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2022-11-07 Stadtgeflüster Illustration Ekki kurz.tif

Peter Sauer spricht mit Michael Beckmann über Rückkehrer, Respekt und die 80er

DIE RAINBIRDS-GESCHICHTE IST (NOCH) NICHT AUSERZÄHLT

„I sneak around the corner with a blueprint of my lover“. Der ikonische 80er-Jahre-Song „Blueprint“ ist ein Evergreen. Jetzt kann man ihn wieder live hören. Die Rainbirds treten wieder auf – mit Originalmitgliedern wie Michael Beckmann. Redakteur Peter Sauer hat sich mit dem Bassisten und Komponisten unterhalten, der auch für erfolgreiche Filmscores wie „Fack ju Göhte“ und „Türkisch für Anfänger“ verantwortlich zeichnet und zuletzt auch bei den Fehlfarben live den Bass zupfte.

Hallo Michael. Wobei störe ich dich gerade?


Ich sitze in meinem Studio und mache noch schnell Filmmusik für die ARD-Streaming-Dokuserie „Wie die Liebe geht“, die in der Mediathek einen ausführlichen Relaunch bekommt. Über neun Jahre wurden vier Paare beobachtet. Und ich bereite mich auf eine Reihe von Konzerten mit Katharina Franck vor, bei denen ich Überraschungsgast bin.


Katharina Franck?! Da bin ich sofort in die Achtzigerjahre zurückgebeamt – zu eurer Band Rainbirds. Am 15. Dezember 2025 eröffnet ihr im Düsseldorfer zakk die Tour „Vierzig Jahre Rainbirds“. Was steckt dahinter?


Wir werden in erweiterter Originalbesetzung auftreten plus zusätzlicher Gäste. Unser Ziel ist es, die besten Rainbirds aller Zeiten zu sein und mit den Menschen, die uns seit 40 Jahren lieben oder uns endlich mal entdecken wollen, zu feiern. 


Was werdet ihr im zakk spielen?


Wir spielen am 15. Dezember das komplette „Call me easy“-Album. Und als Zugabe „Blueprint“ und das Beste des ersten Albums. Wir planen für Mai bis August 2026 weitere Konzerte, gerne auch in Münster, wo wir ja Ende der 80er schon im Jovel und in der Halle Münsterland tolle Auftritte hatten. Also: Münsteraner Veranstalter, meldet euch bitte! (Beckmann schmunzelt)


Bist du schon aufgeregt?


Jeder von uns muss seine Parts neu erlernen. Ich probe zu Hause das Bassspiel der ersten beiden Alben. Die ersten zwei Wochen habe ich gebraucht, um sauber wieder auf unser Rainbirds-Level von 1989 zu kommen. Mittels KI habe ich meine Bass-Spuren aus den Songs rausgezogen und neu dazu gespielt. Wenn man sich nach 36 Jahren wieder auf so eine Reise begibt, ist das für alle „Regenvögel“ aufregend und neu.


Das glaube ich sofort. Wie kamst du damals zu den Rainbirds? 


Katharina Franck hatte zum Vorspielen eingeladen. Ein mit mir befreundeter Musiker wusste davon und überzeugte mich zum Vorspielen zu gehen. Und es passte! Ich habe für die Rainbirds mein Studium abgebrochen. 


1987 unterschrieben die Rainbirds einen Plattenvertrag bei Mercury Records/ Phonogramm …


Genau seit diesem Datum bin ich Berufsmusiker. Bei den Rainbirds war ich von Januar 1986 bis zum Juli 1989.


Das war eine tolle Zeit, oder?


Ja sicher. Das hat mein ganzes Leben geprägt, war lange Zeit ein Türöffner, aber diese dreieinhalb Jahre hatten es auch in sich. 


Inwiefern?


