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2022-11-07 Stadtgeflüster Illustration Ekki kurz.tif

Emma Klattenhof im Gespräch mit Johannes Schulte-Schlichtmann und Nils Temme von den Soeckers

VON MÜNSTER BIS NACH TOKIO

In Münsters Newcomer-Szene sind die vier Jungs wohlbekannt. Johannes Schulte-Schlichtmann, Nils Temme, Lars Temme und Julian Marpert stehen regelmäßig auf der Bühne und überzeugen durch ihren rockigen, manchmal fast punkigen Sound. Über 200 Konzerte hat die Band schon deutschlandweit gespielt. In ihrer neuen EP zeigt sich die Band facettenreich. Was die Münsteraner in Zukunft geplant haben, wie sie ihre Musik verstehen und was Musik für sie bedeutet, erzählen Johannes Schulte-Schlichtmann und Nils Temme im Gespräch.

Wer sind die Soeckers?


Johannes: Wir sind eine Indie-Band aus der Nähe von Münster und leben schon seit acht Jahren hier. Uns gibt es offiziell seit 2016, aber wir machen seit 2014 zusammen Musik.

Nils: Früher konnte keiner von uns ein Instrument spielen. Das haben wir alle gemeinsam gelernt. Uns hat damals nur die Begeisterung für U2 zusammengebracht. Zuerst haben wir Cover gespielt, dann haben wir angefangen, eigene Songs zu schreiben.


Was zeichnet euch als Band aus?


Nils: In den Dörfern, aus denen wir kommen, gab es nicht viele Leute, die sich intensiv mit Musik auseinandergesetzt haben. Wir sind alle ein bisschen nerdy und lieben es, uns anzuschauen, wie zum Beispiel Rio Reiser mit seinen Texten ganze Gefühlswelten erzeugen kann.

Johannes: Ich glaube, es ist wirklich der gleiche Musikgeschmack, der uns auf eine Art zusammenhält. In einer anderen Welt wären wir nur eine Musikliebhaber-Clique geworden.


Was macht eure Musik besonders?


Johannes: Wir beschreiben unsere Musik gerne als britischen Indierock mit deutschen Texten. Als wir 2014 gestartet sind, gab es das noch nicht so viel. Andere Bands haben sich eher an den 80er Jahren orientiert, während unser Sound sich an Garage-Indie-Rock aus England und zum Teil aus den USA anlehnt.


Wieso der Name „Soeckers“?


Nils: Uns hat ein Kumpel zusammengebracht. Sein Spitzname war Söckers. Als wir angefangen haben zu studieren, war ihm das alles zu viel und er hat die Band verlassen. Dann haben wir uns nach ihm benannt.


Ihr studiert alle hier in Münster?


Johannes: Ja, genau. Nur Jules, unser Bassist, ist inzwischen fertig und ist nach Köln gezogen. Wir haben die Beziehung zu einer Fernbeziehung gemacht.


Und das klappt?


Nils: Es ist alles nicht mehr so spontan, aber das geht schon. Man muss sich besser organisieren, sich gut absprechen. Manchmal nehmen wir uns ganze Wochenenden, an denen wir gemeinsam proben und neue Songs entwickeln.


Warum seid ihr in Münster geblieben und nicht nach Hamburg oder Berlin gezogen?


Johannes: Aus pragmatischen Gründen. Es hat einfach nie funktioniert, dass wir alle gemeinsam an einem Punkt waren, an dem wir hätten umziehen können. Mit Köln und Münster klappt es halbwegs, aber viel größer dürfte die Distanz auch nicht sein.


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Wer kauft sich ein Ticket für 15 Euro?

Sind in den größeren Städten die Chancen für eine Newcomer-Band nicht größer?


Johannes: Ich weiß es nicht. In Berlin ist, glaube ich, die Amplitude größer. Vielleicht hast du nochmal die Chance, die eine Person kennenzulernen, die dir noch was bringt. Gleichzeitig kannst du dort auch einfach versanden.

