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2022-11-07 Stadtgeflüster Illustration Ekki kurz.tif

Arndt Zinkant im Gespräch mit dem Verleger Jonas Dinkhoff

DIE MAGIE DER BÜCHER

Die Verlagsbranche gerät immer mehr unter Druck – unter anderem durch steigende Papierpreise. Umso mehr Herzblut müssen jene aufbieten, die Bücher herausbringen. Wie Jonas Dinkhoff. Mit seinem „Verlag der Ideen“ war er zunächst in Münster ansässig, hat aber seit einiger Zeit ein Ladenlokal in Rheine. Ein Gespräch über Krabbeltiere, Karl May und Salman Rushdie.

Sie haben Ihren Verlag symbolisch als »Talkshow« beschrieben. Wie muss man sich das vorstellen?


Wir beschäftigen uns mit vielen verschiedenen Themen in unterschiedlichen Genres; dadurch ergibt sich eine spannende Auseinandersetzung – zu den verschiedensten Themen.


Zum Beispiel?


Wir haben eine Biografie im Programm, von einer jungen Frau, die an Psychosen leidet, und parallel dazu die Graphic Novel »Lenz«, nach dem Literaturklassiker von Georg Büchner, in der es im Prinzip auch um das Durchleben eine Psychose geht. So wird ein und dasselbe Thema aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet – ähnlich wie in einer Talkshow, in der sich die verschiedenen Gäste zum selben Thema äußern. Für den Betrachter ergibt sich dadurch ein neues Gesamtbild. Das ist die Grundidee des Verlagsprogramms. Ich achte also nicht auf Genre-Grenzen, wie sie sich in den Regalen der Buchhandlungen spiegeln. Vielmehr überlegen wir uns gemeinsam, welche Aussagen zu einem Thema wichtig sind und wie man diese am besten zum Ausdruck bringt. Dabei erheben wir natürlich nie den Anspruch, das komplette Bild in einem Buch zeigen zu können.


Daher also »Verlag der Ideen« ...


(Lacht:) Genau, das ist die Idee dahinter – die eben schwerlich in einem Satz zu beschreiben ist. Da haben es andere Verlage leichter, etwa nach dem Motto: »Ich mache nur Bücher aus dem Karl-May-Universum«.


Da haben Sie direkt ein Aufreger-Thema angesprochen: Karl May und »Winnetou« kursierten medial ja in den letzten Wochen und der Ravensburger Verlag musste die Wogen glätten. War das eine Ausnahme oder ist es für die Branche relevant?


Ich muss gestehen, dass ich das Thema nicht bis ins letzte Detail verfolgt habe. Allerdings ist klar, dass man Bücher für Menschen macht und gut beraten ist, Stimmen zuzuhören, die sich dann zu einem Thema, das man anstößt, äußern. Welche Schlüsse man dann daraus zieht, steht auf einem anderen Blatt. Ich nenne mal ein Beispiel aus unserem Programm: Wir haben auch Bücher, die russisch-orthodoxe Spiritualität zum Thema haben. Und nun eskaliert der Russland-Ukraine-Krieg, in dem die russisch-orthodoxe Kirche kein gutes Bild abgibt. Natürlich gibt es unter den Geistlichen unterschiedliche Standpunkte zum Ukrainekrieg, aber wenn von Würdenträgern Aussagen getroffen werden, die dem Kern des Verlagsprogramms widersprechen, muss ich mich damit auseinandersetzen.


Wie gehen Sie damit um?


Zunächst stellt sich natürlich reflexartig die Überlegung ein, ob man diese Bücher aus dem Sortiment nimmt. Die Gefahr der Selbstzensur ist also gegeben. Nach einiger Überlegung kam ich aber zu dem Schluss, dass es in diesen Büchern um etwas ganz anderes geht. Selbst wenn sich also die Kirche, salopp gesagt, »daneben benimmt«, so geben diese Bücher doch interessante Impulse. Etwas Ähnliches erleben wir auch in der Katholischen Kirche im Zuge der Missbrauchsvorfälle. So etwas wirft zwangsläufig die Frage auf, wie sehr der Kontext auf wertvolle Inhalte abfärbt.

