
Marc Lorenz spricht mit Stephan Günther über seine Karriere
EIN PAAR JÄHRCHEN BIN ICH SCHON UNTERWEGS
36 Jahre ist er jung und in Münster schon fast so etwas wie ein Fußballheld. Marc Lorenz heißt er, ist Mittelstürmer beim glorreichen SC Preußen Münster und wird von den Fans meist nur „Lore“ genannt. Mit den Preußen hat er in den vergangenen Jahren den Durchmarsch von der Regionalliga in die 2. Bundesliga geschafft. Die letzten zwei Jahre sind aber nur ein verhältnismäßig kleiner Ausschnitt aus der Laufbahn. Was passierte vorher? Warum hatte er schon mal mit der Polizei zu tun? Über all diese Dinge sprachen wir mit Marc im ausführlichen Interview.
Du bist ja fußballerisch schon ein wenig herumgekommen, könnte man sagen. Wo hat das alles angefangen?
Ein paar Jährchen bin ich schon „unterwegs“, das stimmt. Die ersten Schritte waren wohl beim BSV Roxel, von dort aus bin ich über Gievenbeck zu Preußen gekommen. Da ging es dann so richtig los.
Du bist sogar direkt zu Schalke gewechselt, oder?
Richtig, das war in meinem zweiten A-Jugend-Jahr, das erste spielte ich bei Preußen. Bei Schalke habe ich dann insgesamt drei Jahre gespielt, auch in der zweiten Mannschaft. Immer oben mittrainiert und auch mal im Kader gewesen. Für ganz oben oder den Durchbruch, hat es da aber noch nicht gereicht.
Bei der Ersten von Schalke im Kader, echt?
Ja, zweimal in der Bundesliga und einmal im DFB-Pokal.
Auch mal kurz gespielt?
Leider nicht. (Lacht)
Und dann rief die Heimat wieder?
Genau, unter Roger Schmidt bin ich dann wieder zum SCP gekommen.
Wie war das?
Zuerst lief es nicht so gut, dann kam Marc Fascher, mit dem wir dann in die 3. Liga aufgestiegen sind. Ich bin mit dem Aufstieg aber für ein Jahr zu den Sportfreunden Lotte gewechselt.
Wieso das?
Ich hatte in dieser Zeit ein sehr, sehr gutes Verhältnis zu Marc. Er hat mir geraten, mich trotz des Aufstiegs sportlich zu verändern. Dies aber nicht als Rückschritt zu sehen, in der 4. Liga zu spielen. Ich sollte einfach diesen Schritt zurückgehen, um dann richtig durchzustarten. Das war wirklich die beste Entscheidung damals.

Ich kam als Bielefeld gerade abgestiegen war.
Danach folgte ja ein recht – nennen wir es aus Fan-Sicht – heikles Kapitel …
(Lacht) Ja, ich habe das Jahr in Lotte voll ausgenutzt als Sprungbrett: häufig gespielt, viele Tore und Assists. In dieser Phase kam dann der Kontakt zu Arminia Bielefeld zustande und ich habe dort dann auch unterschrieben und drei Jahre gespielt.
Zwar Bielefeld, aber immerhin dann 2. Liga …
Ich kam, als Bielefeld gerade abgestiegen war. Aber es gab den direkten Wiederaufstieg und in dieser Zeit konnte ich dann auch meine ersten Zweitliga-Einsätze sammeln, 25 müssten es gewesen sein. Bielefeld ist dann aber im Jahr darauf auch wieder abgestiegen und mein Weg führte dann nach Wiesbaden …
Ich muss es einfach fragen, wie ging das mit den Fans und dem Bielefeld-Hintergrund?
Da war ich ja nicht der Erste, der von einem Rivalen irgendwann nach Münster wechselte. (Lacht) Aber im Ernst, ich glaube, damit muss man leben, auf beiden Seiten. In Bielefeld wusste man ja, woher ich komme, und bis auf einige dumme Sprüche gab es da nichts.