Wir haben über 150 Konzerte, 20 Open-Airs und 60 TV-Auftritte absolviert, sind an die 100.000 Kilometer geflogen, haben zwei Alben komponiert und eingespielt, und viele Preise, wie den Deutschen Schallplattenpreis Berolina, den Vorläufer vom Echo, gewonnen. Bei allem stand stets die Musik im Vordergrund. Wir teilten uns die Bühnen mit Grönemeyer, den Ärzten, Westernhagen, Reiser, Lindenberg, aber auch mit den Red Hot Chili Peppers, Fleetwood Mac, Joe Cocker, Toto und den Ramones. Die Rainbirds-Zeit in den 80ern hat mich dazu gebracht, das Leben heute gelassener zu sehen.


Das heißt?


Wenn mal etwas in meinem Leben nicht klappt, dann sage ich mir, entspann dich, du musst dir nichts mehr beweisen.


Und mit den Rainbirds ging es damals auch in deine Heimat, das Sauerland?


Ja, die dritte Rainbirds-Tour begann in meinem Heimatdorf Heggen. Es war mein Wunsch, und wir hatten die tolle Möglichkeit, unter großartigen Bedingungen zwei Tage in der Schützenhalle zu proben und das erste Konzert der Tour zu geben.


Klasse. Wie entstand eigentlich der Mega-Hit „Blueprint“?


Die Musik kam von Katharina Franck, mir und Wolfgang Glum, der Text von Katharina. Ich bin sehr stolz darauf. „Blueprint“ lief Ende der 80er Jahre bis zu 20.000-mal im Jahr im Radio, dann kam die Wende und der Song und die beiden Alben wurden nochmal von den neuen Bundesbürgern gekauft. Heute hat „Blueprint“ achtstellige Streamingzahlen bei Spotify und Co. Der Song wirkt generationsübergreifend.


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Handgespielte Musik und gute Songs sind zeitlos

Absolut, aber warum bist du dann ausgestiegen?


Frage ich mich heute auch. Ach, weißt du, Peter, ich war komplett überfordert.


Wie kam das?


Wir haben drei Jahre ununterbrochen Songs geschrieben, Alben aufgenommen und in Kanada, Spanien, England, Frankreich, Skandinavien, Holland, Dänemark getourt. Das war zu viel in so kurzer Zeit. Das zweite Album „Call Me Easy“ mussten wir, während wir mit dem ersten weltweit auf Tour waren, unter großem Druck schreiben.  Als wir Anfang 1989 endlich im Studio waren, um es aufzunehmen, kam ein Anruf von der US-Plattenfirma.


Was wollten sie?


Weil unser Song „Boy on the Beach“ in den College Radio Charts war gab es die Order: „Ihr müsst sofort in den USA touren!“ So ging das die ganze Zeit. Peter, wir haben uns im Sommer 1989 getrennt und 2023 wieder vertragen.

 

„Blueprint“ lief auch im ARD-Zweiteiler „Gladbeck“ …


Ja, das hat mich voll erstaunt. Da lief bei der echten Geiselname während der Taxi-Fahrt wirklich „Blueprint“ – und im Film dann auch. Das war Zeitgeschichte!


Was war dein schönstes Rainbirds-Erlebnis?             

                                                                                      

Mit den Rainbirds am 16. Juni 1988 vor 120.000 jungen DDR-Bürgern auf der Trabrennbahn in Weißensee/Ost-Berlin zu spielen. 


Und in Berlin selbst?


Ich war zum Mauerfall am 9. November 1989 in der Kneipe „Sexton“, mit Bela B. und Musikern von Faith No More. Ich stand um kurz nach drei Uhr nachts auf der Mauer. Toll war auch die Berlinale-Premiere von Wim Wenders’ Film „Pina“, an dem ich kreativ mitgearbeitet hatte. Ich saß eine Reihe vor der Kanzlerin und dem Bundespräsidenten – beide mit 3D-Brillen.


Was war dein schönstes Erlebnis als Filmmusiker?              

