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2022-11-07 Stadtgeflüster Illustration Ekki kurz.tif

Tom Feuerstacke und Kieran Schulze-Marmeling besprechen den Reiz des fußballerischen Nachwuchses

TRÄUME, TALENTE UND TRAININGSPLÄTZE

Er ist das Gesicht der U23 von Preußen Münster – und einer, der lieber über Inhalte als über Hierarchien spricht. Kieran Schulze-Marmeling hat beim SCP viel aufgebaut und sieht sich aktuell mitten in einem persönlichen Traum: neue Büros, neues Stadion, neue Perspektiven. Ganz nebenbei hat er unsere Preußen als Trainer nach einer schweren Saison in den letzten drei Spielen in der 2. Bundesliga gehalten. Am Ende ist er der Coach, der er ist. Den manchmal ein Blick auf den Trainingsplatz fast zu Tränen rührt.

Kieran, was ist die Aufgabe eines U23-Trainers in einem Profiklub?


Ich glaube nicht, dass sich das so vehement von anderen Trainerjobs unterscheidet. Am Ende hat man dieselben Themen wie in jeder Mannschaft: Teamführung, Training, Spielvorbereitung, Nachbereitung und Analyse. Aber der Schwerpunkt liegt noch mehr auf der individuellen Betreuung im Vergleich zu anderen Teams.


Das heißt, es geht nicht nur um die Ausbildung, sondern auch um den sportlichen Erfolg?


Absolut! Natürlich wollen wir Spiele gewinnen. Das gehört zur Ausbildung dazu. Die Spieler sollen lernen, sich auf Spiele so vorzubereiten, dass sie ihre Chancen maximieren – sowohl individuell als auch als Mannschaft. Ich würde nicht viel anders machen, wenn ich eine normale Herrenmannschaft trainieren würde. Trotzdem gibt es im Alltag immer wieder Entscheidungen, die eher der Ausbildung zuträglich sind.


Gibt es Vorgaben vom Verein, dass der Fokus auf der Entwicklung von Talenten liegen muss? Oder habt ihr da freie Hand?


Wir bekommen keine direkten Vorgaben. Der Übergangsbereich wurde von Sören Weinfurtner und mir in den vergangenen Jahren relativ frei gestaltet. Jetzt ist Janis Hohenhövel dabei, was fantastisch ist und uns noch einmal enorm weiterbringt. In Absprache mit Ole Kittner stehen wir in engem Austausch. Es funktioniert reibungslos, weil wir ein kleines Team sind, das sich lange kennt. Der Verein vertraut darauf, dass ich im Sinne der Ausbildung handele.


Aber es gibt eine enge Abstimmung mit der ersten Mannschaft?


Der Austausch ist sehr eng, mir wird dort großes Vertrauen entgegengebracht. Wenn ich nach Absprache mit Janis und Sören das Gefühl habe, dass jemand so weit ist, sich im Training zu zeigen, dann gibt es da Offenheit. Grundsätzlich sind wir als Verein überzeugt, dass der Weg über die zweite Mannschaft führt. Beispiele wie Remberg, Frenkert oder Ter-Horst zeigen das. Unsere Aufgabe in der U23 ist, so professionell zu arbeiten, dass den Spielern die Anpassung an das Profiteam auf den Ebenen Trainingsquantität, sowie inhaltlicher Vor- und Nachbereitung nicht schwerfällt.


Und trotzdem reicht das nicht für jeden Spieler?


Was wir in der U23 nicht bieten können, sind 10.000 Zuschauer. Da trennt sich dann die Spreu vom Weizen. Deshalb setzen wir vermehrt auf Leihen, wie bei Lukas, Leon, Jakob oder Marvin. Das kann ein wichtiger Zwischenschritt sein, besonders jetzt, wo die erste Mannschaft in der 2. Liga spielt.


Also gibt es keinen festen Plan, sondern individuelle Lösungen?


Talententwicklung ist immer individuell. Manche Spieler benötigen die zweite Mannschaft. Andere benötigen eine Leihe. Jano zum Beispiel brauchte das nicht, bei Leon haben wir das perfekte Timing für den nächsten Schritt gesehen. Ich habe über die Jahre gelernt, wie wichtig es ist, den Spielern klar aufzuzeigen, was noch fehlt, um den Sprung zu schaffen. Ihnen das dafür jeweils richtige Angebot zu schaffen. Am Ende ist jeder Fall anders, aber Timing spielt immer eine wichtige Rolle.


