
Stephan Günther besucht die Bürgerinitiative „Die Nordmark schützen“.
DIE NORDMARK – ÄRGER IN MÜNSTERS NORDEN
In Münsters Norden, genauer gesagt in Kinderhaus, schwelt seit vielen Jahren ein Konflikt. Die Beteiligten? Ein Sportverein, der LWL, die Stadt Münster, eine Bürgerinitiative und ein Acker! Die Nordmark ist eine Sackgasse nördlich von Kinderhaus. Sie markiert quasi die Grenze des bebauten Stadtgebietes. Darin liegt auch der Kern des Konfliktes. Ein Acker nördlich dieser Sackgasse soll als Ersatzfläche für einen Sportplatz dienen, der an anderer Stelle dem Bau einer städtischen Schulsporthalle weichen soll. Wir haben uns mit Patrick Zeni und Klaus Fürst von der Bürgerinitiative „Die Nordmark schützen“ getroffen und uns erklären lassen, wo genau das Problem liegt und wo die Missverständnisse sind.
„Die Nordmark schützen“ – so heißt Eure Bürgerinitiative. Worum geht es da?
Das ist grundsätzlich eine recht alte Geschichte. Man hat hier in Kinderhaus den Sportverein Westfalia vor einigen Jahren aus dem Bereich des Wangeroogeweges weggelobt, auf die „Große Wiese“ im Bereich nördlich des Geschwister-Scholl-Schulkomplexes. Nun hat der Sportverein aber so viel Zulauf, dass der Platz schon länger nicht mehr reicht. Aktuell gibt es aber noch eine, für das Verständnis wichtige Parallelentwicklung.
Okay, doch eine komplexere Angelegenheit?
Es geht. Die Stadt Münster betreibt dort wirklich einen großen Schulkomplex, zu dem auch noch zwei andere Schulen gehören, die Hauptschule „Waldschule“ und die Grundschule „Paul-Schneider-Schule“. Beide benötigen neue Sporthallen. Allerdings ist unseres Wissens bisher nicht geklärt, wo die Hallen errichtet werden sollen bzw. können oder wie viele Hallen genau benötigt werden. All das gilt es noch zu eruieren.
Jetzt wird es spannend?
Genau. Die Stadt ist aber dennoch schon einmal mit Westfalia Kinderhaus in Kontakt getreten. Mit dem Anliegen, dass sie gerne den wenig genutzten Ascheplatz hinter der Turnhalle dafür nutzen möchte, um dort möglicherweise eine Sporthalle oder gar eine Mehrfachsporthalle zu errichten. Westfalia Kinderhaus möchte dafür natürlich eine entsprechende Ersatzfläche für einen neuen Sportplatz. Dieser Ersatz soll eine Fläche nördlich der Nordmark sein.
Alles klar. Und das möchtet ihr nicht?
Exakt, deshalb haben wir gesagt, wir wollen die Nordmark schützen.
Jetzt tappe ich immer noch im Dunkeln. Was genau macht die Nordmark schützenswert?
Die Nordmark ist für uns so etwas wie eine imaginäre Grenze, auch der Stadtentwicklung. Für Bebauungsplanung oder so etwas sollte man nicht so weit auf die nördlichen Flächen hinausgehen. Es geht hier um eine Fläche, die unmittelbar an die Nordmark, aber nicht direkt an die bestehenden Sportanlagen grenzt. Der Weg dorthin führt durch eine Waldfläche, was bedeutet, es müsste für die Anbindung eine komplette Zuwegung gebaut werden. Womöglich auch, um dort noch andere Infrastrukturen zu errichten. Wir wehren uns dagegen, dass dieser Sprung gemacht wird auf diese, derzeit als Acker genutzte Fläche.
Wie seid ihr darauf aufmerksam geworden?