Frotzeleien gehören ja auch dazu!
Genau. Vor allem, wenn es um die Spiele geht, da merken die Fans schnell, ob man sich mit dem Verein identifiziert und für das Team zerreißt. Mit Leistung kann man da die meisten Wogen glätten.
Inwiefern sind diese Rivalitäten eigentlich präsent bei euch Spielern? Nimmt man sich da etwas von an?
Klar weiß man, dass Spiele wie Preußen gegen Bielefeld, Essen oder Osnabrück etwas Besonderes sind. Wechsel zwischen diesen Vereinen sind zwar selten, aber es gibt sie. Es ist halt, das betone ich gern, unser Beruf. Auch wenn ich mit dem anderen Verein nicht ganz grün bin, aber dort eine wirkliche Weiterentwicklungschance sehe, warum nicht?
Für die Preußen und dich hat es sich ja im Rückblick dann als Glücksfall herausgestellt.
Ja, auf jeden Fall, hundertprozentig! Mit dem SCP ging’s dann ja richtig los.
Das ist allerdings wahr, Aufstieg in Liga 3 und dann der unfassbare Durchmarsch in die 2. Bundesliga. Wie waren die letzten beiden Spielzeiten aus deiner Perspektive?
Erst mal muss man ganz ehrlich sein, dass der Aufstieg in Liga 3 ja fest eingeplant oder besser gesagt vorgenommen war. Bei dieser Kaderstärke und Kaderbreite wäre alles andere eine Enttäuschung gewesen, als aus der Regionalliga herauszukommen.
Ja, nachdem es in der Vorsaison schon so richtig knapp war. Wie bekommt man das hin, direkt noch einen nachzulegen?
In Liga 3 hat man ja gesehen, dass es ein wenig Anlaufzeit braucht. Aber man hat auch gesehen, was in dieser Liga möglich ist, wenn man eine wirkliche Mannschaft hat, die auf dem Platz eine Sprache spricht, eine Einheit ist.
Das hat man so auch länger nicht gesehen im Preußenstadion …
Ja. Und Hut ab, dass wir nach so einer Hinrunde, wo wir sicher auf Platz 12 standen, noch so eine Rückrunde gespielt haben.
Wann war euch klar, in welche Richtung das jetzt geht?
Es hätte nach ein bis zwei Spielen ja auch durchaus wieder in die andere Richtung gehen können. Irgendwann nahm es seinen Lauf und es entwickelte sich eine eigene Dynamik. Man hat gemerkt, was hier in den letzten fünf, sechs Jahren entstanden ist, wie sich alles entwickelt hat. Einfach dieses „Alle zusammen für Preußen Münster“.

Es gab Zeiten da kamen nur 3000 Zuschauer.
Das war Wahnsinn …
Ich kenne die Zeiten ja auch noch, zu denen in der 3. oder 4. Liga immer nur um die 3000 bis 4000 Zuschauer im Schnitt kamen. Jetzt hatten wir schon in der Regionalliga mehrmals ausverkauftes Haus und selbst im Februar bei 3 Grad sind auf einmal 10000 Zuschauer da. Was hier in Münster passierte, hatte ich damals auch schon beim Karlsruher SC mitbekommen, und es war mein Ziel, einen Teil dazu beizutragen, dass sich auch sportlich alles in die richtigen Bahnen bewegt.
Schön, jetzt zu wissen, dass es geklappt hat. Ich hatte in den Aufstiegsjahren erstmals seit ganz vielen Jahren wieder das Gefühl, dass so eine angenehm euphorische Preußenwolke über der Stadt schwebte. Besonders über Fans und Team/Verein. Habt ihr das auch so wahrgenommen?
Ja, schon. Ich weiß auch nicht, ob da irgendwer, vielleicht erste Schritte aufeinander zugegangen ist. Man kann es vielleicht auch nicht erklären. Ich finde es halt wirklich schön, was sich daraus entwickelt hat und wie es gerade ist.