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Mein Vater ist nach wie vor ein wichtiger Mentor von mir

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Was bedeutet das nun für das Winnetou-Thema?


Als Verlag muss man sich manchmal klar positionieren: Geht es darum, dass die Karl-May-Geschichten grundsätzlich nicht mehr zeitgemäß sind, oder darum, dass sie unter Umständen Themen triggern, die aktuell gesellschaftlich heiß diskutiert werden? Dann muss man sich diesem Diskurs auch stellen. Mir scheint jedoch, dass wir momentan Diskussionen in einer Gnadenlosigkeit führen, die einem offenen Diskurs im Sinne einer konstruktiven und kreativen Lösung nicht guttut. Ich hoffe, dass wir als Gesellschaft lernen, Diskussion nicht ins Absolute abgleiten zu lassen und Respekt gegenüber dem Anderen aufbringen.


Was ist das Wichtigste, wenn Ihnen ein Autor ein Thema anbietet – das Thema selbst, das Talent oder die Verkaufschancen?


Über die Verkaufschancen denke ich in der Regel gar nicht nach, was in der Tat ein bisschen dumm ist (lacht). Wäre mein Anliegen, richtig Geld zu verdienen, müsste ich ein komplett anderes Programm fahren und komplett andere Entscheidungen treffen. Streng genommen dürfte man dann überhaupt kein Verleger sein, denn mit Büchern Geld zu verdienen, ist wirklich sauschwer. Ich bin gelernter Designer und könnte in einer Agentur oder einem anderen Unternehmen bequem gutes Geld machen. Aber das ist eben nicht das, was mich erfüllt.


Und die Autoren?


Es gibt solche, die wirklich gut schreiben können, und es gibt solche, die wirklich etwas zu sagen haben. Beides zusammen kommt relativ selten vor. Da sollte man tatsächlich einen guten Verleger als Sparringspartner haben. Natürlich muss ich immer Wege finden, die guten Inhalte an die Leserschaft zu bringen – aber nicht jeder Verkaufserfolg ist ein Gradmesser für die Qualität eines Buchs. Wenn ich mir manche Spiegel-Bestseller anschaue, denke ich: Dieses Buch hätte man auch wirklich bleiben lassen können.


Und wie trennt man die Spreu vom Weizen?


Hier in Rheine habe ich nun ein kleines Ladenlokal, wo ich mit den Leuten in Kontakt komme. Eine tolle Gelegenheit, um Feedback zu erhalten. So merke ich, ob ein Titel wirklich etwas auslöst bei jemandem, der ihn in die Hand nimmt. Dann spüre ich richtig, wenn ein Buch einen echten Impuls gibt und es zu arbeiten beginnt. Dieses gewisse Etwas macht für mich ein gutes Buch aus.


Ihr Verlag wurde ursprünglich von ihrem Vater gegründet, oder?


Ja. Ich war gerade im zweiten Jahr meiner Ausbildung zum Mediengestalter bei einer Tageszeitung in Würzburg. Damals wohnte ich noch zu Hause, und eines Tages stand mein Vater in der Tür: »Hey Jonas, ich möchte einen Verlag gründen. Kannst du mir ein Logo entwerfen und die ersten Bücher layouten?« So ein Vertrauen vom Vater motiviert unglaublich – und so wurde das zu einem Vater-Sohn-Ding bis ich den Verlag dann 2018 komplett übernahm. Mein Vater ist nach wie vor ein wichtiger Mentor.

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Nur gutes Geld machen, ist nicht das was mich erfüllt

Sind Sie eigentlich schweren Herzens von Münster nach Rheine gegangen? Die meisten Leute wollen aus Münster nicht weg.