Es ist ein bedeutungsvolles Naherholungsgebiet für den Stadtteil. Gerade die Nordmark ist halt ein Fuß- und Radweg, der auch sehr, sehr stark genutzt wird. Vom Verein gibt’s in den Westfälischen Nachrichten immer wieder Aussagen, die suggerieren: „Nächste Woche können wir eigentlich schon mit dem Bau beginnen.“
Wie ging es dann weiter?
Wir haben erst mal gesagt, dass wir das so nicht glauben. Wir wollten erst einmal genau wissen, wie der Status quo ist, planungsrechtlich und so weiter. Die Fläche selbst gehört dem Landschaftsverband. Es gibt einen Beschluss der Bezirksvertretung Nord, der sagt, dass die Fläche auf dem Acker alternativlos sei als Kompensationsfläche für den Ascheplatz.
Und wie seht ihr das? Trifft das zu?
Das wird so propagiert und da sind wir nicht mit einverstanden, weil wir das zunächst mal nicht glauben. Wir glauben das insbesondere deshalb nicht, weil uns da entsprechende Transparenz fehlt. Wir haben keinerlei Informationen oder gar Belege dafür, dass in einem Auswahlprozess tatsächlich alle anderen Flächen ausgeschlossen wurden.
Wie kommt ihr denn dann an die notwendigen Informationen?
Kontakte zum Planungsamt der Stadt Münster haben wir nicht, es musste also alles irgendwie selbst zusammengesucht werden. Wir haben das selbst recherchiert, wir haben selbst nachgesehen: Wie groß sind die Flächen, welche Flächen brauchen wir und so weiter. Ganz spannend war, als wir das mal auf einer Karte schematisch dargestellt haben, dass diese Sporthalle oder Mehrfachsporthalle, je nachdem, was es da genau wird, gar nicht die Größe hat wie ein Fußballfeld oder Ähnliches, sondern nur ungefähr halb so groß ist. Deswegen haben wir immer gesagt, es müsste auf dem vorhandenen großen Geländekomplex, also Schulzentrum, Sportanlagen, Abfallwirtschaftsbetriebe und so weiter, eventuell möglich sein, auch Doppelnutzungen zu schaffen.
Wir halten fest: Der Ascheplatz soll für eine Sporthalle der Stadt weichen und der Acker nördlich der Nordmark soll als Ersatz für diese Fläche dienen. Klingt irgendwie eher nach einem Problem der Stadt, nicht des Sportvereins.
Klar, wenn die Sporthalle auf dem Ascheplatz (der eine Flutlichtanlage hat) gebaut wird, sagt Westfalia Kinderhaus völlig zu Recht, dass sie eine neue Fläche benötigen. Wir versuchen halt, in den Grenzen zu bleiben, die hier durch einen Bebauungsplan auch festgelegt sind, und fordern die transparente Suche nach Flächenalternativen.

Die Nordmark ist für uns eine imaginäre Grenze
Wie ist denn, auch rechtlich, der Planungsstand aktuell?
Das ist das Kernproblem. Es gibt keine Informationen. Wir wissen nicht einmal, ob der Verkauf der Ackerfläche vom LWL an die Stadt mittlerweile erfolgt ist. Es gibt keine Pläne. Kann es auch nicht, weil es ja nicht einmal einen Bebauungsplan gibt.
Klingt, als wäre das noch ganz am Anfang, obwohl es schon Jahre so geht. Keine Transparenz oder Informationen, dafür aber immer wieder Verlautbarungen seitens des Vereins?
So ist es, als würden morgen schon die Bagger anrollen.
Habt Ihr Euch an die Parteien im Rat gewandt?
Das haben wir natürlich gemacht. Aber jedenfalls haben SPD und CDU die Alternativlosigkeit festgestellt. Es gab eine Sitzung der Bezirksvertretung. Da wurde sozusagen mit entsprechender Mehrheit von Schwarz-Rot beschlossen, dass dieser Acker tatsächlich die einzig infrage kommende Fläche ist, um den Ersatzsportplatz zu realisieren.