                                                                    

Mit der Musik zur „Fack ju Göhte“-Reihe habe ich den Score für Filme gemacht, die jeder kennt. Und für Wenders die Musik für „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ neu komponiert und produziert. Von Wim erhielt ich auch einen Spezialauftrag.


Das hört sich spannend an …               

                                                                                                             

Wim bat mich, Patti Smith bei einem Geheimauftritt in Berlin als Tourleiter zu begleiten. Der Höhepunkt war, dass ich Patti Smith und ihre Musiker in meinem Auto durch Berlin kutschierte und ihnen die heimlichen und unheimlichen Attraktionen dieser wunderbaren Stadt gezeigt habe. 


Hast du die ganzen Jahre noch geglaubt, dass ihr als Rainbirds nochmal touren werdet?


Das habe ich lange Zeit nicht geglaubt. Alle Jahre wieder habe ich Katharina darauf angesprochen. Für mich war die Geschichte der Band 1989 nicht abgeschlossen, die Rainbirds-Geschichte nicht auserzählt. Vor zwei Jahren haben wir uns privat ausgesprochen.


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Konzert vor 120.000 jungen DDR-Bürgern auf der Trabrennbahn in Weißensee/Ost-Berlin

Wie relevant ist die Musik der Rainbirds 2025?          

                                                                                       

Handgespielte Musik und gute Songs sind zeitlos. Die Stücke sind gut gealtert, da wir keinen typischen 80er Sound hatten. Heute, wo vieles auseinanderbricht, wo sich die Menschen bis rein in die Familie wegen allem an die Köppe kriegen, etwa bei sinnlosen „Meinungskriegen“ auf Social Media, finden wir es ein tolles Zeichen, dass wir als Rainbirds nach 36 Jahren wieder zusammenfinden und daran arbeiten, die Band-Story nochmal mit den Fans zu feiern. 


Gewissermaßen eine Blaupause (Blueprint), oder?             

                                                         

Absolut richtig, Peter. Wenn wir wieder zusammenkommen können, können das andere auch. Die Unterschiede zwischen uns Musikern und Musikerinnen bleiben ja bestehen. Auf einer respektvollen Ebene. Ich hoffe, dass sich andere Leute ein Beispiel daran nehmen, dass man Respekt vor anderen Meinungen hat, und trotzdem zusammen etwas unternimmt.


Wird es neue Rainbirds-Songs geben?                     

                                                                                  

Anfang Oktober gibt es eine erweiterte Wiederveröffentlichung des Call Me Easy-Albums und eine unveröffentlichte 12-minütige Live-Single von „Sea of Time“ vom Mai 1989, abgemischt von Grammy-Gewinner Hans-Martin Buff, 2026 eine Sammler-Tour-Box.


Gibt es neben der Musik noch ein weiteres Lieblingsprojekt von dir?      

                                                                                                                                

Gemeinsam mit einer Gruppe von sehr motivierten Menschen wollen wir einen Altersruhesitz für Musiker und Musikerinnen aufbauen. Zunächst in Berlin, dann bundesweit. Du glaubst gar nicht, wie groß das Problem der Altersarmut und der Einsamkeit im Alter bei Musikern ist.  


Chapeau – ein klasse Projekt!  Und wo hast du diesen Sommer Energie aufgetankt?


Ich habe zu Hause mit meiner Partnerin einen Bauerngarten angelegt. Gemeinsam mit meiner 87-jährigen Mutter und meinen Töchtern waren wir in Südtirol im Drei-Generationen-Urlaub. Da konnte ich wunderbar auftanken.


Michael Beckmann

Michael Beckmann wurde am 20. Juli 1961 geboren, wo sich Biggetalsperre und Krombacher kreuzen: in Finnentrop-Heggen. Der Musiker (Rainbirds, Suurbiers, Depp Jones) ist erfolgreich als Filmkomponist und Podcaster tätig und macht auch Chill-Out-Musik.

www.becktone.com/beckground

lllustration Thorsten Kambach / Fotos Stephan Günther

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