Sophia Bernd sucht nach Liebe und findet Paula auf „Tinder“ und Sabine im „Herzblatt“.
GENERATION DATEN
Egal ob Boomer oder Studis. Gedatet wird in allen Generationen. Aber wie wird sich auf
ein Date vorbereitet? Welche Wünsche und Ängste sind mit Dating verbunden?
Und gibt es Unterschiede zwischen den Generationen?
Anfang 60, geschieden, Vollzeit berufstätig, hat Sabine* sowohl Speeddating, „Tinder“, „Elite-Partner“ und die Sehnsuchtsanzeige der Münsterischen „Na-Dann“ ausprobiert.
Hallo Sabine. Erzähl mal. Warum datest du?
Anfangs hatte ich das Bedürfnis nach einer romantischen Beziehung. Nach der Trennung war es für mich wichtig herauszufinden, wie ich wahrgenommen werde. Ich habe mich gefragt, ob ich als Frau noch attraktiv bin. Dating hat eben immer mit Bestätigung zu tun. Außerdem wollte ich aus meiner eigenen Blase an Bekanntem herauskommen. Ich bin von einigen Paaren umgeben und dieses Ehepaarverhalten hat mich gelangweilt.
Was suchst du denn genau?
Ich möchte keine ehe-ähnliche Beziehung. Ich will interessante Menschen treffen und Spaß haben. Wenn sich daraus etwas Romantisches entwickelt, ist das schön. Falls es auf eine Freundschaft hinausläuft, freue ich mich auch darüber. Mir ist es wichtig, meine Freiheiten nicht aufzugeben zu müssen. Meine ideale Vorstellung wäre ein Mann in meinem Alter, der fest in seinem Leben steht. Er sollte ambitioniert, berufstätig und offen für gemeinsame Aktivitäten sein. Will er auch noch zusammen mit mir Liebe erleben, wäre das großartig. Ich glaube, hier liegt ein Unterschied zwischen den Generationen. Ich habe keine großen Projekte mehr wie Ehe, Kinder oder ein neues Haus. Das habe ich hinter mir. Ich schaue einfach, was passiert.
Das hört sich schön an. Seit wann gehst du auf Dates?
Nach meiner Trennung habe ich angefangen. Ich war auf verschiedenen Plattformen angemeldet. Momentan empfinde ich die „Na-Dann“ als beste Option für mich. Damit erreiche ich Männer in meinem Alter und in der Umgebung Münsters. Aber wenn ich dann mal gedatet habe, reicht es auch wieder für drei bis vier Monate. Ich brauche Zeit zum Verarbeiten.
Und mit welcher Einstellung begegnest du dem Thema Dating?
Ich habe keine hohen Erwartungen. Ich lasse es auf mich zukommen. Es ist ein großer Glückstreffer, jemanden zu finden, zu dem man sich hingezogen fühlt und der einen auch attraktiv findet. Daher gehe ich gar nicht davon aus. Es muss nicht immer die große Liebe des Lebens sein.
Du hast erzählt, dass du einige Paare in deinem Freundeskreis hast, aber auch einige Alleinstehende. Wie reagiert dein Umfeld darauf, dass du Anzeigen schaltest und auf Dates gehst?
Meine Schwester findet das zum Beispiel sehr interessant und hört meinen Geschichten immer gerne zu. Sie selbst würde das aber niemals machen. Eine gute Freundin von mir hat ihren Partner über Online-Dating kennengelernt. Auch sonst akzeptiert mein Umfeld das vollkommen.
Hast du go-to Dating-Aktivitäten?
Am liebsten gehe ich spazieren. Gerne auch etwas Trinken. Ich war schonmal mit einem Mann picknicken und mit einem anderen im Kabarett. Das war toll. Man muss sich erstmal kennenlernen und das funktioniert anfangs am besten durch viel reden.
Inwieweit schaffst du es, dich emotional abzugrenzen? Zum Beispiel bei einer Abfuhr?
Das funktioniert gut. Ich glaube, das liegt daran, dass ich sehr erwartungsfrei bin. Deshalb kann ich kaum enttäuscht werden.Einmal habe ich mit einem Mann geschrieben, der mir ein Foto von sich geschickt hat. Ich fand ihn attraktiv und habe auch ein Foto von mir gesendet. Darauf hat er geschrieben, dass ich gar nicht sein Typ sei und wir es eigentlich dabei belassen könnten. Das habe ich sehr gut verstanden und natürlich akzeptiert. Ähnliche Momente hatte auch ich schon oft genug mit Männern, die ich nicht als anziehend empfunden habe.