Das ist der Stand der Dinge? Ihr wisst, dass der Acker verwendet werden soll?
Nicht mal das, es steht lediglich die Alternativlosigkeit fest. Das ist ein wichtiger Unterschied, weil jedenfalls zu dem Zeitpunkt überhaupt noch gar nicht klar war, ob der Verkauf an die Stadt möglich ist.
Normalerweise finden doch nach so einem Beschluss erst mal Machbarkeitsstudien oder etwas in der Art statt?
Absolut. Dann wird vor Ort geschaut, was umsetzbar ist, was stört man da, gibt es da irgendwas in der Natur?
Und da ist nichts passiert bisher?
Zumindest liegt uns dazu nichts vor.
Wie lange zieht sich dieses Thema denn schon?
Das Thema ist mindestens schon 10 Jahre alt. So lange wird zumindest vom Verein schon darüber geredet, dass dies eine Fläche ist, über die man sprechen kann. Es wurde immer nach außen getragen, dass diese Fläche dem LWL gehört und man da drankäme.
Habt Ihr in Euren Reihen denn juristischen oder thematischen Sachverstand?
Sachverstand insofern, als dass wir uns fachlich mit irgendwelchen Bebauungsplänen oder Machbarkeitsstudien beschäftigen könnten, haben wir nicht. Aber bis dato gibt es ja ohnehin nichts, womit man sich inhaltlich beschäftigen könnte. Wir haben im Grunde zwei Kritikpunkte: fehlende Transparenz, gepaart mit der Aussage, dass es alternativlos ist.
Was passiert denn, wenn z. B. eine Machbarkeitsstudie zeigt, dass der alternativlose Acker aus irgendwelchen zwingenden Gründen nun gar nicht infrage käme?
Eine unserer Sorgen ist, dass durch die behauptete Alternativlosigkeit eine Art Verkaufs- oder Tauschdruck zwischen Stadt und LWL aufgebaut wird. Hinterher natürlich auch eine Art Umsetzungsdruck, weil ich eine Fläche brauche, ich aber nur einen Platz habe, an dem ich sie verwirklichen kann. Man kann annehmen, dass bestimmte Hemmnisse, die dem dann doch vielleicht entgegenstehen, leichter zu umschiffen sind, als wenn ich Alternativen hätte.
Wieviele Menschen seid Ihr eigentlich bei der Initiative?
Das wechselt immer wieder mal, aber der harte Kern besteht aus fünf bis sieben Personen. Die Unterstützung der Bürger ist aber da, merken wir. Bei einer Unterschriftenaktion haben 2022 mehr als 500 Menschen die Petition unterschrieben.
Ihr sagt, das geht jetzt seit zehn Jahren so. Habt Ihr denn das Gefühl, dass da im Moment oder in den letzten ein oder zwei Jahren akut was passiert? Es hört sich irgendwie so an, als wäre es im Moment viel Lärm um nichts.
Also akut ist es unserer Meinung nach dadurch, dass jetzt immer wieder mal gesagt wird, die Fläche wäre schon verkauft. Davon haben wir aber bisher definitiv keine Kenntnis.
Kann man das nicht irgendwo nachsehen? Da gibt es doch Register?
Keines, auf das wir in irgendeiner Form Zugriff hätten. In einem Verkaufsprozess, spätestens wenn notarielle Dinge laufen, gibt es sicher Register, wo so etwas einsehbar wäre, aber da kommen wir nicht dran. Solange so ein Verfahren noch läuft, wird es ja in den einschlägigen Gremien behandelt, aber in den nicht öffentlichen Sitzungsteilen.
Habt ihr denn einmal einen Anwalt konsultiert oder Euch anderweitig rechtlichen Rat eingeholt?