Du bist schon lange bei Preußen – was hält dich hier, obwohl du sicher andere Angebote hättest? Was ist für dich das Besondere an deinem Job hier bei Preußen? 


Da gibt es viele Gründe. Erst einmal: Ich komme aus Altenberge, bin mit Preußen Münster vor der Haustür aufgewachsen. Das war immer der Profiverein in der Region, ich war mit meinem Vater oft im Stadion – das war schon als Kind eine Faszination. Ich habe selbst in der Jugend hier gespielt. Seit 2018 bin ich hier hauptamtlicher Trainer, aber eigentlich bin ich seit 2014 wieder bei Preußen – also mittlerweile im elften Jahr. Der Verein ist für mich wie Familie. Ich lebe gern in Münster, Freunde und Familie sind hier, und ich komme jeden Tag zur Arbeit und treffe Leute, die ich mag. Das ist schon ein echtes Privileg.


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Ich komme aus Altenberge und bin und bin mit Preußen aufgewachsen

Aber du hättest längst höherklassig Trainer sein können – warum bleibst du bei der U23? 


Weil es sportlich auch vollkommen reizvoll ist. Ich bin Cheftrainer in der Oberliga und gleichzeitig Co-Trainer in der 2. Liga. Das ist eine super Kombination für meine eigene Entwicklung. Ich habe einerseits die Verantwortung für ein eigenes Team, andererseits arbeite ich mit gestandenen Profis. Dazu kommt: Ich habe fast jedes Jahr eine komplett neue Mannschaft. Vergangenes Jahr hatten wir 19 neue Spieler – alle junge Kerle. Daraus in kurzer Zeit ein wettbewerbsfähiges Oberliga-Team zu formen, ist eine riesige Herausforderung. Ich mag das Alter dieser Spieler. Sie sind alt genug, dass man sie ernst nehmen kann, aber noch jung genug, dass sie Entwicklung benötigen. Ich begleite sie auch in gewisser Hinsicht auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Ich selbst bin damals an dieser Schwelle gescheitert. Ich war dritter Torwart bei den Profis, habe bei der U23 gespielt – ich weiß, wie schwer dieser Schritt ist. Deshalb finde ich diese Phase so spannend und glaube, ich kann da einiges mitgeben.


Wie viele Spieler aus der U19 schaffen denn bei euch den Übergang in den Seniorenbereich? Gibt’s da eine Art Quote?


Also, das ist schon viel. Dieses Jahr haben wir zehn Jungs aus der U19 übernommen, ich glaube, jetzt werden es wieder so sechs, sieben sein. Die Durchlässigkeit ist bei uns auf jeden Fall noch hoch – gerade im Vergleich zu anderen U23-Mannschaften. Natürlich spitzt sich das nach oben hin immer mehr zu: In der Jugend spielst du meistens nur mit deinem Jahrgang, in der U23 dann schon mit drei, vier Jahrgängen zusammen. Und da setzen sich am Ende eben die durch, die konstant liefern.


Wie viele von denen schaffen es denn dann wirklich in den überregionalen Profibereich, also 3. Liga oder höher?


Das ist vollkommen unterschiedlich. In unserem Aufstiegsjahr damals sind einige in der Regionalliga gelandet. Vergangenes Jahr war das schon wieder anders – da waren es weniger. Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man den Spielern früh klarmacht: Nur weil du A-Jugend-Bundesliga spielst, heißt das noch lange nicht, dass du Profi wirst. Ich will das gar nicht schlechtreden, das ist eine starke Leistung. Aber am Ende schaffen es vielleicht drei bis sieben Prozent in die ersten drei Ligen. 


Was ist dir als Trainer emotional näher: Wenn der VfL Bochum mit seiner U23 hier aufläuft – oder ein Derby gegen Gievenbeck?


Ganz ehrlich? Derbysieg in Gievenbeck! (lacht) Klar, sportlich ist Bochum ein anderer Maßstab, die sind strukturell natürlich weiter. Aber so ein Derby macht einfach was mit dir. Ich wohne hier, ich treffe die Leute aus Gievenbeck in der Stadt – da bekommst du sofort einen Spruch, wenn du verlierst. Für unsere Spieler ist das auch ein Riesenthema, das sie die ganze Woche beschäftigt. Ich finde das super, gerade für die Führungsspieler, die meine Idee von Mentalität und Arbeitskultur mittragen sollen. Die brennen da richtig – und dann merkt’s auch der Rest der Mannschaft.