Und welche Erkenntnisse hast du durch deine Dating-Erfahrungen gesammelt?
Die Antworten, die ich auf meine Anzeige bekomme, kann ich in fünf Kategorien unterteilen. Einmal sind da Männer, die 20 bis 30 Jahre jünger sind als ich und ein Abenteuer mit einer älteren Frau suchen. Dann gibt es die, die für mich zu alt sind. Die dritte Gruppe sind Männer mit grenzüberschreitendem Schreibverhalten, die aggressiv-sexuelle Sprache benutzen und ab und zu Nacktfotos schicken. Die sind immer dabei. Das stößt mich ab. Die vierte Gruppe sucht nach einer Affäre. Dann sind da noch die, die für mich in Frage kommen. Dieser Anteil macht ca. 10% der Gesamtanzahl aus. Oftmals bleibt es bei einem netten Gespräch. Manchmal ist schon nach drei Minuten klar, dass es kein zweites Treffen gibt. Trotzdem verbringen wir einen schönen Nachmittag miteinander. Und das ist vollkommen in Ordnung.
Woher weiß ich schon, wer zu mir passt
Anfang 20, im Studium und in einer WG in Kiel lebend, hat Paula* bisher über die Apps „Tinder“ und „Bumble“ gedatet.
Hallo Paula. Warum datest du?
Die Gründe dafür haben sich über die Zeit geändert. Früher wollte ich einen Partner finden. Der Wunsch nach einer Beziehung war deutlich mehr im Vordergrund als heute. Jetzt mache ich es eher, um neue Menschen kennenzulernen.
Wann hast du mit dem Dating begonnen?
Vor ungefähr zwei Jahren. Dazwischen habe ich auch immer wieder pausiert. Auf Tinder und Bumble hatte ich ein Profil. Jetzt bin ich nur noch auf Bumble unterwegs. Anfangs war der Wunsch nach Kontakt größer. Ich kam in eine neue Stadt, kannte niemanden und dann war da noch Corona. Über die Apps konnte ich schnell neue Menschen kennenlernen.
Hat es dich damals Überwindung gekostet, ein Dating-Profil zu erstellen?
Ja, schon. Ich habe viel darüber nachgedacht, wie ich mich präsentiere, wie ich gesehen werde und wie ich bin. Ich habe mich gefragt, was attraktiv an mir ist. Auf meinem Profil steht nicht viel über mich. Ich weiß erstens nicht genau, was ich schreiben soll, und habe zweitens keine spezifischen Erwartungen an mein Date. In einigen Profilen steht „Schreib mir, wenn du so und so bist.“ Davon halte ich nichts. Wenn mein Gegenüber ein ähnliches Hobby hat, aber letztlich sehr unempathisch ist, hat es sich sowieso erledigt. Wie alle habe ich Fotos von mir hochgeladen und einige Eigenschaften und Interessen angegeben.
Und wie reagiert dein Umfeld?
Meine Freunde sind sehr entspannt. Ein Großteil datet auch. Wenn wir uns davon erzählen, ist es immer unterhaltsam und bestärkend. Ich kenne einige Personen, die sich über Dating-Apps kennengelernt haben.
Hast du eine go-to Date-Aktivität?
Das hätte ich gerne! Aber Kaffeetrinken ist immer schön. Generell treffe ich mich schnell mit Personen damit ich sie besser einschätzen kann und um zu sehen, ob es zwischenmenschlich passt. Ich würde gerne mal etwas Richtiges unternehmen. Auf ein Konzert gehen zum Beispiel. Das habe ich mich bisher noch nicht getraut, wäre aber bestimmt sehr aufregend. Wichtig finde ich, dass sich beide Seiten Gedanken darüber machen, was man unternehmen könnte.
Auf Tinder hatte ich ein Profil
Und wie bereitest du dich auf ein Date vor?
Ich gebe Freundinnen im Vorhinein Bescheid, wo ich ungefähr sein werde. Emotional rufe ich mir ins Gedächtnis, dass es nicht schlimm ist, wenn es nicht funktioniert. Natürlich mache ich mir aber auch einige Gedanken darüber, wie ich aussehe, auftrete und wirke. Kleidung zu tragen, in der ich mich wohl und schön fühle, ist sehr wichtig.Außerdem brauche ich vorher Zeit, um mich mental auf ein Date vorzubereiten. Manchmal überfliege ich nochmal unseren Chatverlauf, um später auf Geschriebenes einzugehen.
Gibt es Aspekte, die dich am Online-Dating stören?