Wir haben uns juristisch beraten lassen und die ganz kurze Quintessenz war, dass es überhaupt noch nichts Juristisches zu bewerten gibt. Es gibt halt noch keine Unterlagen oder Beschlüsse. Unsere Sorge ist weiterhin, dass etwas im „stillen Kämmerlein“ erfolgt. Im Falle der Änderung des Bebauungsplans hätten wir als nicht direkte Anlieger ohnehin keinen rechtlichen Anspruch auf irgendetwas. Wir haben aber Kontakt zu einem Anlieger, der direkt dort wohnt und unser Anliegen unterstützt. Laut ihm wäre zumindest ein Gutachten zum Fledermausschutz nötig.

Es gibt weder Pläne noch einen Bebauungsplan
Also ist alles zwar langwierig, aber bisher dennoch nur Buschfunk, und ihr könnt Euch nur bestmöglich vorbereiten?
Genau, wir haben jetzt keine Befürchtungen, dass da dieses oder nächstes Jahr Baubeginn ist. Aber was wir einfach gerade im Moment und in den letzten Jahren tun, ist, diesem Narrativ der Alternativlosigkeit und dem Gerücht, es ginge morgen los, etwas entgegenzusetzen.
Ich verstehe das Dilemma absolut, sehe aber auch die Chance, wenn alles noch so am Anfang steht, den Planungsweg gemeinsam zu bestreiten.
Leider ist das ein Thema, bei dem wirkliche Gespräche unserer Erfahrung nach nicht möglich sind. Wir haben zweimal mit Vorständen von Westfalia gesprochen. Allerdings waren das eher Vorträge darüber, weshalb es nicht anders geht als eben auf dem Acker. Unsere Positionen wurden nicht einmal richtig angehört. Wir mussten uns massive Vorwürfe gefallen lassen, wir wären Verschwörer oder fremdgesteuert. Vor allem aber wirft man uns vor, Verhinderer zu sein.
Die Fronten scheinen also etwas verhärtet?
Ja, dabei ist der Kern dessen, was wir tun, etwas, was in diesem Gespräch kaum angesprochen wurde. Am Ende geht es ja darum, dass wir wollen, dass da nördlich der Nordmark nichts bebaut wird, inklusive Erschließung. Warum wollen wir das nicht? Weil wir diese Natur- und Erholungsfläche bewahren wollen. Es sind also ökologische Motive, die wir haben. Denn die Natur kann leider nicht klagen.
Gibt es denn ein Szenario, in dem MIT Euch zusammen auf diesem Acker etwas entstehen könnte?
Wenn am Ende des Tages tatsächlich wir und andere davon überzeugt sind: Leute, das muss gebaut werden, und es geht tatsächlich nur da, dann sind wir die Letzten, die das nicht akzeptieren würden. Ich sehe aber nicht, dass Alternativen und andere Szenarien ernsthaft gewürdigt werden.
Wenn ihr in fünf kurzen Sätzen zusammenfassen müsstet, worum es Euch genau geht oder was Euch helfen würde, was wären Eure Punkte?
Wir wollen mit den verschiedenen Gesprächsführenden Kontakt haben. Wir möchten mit ihnen in Verbindung treten, unsere Vorschläge unterbreiten und in der Diskussion zu einem Ergebnis kommen. Einem Ergebnis, das sinnvoll und zielführend ist. Vielleicht sogar eines, welches diese Alternativlosigkeit infrage stellt.
Also seid ihr nicht auf der Suche nach Eskalation, sondern nach Diplomatie. Ich wünsche Euch, dass alle zueinanderfinden, und bedanke mich für das Gespräch.
Die Bürgerinitiative „Die Nordmark schützen“ gründete sich 2021 und besteht im Kern aus etwa 6 ehrenamtlichen Kinderhauser*innen. Sie setzt sich gegen eine Bebauung nördlich der Nordmark ein, da sie seither die Besiedlungsgrenze im Norden von Kinderhaus ist. Ebenfalls möchte sie die ökologischen Belange und die wichtige Naherholungsfunktion des Gebietes angemessen gewürdigt wissen.
Illustration Thorsten Kambach / Fotos shutterstock