Spürst du selbst auch noch diesen Derby-Puls? Oder ist das als Trainer anders?


Doch, den habe ich schon! Klar, in der Woche bist du viel mit dem Inhalt beschäftigt: Gegneranalyse, Training, Videos. Da ist wenig Raum für Emotion. Aber am Spieltag selbst – da ist das was ganz anderes. Da ist man dann voll drin, auch mit Herz. Und das macht den Reiz ja aus. Ich habe alles hier mitgemacht – vom Chefscout bis jetzt zum Trainer – und trotzdem ist ein Spiel gegen Gievenbeck noch einmal besonders. Das zeigt dir auch, was Amateurfußball in Münster für eine Bedeutung hat.

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Für die Spieler ist das auch ein Riesenthema

Würdest du sagen, die Leute nehmen eure Arbeit trotzdem stärker wahr als früher?


Ja, auf jeden Fall. Und das geht über die U23 hinaus – die gesamte Jugendarbeit wird deutlich stärker anerkannt. Extern wie intern. Peter Niemeyer hat damals gesagt: „Wir benötigen mehr Kraft, mehr Stunden, mehr Hauptamtlichkeit für den Bereich.“ Das hat der ganzen Nummer abermals Gewicht gegeben. Wir haben jetzt so viel Kompetenz in der Jugend, mit Leuten wie Janis Hohenhövel, meinen Co-Trainern Daniel Feldkamp und Yannick Bauer und so vielen mehr. Wenn du dann noch jemanden wie Sören Weinfurtner in den Gremien hast – der lebt das einfach komplett – dann bekommt das noch einmal eine ganz andere Wertigkeit. In puncto Qualität und Identifikation benötigen wir uns vor, keinem Verein zu verstecken.


Ändert sich für dich als U23-Trainer was jetzt, wo Preußen Nachwuchsleistungszentrum wird?


Ein wenig, ja. Allein schon wegen der Regularien: Du darfst zum Beispiel nur drei Spieler über 23 gleichzeitig einsetzen. Das war aber offen gesagt mit dem Zweitligaaufstieg ohnehin schon Thema. Was Transfers angeht, gibt es dann Ablöseregelungen, wenn man Spieler von anderen LZs holt – aber das betrifft mich nicht direkt. Für uns geht es eher darum, wie wir als Verein mit dieser Rolle wachsen. Wenn Bochum wieder anmeldet oder Bielefeld zurückkommt – dann mit ganz anderen finanziellen Möglichkeiten. Da müssen wir sehen, wie wir unsere besten Talente halten, gleichzeitig weiterentwickeln und neue finden.


Wo willst du mit dem Verein in Zukunft hin – hast du Träume oder Ziele?


Ich bin ehrlich: Für mich erfüllt sich gerade ein Traum. Die neuen Büros kommen, das Stadion kommt – ich war dabei, als wir abgestiegen sind. Wir haben in einer kleinen Runde den Neuanfang mitgestaltet. Jetzt stehen wir auf einem neuen Trainingsplatz und ich bekomme fast Tränen in den Augen, weil ich weiß, was wir alles durchgemacht haben. Diese strukturellen Fortschritte sind für mich riesengroß. Ich finde: Wenn du als Verein auf Dauer auf einem gewissen Niveau bleiben willst, benötigst du ein strukturelles und infrastrukturelles Fundament. Ein guter Kader allein bringt dir keinen Erfolg, es braucht Dinge, die bleiben. Und deswegen wollte und will ich das hier auch miterleben – das war ein Grund, warum ich verlängert habe. Ich will sehen, wie das hier alles entsteht. Das ist mein Traum – und den lebe ich gerade.


Danke Kieran.


Danke euch.


Kieran Schulze-Marmeling

Der 1989 in Nordirland geborene Trainer von Preußens U23 und Teil des sportlichen Leitungsteams ist für die Entwicklung von Fußballern ein Fachmann.

Illustration Thorsten Kambach / Fotos firo Sportphoto & SC Preußen Münster

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