Nein, sehr frohen Herzens, weil ich damals zu meiner Freundin gezogen bin (lacht). Man muss sagen, dass Rheine eine komplett andere Klientel bietet – aber auch andere Möglichkeiten. In Münster hatte ich mein Büro quasi versteckt in einem Hinterhof, und in Rheine sitze ich nun in einem kleinen Ladenlokal direkt in der Innenstadt. Der Laden generiert zwar keine gigantischen Umsätze, ist aber wunderbar, um mit den Leuten in Kontakt zu kommen. Ein Beispiel ist das aktuelle Buch »Mist! Käfer hat Hunger«. Das stammt von einem Rheinenser, der eines Tages in meinen Laden spaziert kam.


Zu diesem Buch haben Sie ja eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Warum gerade bei diesem?


Das habe ich bei einem anderen Buch auch schon einmal gemacht: »Vin: Der friedvolle Kampffisch«. Diesen Weg möchte ich in Zukunft häufiger gehen, da er das hohe finanzielle Risiko für den Verlag etwas abmildern kann und es so möglich wird, die Qualität hoch zu halten.


Leider sind Bildbände im Druck ja teurer als Schriftbände. Dennoch haben sie viele Kinderbücher und Graphic Novels im Programm.


Das ist irgendwie der Fluch des Verlags (lacht). Bücher haben manchmal ein seltsames Eigenleben und Bildbände sind offenbar besonders eigenwillig. Die wollten einfach zu uns. Vor lauter Kämpfen und Kalkulieren scheint der Branche dieser Zauber der Bücher verloren zu gehen. Ich meine jenen Zauber, wie man ihn in »Tintenherz«, »Die Stadt der träumenden Bücher« oder einer liebevoll geführten Buchhandlung findet, wo man das Gefühl hat, dass der Buchhändler selbst Teil einer Geschichte ist. Ich möchte keinesfalls, dass mir und dem Verlag diese Magie verloren geht. Wenn dann eben besonders viele Kinderbücher oder Graphic Novels dabei sind, ist es natürlich von den Kosten her ein bisschen heikel. Aber mit ein bisschen Magie findet sich ein Weg.


Das erwähnte »Mistkäfer-Buch« fasst ja ein Thema an, das viele lieber auslassen, das aber wichtig ist: Die Käfer als »Putztruppe der Natur«.


In dem Mistkäfer-Buch geht es um die Kreisläufe des Lebens. Wir als Menschen haben durchaus ein verqueres Verhältnis zu unserem Endprodukt, auf Deutsch: zur eigenen Kacke. Man spricht nicht darüber und bedeutet den eigenen Kindern: »Igitt, nicht anfassen!« Wir verbrauchen unverhältnismäßig viel Energie und wertvolles Trinkwasser, um unseren Mist unsichtbar und fix zu entsorgen. Es gilt, den Kindern zu zeigen: Für andere Lebewesen ist das ein Rohstoff, der einen Wert hat. Gegenwärtig befinden wir uns im größten Insektensterben überhaupt; es ist wichtig, uns das immer wieder ins Bewusstsein zu rufen. Ein unterhaltsames Buch kann da ein toller Aufhänger sein, um mit den Kindern ins Gespräch zu kommen.


Letzte Frage: Haben Sie ein Lieblingsbuch Ihres Lebens?


»Harun und das Meer der Geschichten« von Salman Rushdie. Ein gesellschaftskritisches Buch, das in einer genialen Einfachheit daherkommt – und in einer poetischen Sprache, die sofort Bilder im Kopf erzeugt. Das Buch begleitet mich seit meiner Kindheit.

Jonas Dinkhoff
Er ist gelernter Designer und erledigte für den Verlag seines Vaters u. a. Layout-Arbeiten. Mittlerweile leitet er den „Verlag der Ideen“ von Rheine aus. Das vielfältige Bücherprogramm erfordert viel Kreativität – wozu auch eine Crowdfunding-Kampagne für ein pädagogisch fundiertes Kinderbuch zählen kann.

https://www.verlagderideen.de

Autor Arndt Zinkant / Illustration Thorsten Kambach / Fotos Jonas Dinkhoff

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