahren mit meinen Musikern zusammen. Sie sind alle Experten auf ihrem Gebiet. Mein Gitarrist ist einer der besten Rock ’n’ Roll-Gitarristen, die es gibt. Er kennt sich unglaublich gut mit Rock ’n’ Roll aus und ist wirklich ein Fanatiker dieses Genres. Die Musiker, die mich begleiten, sind alle von hoher Qualität und bringen viel Erfahrung und Leidenschaft mit. Auch meine Sängerin, die sehr geschätzt wird, singt gerne mit mir und bringt ihre eigene Note in die Lieder ein. Es macht immer großen Spaß, mit ihnen zu arbeiten.


Sie stehen zu den Liedern von früher und präsentieren sie mit Begeisterung. Wie sehen Sie die Musik aus Ihrer Vergangenheit? Betrachten Sie sie als Teil Ihrer Karriere und Ihrer Identität?


Ja, ich stehe rundum zu den Liedern von früher. Für mich sind diese Lieder ein wichtiger Teil meiner Karriere und meiner Identität. Ich sehe sie nicht als Jugendsünden oder etwas, wovon ich mich distanzieren möchte. Vielmehr betrachte ich sie als meine Visitenkarten, die die Menschen hören wollen. Ich freue mich, diese Lieder zu singen und mit Begeisterung zu präsentieren, oft auch mit einem gewissen Humor, um das Ganze noch unterhaltsamer zu gestalten.


Was sind Ihre nächsten Pläne, nachdem die Tournee vorbei ist?


Nach der Tournee werde ich mich wieder mehr auf mein privates Leben konzentrieren. Ich habe mir ein wunderschönes kleines Haus am See zugelegt, wo ich mein Segelboot und Ruderboote habe. Ich werde mich um mein Zuhause und meinen Weinberg kümmern. Das ist mein Ziel für die kommenden Jahre. Es klingt vielleicht nach einer Ruhephase, aber es ist für mich eine erfüllende Aufgabe, die mir viel Freude bereitet.


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Der Rock ’n’ Roll war damals eine neue und spannende Musikrichtung

Wird es in Zukunft noch eine große Tournee geben?


Nein, eine große Tournee wird es nicht mehr geben. Ich werde keine 12 oder 13 Konzerte hintereinander spielen. Stattdessen werde ich mich auf einzelne Auftritte konzentrieren. Die regelmäßigen Treffen mit meinen Musikern, zum Beispiel im Ruhrpott oder anderswo, sind für mich weiterhin ein Höhepunkt. Diese Einzelkonzerte machen mir viel Spaß und sind eine großartige Gelegenheit, zusammen Musik zu machen.


Also werden wir Sie auf der Bühne sehen, aber keine langen Tourneen mehr. Was wird sich ändern?


Genau, nach dieser Tournee wird es keine weiteren Tourneen mehr geben. Die Auftritte werden kürzer und weniger intensiv sein, aber man wird mich weiterhin hören und sehen. Es sei denn, mir fällt etwas Neues ein, aber im Moment plane ich nicht, große Tourneen zu machen. 


Sie haben mit Filmen begonnen, aber der Rock ’n’ Roll hat Sie in seinen Bann gezogen. Wie kam es dazu?


Der Rock ’n’ Roll war damals eine neue und spannende Musikrichtung, die mich fasziniert hat. Die eingängigen Melodien und die einfache Struktur haben mich begeistert. Es war klar, dass dies die Musik war, die bei der Jugend Anklang finden würde. Ich wollte diese Musik aus Amerika nach Deutschland bringen und es ist mir gelungen, wie man an den Verkaufszahlen sieht. 


Die Musik aus den 50er Jahren, besonders der Rock ’n’ Roll, ist nach wie vor faszinierend und beeinflusst noch immer das Design und Styling. Wie sehen Sie das?


Ja, es ist erstaunlich, wie der Rock ’n’ Roll von damals bis heute präsent bleibt. Damals konnte man sich nicht vorstellen, dass diese Musik so einen bleibenden Einfluss haben würde. Die Mode, das Styling – all das wird immer noch von dieser Zeit inspiriert. Ich denke, das liegt daran, dass der Rock ’n’ Roll eine einzigartige Energie und Authentizität besitzt, die nie ganz aus der Mode kommen wird.


Wie hat sich die Musikaufnahme für Sie über die Jahre verändert? Früher waren die Plattenaufnahmen ganz anders als heute, oder?


Das stimmt. Die erste Schallplattenaufnahme, die ich gemacht habe, war mit einem österreichischen Jazzorchester, das den Rock ’n’ Roll eher skeptisch betrachtete. Wir standen damals um ein Mikrofon herum, und die Technik war natürlich ganz anders als heute. Damals musste man sich gut vorbereiten, denn Fehler konnten nicht einfach so korrigiert werden wie heute. Wenn man sich versang, musste man oft alles noch einmal aufnehmen. Das war eine harte Schule, aber rückblickend eine wertvolle Erfahrung.


Wie gehen Sie heute ins Studio? Sagen Sie dann, dass Sie mit sieben Musikern kommen und Sie live spielen möchten?


Wir spielen live und das ist für mich nach wie vor der wichtigste Aspekt. Ich habe noch Duette gesungen, bei denen wir einander in die Augen geschaut und das Lied gemeinsam gesungen haben. Heute ist es anders. Zum Beispiel habe ich mit Helene Fischer eine Platte aufgenommen, indem ich ihr meine Aufnahmen geschickt habe und sie dann separat aufgenommen hat. Die Mischung passiert dann durch jemanden, der in einer dritten Stadt sitzt. Das kann man nicht mit dem vergleichen, was wir früher gemacht haben.


Das klingt deutlich weniger romantisch.


Ja, es hat mit Romantik nichts mehr zu tun. Wenn man live auf der Bühne steht, ist es natürlich wieder anders. Aber die Arbeit im Studio, besonders mit den modernen Methoden, hat eine gewisse Kälte. Es ist schade, dass man sich nicht mehr direkt sieht und gemeinsam in einem Raum arbeitet.


Heißt das also, dass Musiker von heute einiges verpassen?


Ja, sie verpassen sehr viel. Es gibt eine gewisse Nostalgie und Romantik, die verloren gegangen ist. Das direkte Zusammenspiel und die Interaktion, die wir früher hatten, sind heute oft nicht mehr vorhanden.


Herr Kraus, ich danke Ihnen für dieses interessante Interview. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Gesundheit und freue mich auf Ihre zukünftige Musik.

Vielen Dank! Es hat mich gefreut. 


Peter Kraus
Der 1939 in München geborene Österreicher war nicht nur der erste deutschsprachige Popstar. Er brachte den Rock ’n’ Roll aus Amerika nach Deutschland und zum besseren Verständnis sang er diesen auf Deutsch.

lllustration Thorsten Kambach / Fotos Rene van der Voorden und Charlie Spieker

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