Gibt es denn einen Moment oder eine Situation, in der du realisiert hast, dass die Reise in die 2. Liga geht?
Das war eher eine Kombination aus mehreren Momenten. Nach dem Rückspiel in Lübeck zum Beispiel, als wir recht sicher wussten, dass wir mit dem Abstieg nichts mehr zu tun haben werden. Du hast die 38 oder 40 Punkte, und die werden am Ende reichen. Warum schaut man da nicht mal, was noch so drin ist, welche Ziele noch erreichbar sind. So hat man völlig ohne Druck losgespielt.
Also eher ein Prozess?
Auch, aber DAS Knackpunktspiel war bei Viktoria Köln. Aus einem 3:1 Rückstand noch einen 5:3 Sieg zu machen? Was soll dir da noch passieren, wer soll dich noch aufhalten? Gegen Verl gab’s den ersten Dämpfer, als wir erstmals direkt hätten aufsteigen können. Da hatten wir was zu verlieren, das hat man gemerkt und dieses Losgelöste war kurz verschwunden. Im letzten Spiel gegen Unterhaching haben wir es wiedergefunden.
Wie fühlst du dich seit der Zeit nach dem Aufstieg? Dein Vertrag ist noch einmal um ein Jahr verlängert worden, du verbringst mehr Zeit auf der Ersatzbank …
Ich fühle mich topfit, klar, auch wenn ich schon 36 bin. Ich sehe mich noch nicht am Ende. (Lacht) Ich will so lange spielen, wie es geht, am liebsten auch nächstes Jahr noch hier.
Ein Statement! Ist da etwa schon was in Planung?
Nein, nein! Vielleicht wird man irgendwann mal ein Fazit ziehen und schauen, in welche Richtung es geht. Aktuell glaube ich aber fest, dass ich den Fitnesslevel noch mitbringe. Wie sich der Verein aber in Zukunft sportlich ausrichtet oder dieses Thema bewertet, weiß ich natürlich nicht.
Hast du Pläne für die Zeit nach der aktiven Karriere? Hast du eigentlich studiert oder eine Ausbildung
gemacht, bevor es beruflich mit Fußball losging?
Zur Bielefeld-Zeit damals war ich so ein wenig am Scheideweg. Ich wusste nicht so recht, ob’s mit dem Fußball weitergeht. Ich war dort etwas außen vor am Anfang und fühlte mich nicht ganz wohl. Da habe ich mich bei der Polizei beworben und hätte dort auch anfangen können.
Wie du dich entschieden hast, ist ja schon bekannt.
Ja, dann kam der Aufstieg in die 2. Liga, da lief dann alles ein wenig in die andere Richtung und ich habe eine Chance gewittert. Aber natürlich beschäftigt man sich mit der Frage, wie es weitergeht, wenn man älter wird. Ich würde am liebsten im Fußball bleiben, vielleicht sogar hier im Verein. Ich könnte mir viele Positionen vorstellen, um die Mannschaft herum.
Wir hoffen, dass du den SCP noch viele Jahre unterstützt!
Realistisch sage ich, habe ich vielleicht noch zwei bis drei Jahre, wenn es gut läuft. Mein Ziel ist, die 40 vollzumachen.
Ich drücke dir alle Daumen, Marc! Einfach beim Eröffnungsspiel im „neuen“ Stadion ein letztes Mal als Kapitän auflaufen!
Das wäre natürlich ein Traum! (Lacht)
Vielen lieben Dank für das schöne Gespräch, lieber Marc!
Marc Lorenz
Er wurde im Juli 1988 in Münster geboren und begann seine Fußballlaufbahn beim BSV Roxel. Aktuell ist er Mittelfeldspieler beim SC Preußen Münster, wo er bereits von 2009 bis 2011 spielte. Er lebt mit seiner Frau und Tochter in Münster.
Illustration Thorsten Kambach / Fotos Stephan Günther