Mit Online-Dating geht auch immer eine gewisse Anonymität einher. Das finde ich schade. Außerdem ist es zeitweise sehr anstrengend und überfordernd, passende Formulierungen zu finden, mich zu entscheiden, mit wem ich intensiver Kontakt halte und mit wem nicht. Woher weiß ich schon, welcher von diesen Menschen am besten zu mir passt? Oft denke ich, dass es bestimmt jemanden gibt, der mir NOCH besser gefällt. Dieser Gedanke resultiert aus der Menge an Personen, die einem angezeigt werden. Unangebrachte Nachrichten sind auch nervig. Manchmal sollten Personen zwei Sekunden länger darüber nachdenken, was sie schreiben. Zusätzlich ist das Ziel, Nutzer:innen möglichst lange an die App zu binden. Ich fühle mich oft gezwungen, immer wieder nachzuschauen. Ich frage mich „Hat die Person JETZT geschrieben?“, „Gibt es ein neues Match?“, „Wann soll ich antworten?“. Das passiert ganz automatisch.
Welche Vorteile siehst du?
Ich habe die Zeit darüber nachzudenken, was ich antworte und auch das Gegenüber kann sich überlegen, wann es antworten möchte. Wenn es im Alltag stressig ist und ich zu sehr in meinem Kopf bin, könnte ich nicht geeignet reagieren. In solchen Momenten bin ich froh, dass mir die andere Person nicht gegenübersteht und ich sofort etwas entgegnen muss. Für die erste Kontaktaufnahme finde ich Dating-Apps sehr praktisch. Vor allem, da es mir schwerfällt, fremde Menschen anzusprechen. Und auch der Stress, den ich eben erwähnt habe, kann positiv sein. Vor Dates bin ich zum Beispiel in einer euphorisch aufgeregten Stimmung. Ich freue mich, jemand Neuen kennenzulernen und spüre einen Adrenalinkick.
Verstehe. Mit welcher Einstellung gehst du allgemein an das Thema Dating heran? Auch bezüglich emotionaler Abgrenzung.
Natürlich wünsche ich mir unterbewusst, dass sich etwas entwickelt. Aber es ist eher eine „Mal schauen was passiert“-Einstellung. Ich bin relativ entspannt und habe keine hohen Erwartungen. Für mich ist es ein Ausprobieren. Es ist vollkommen in Ordnung, wenn ich nach einem Treffen merke: „Okay, das ist es wirklich nicht.“ Ich erwarte nicht, meine große Liebe zu finden. Irgendwie glaube ich nicht, dass es über die Apps funktioniert. Wer weiß. Das liegt aber auch daran, dass ich sie aktuell zu selten nutze. Falls ich aus irgendeinem Grund verletzt bin oder mich etwas beschäftigt bezüglich eines Dates, rede ich offen mit meinen Freundinnen über meine Gefühle. Das hilft sehr. Persönlich habe ich keine Ghosting-Erfahrungen gemacht. Einmal hat mich jemand versetzt. Das war blöd. Im Nachhinein kann ich darüber lachen.
Zum Abschluss: Hast du Erkenntnisse durch deine Dating-Erfahrungen gesammelt?
Menschen sind oft anders, als sie sich präsentieren. Das Schreibverhalten, aber auch die Fotos lassen nicht unbedingt Rückschlüsse auf die Person ziehen. Das kann schade sein. Ich hatte aber auch mal ein Treffen, bei dem ich im Nachhinein positiv überrascht war. Ich bin damals mit der Einstellung „Mal schauen, ob das was ist“ in das Date gegangen. Letztendlich hatte ich eine richtig schöne Zeit. Sich möglichst früh zu treffen, ist deswegen so wichtig!
* Die Namen wurden aus Gründen der Privatsphäre geändert.
NAchtrag
Getindert wird in allen Altersstufen. Vulgäre Nachrichten gehen gar nicht. Und zu hohe Erwartungen können nur enttäuschen. Darüber sind sich beide einig. Unterschiedlich ist die Gewissheit darüber, was sie wollen. Es wirkt so, als ginge mit dem Alter eine zunehmende Gelassenheit und Sicherheit einher. Die Fragen „Wie bin ich?“ und „Was suche ich?“ können gefestigter beantwortet werden. Außerdem wird deutlich, dass Dating mit einer zunehmenden Beschäftigung mit sich selbst verbunden ist.
Die Beiden stehen nicht repräsentativ für ihre
Generationen. Dennoch gewähren sie einen
Einblick in das Dating-Verhalten in ver-
schiedenen Lebensabschnitten.
llustration Thorsten Kambach / Fotos shutterstock