Nils: In einem Song von Nina Chuba und Provinz gibt es die Zeile: „Alle anderen sind draußen unterwegs und suchen das, was wir schon sind.“ Das beschreibt es ganz gut. Wenn du Musiker bist, dann gehst du nach Berlin, weil du irgendetwas suchst. Wahrscheinlich eine Band. Das haben wir schon.


Könntet ihr euch vorstellen, hauptberuflich Musik zu machen?


Johannes: Ja, inzwischen sind wir alle weit fortgeschritten im Studium, sodass wir die Sicherheit haben, dass jeder von uns einen Abschluss hat oder kurz davor steht. Vor ein paar Jahren sah das anders aus. Jetzt könnte ich mir gut vorstellen, einfach zwei oder drei Jahre Musik zu machen und wenn ich dann merke, dass das finanziell nicht hinhaut, mache ich etwas mit meinem Abschluss. Musik machen ist für mich Spaß und Freude und da steckt natürlich auch Arbeit drinnen. Aber es ist etwas ganz anderes als das Lehrerdasein. Nicht zu vergleichen.


Ein erster Einblick in das Musikerleben war eure Tour im letzten Jahr. Wie war das für euch?


Johannes: Schon sehr verrückt. Man fragt sich: Wer kommt denn wirklich zu deiner Show? Wer kauft sich ein Ticket für 15 Euro? Da hatten wir schon ein bisschen Muffensausen. Aber wenn du dann siehst, dass sich mehr oder weniger 150 Leute auf dein Konzert verirren, ist das echt schon krass.

Nils: Wir haben lange dafür gearbeitet und uns schon oft gesagt, wie heftig es wäre, eine eigene Tour zu spielen. Dass ein Konzert von uns in großen Städten, wie Hamburg, Berlin oder Hannover so viele Leute anlockt, war eine Traumvorstellung. Diesen Traum dann in die Realität umzusetzen, war schon ein besonderes Gefühl.


Was war euer Highlight auf der Tour?


Johannes: Mein persönliches Highlight war, dass die Leute sich vorher mit unserer Musik auseinandergesetzt haben. Das heißt, wir sind nicht mehr auf einem Festival, wo die Leute sich denken: „mal gucken“, stattdessen ist das Publikum ab Song 1 mit dabei und singt die Texte mit – das ist Wahnsinn. Es kommt dann so viel zurück. Unbeschreiblich!


Ist die nächste Tour schon in Planung?


Nils: Anfang 2025 spielen wir die Bis-nach-Tokio-Tour. Das wird die Tour zu unserer EP sein, die Ende Mai erschienen ist. Da wird es für uns unter anderem nach Augsburg, Leipzig und Berlin gehen, aber das Abschlusskonzert wird hier in Münster stattfinden.


Worum geht es in eurer EP?


Johannes: Es geht viel um das Spannungsfeld zwischen Traum und Realität.

Nils: Das Paradoxe ist, dass wir uns eigentlich bei der Produktion jedes einzelnen Songs gedacht haben: „Der Weg ist das Ziel“, aber dann ist doch ein Gesamtwerk entstanden, durch das sich ein roter Faden zieht.


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Inwiefern?


Johannes: Zuerst geht es bei dem Song „Tokio“ um das Wegträumen. Dann folgt der Song „Traum ist aus“, in dem dieser Gegensatz zwischen Traum und Realität im Mittelpunkt steht. In „Wie der Schnee“ wünschen wir uns die Traumwelt zurück. Und die EP wird dann mit dem Song „Allein“ beendet.

Nils: Im Indie-Rock oder -Pop sind viele Bands momentan Sturm-und-Drang-mäßig unterwegs. Es geht viel um Empfindsamkeit und so eben auch in unserer EP. Die ist allerdings noch nicht komplett. 


Wie entstehen eure Songs in der Regel?


Johannes: Wir sind eine klassische Pitch-Band. Jemand von uns hat eine Idee und auch schon eine gewisse Vorstellung und dann spielen wir das gemeinsam. Aus dem Jam entwickelt sich das weiter. Man wächst da rein, in diese Jamsessions, aber bei uns ist es bis jetzt so, dass die erste Idee zu Beginn stehen muss und alles Weitere darauf aufbaut.

Nils: Songwriting ist bei uns sehr strukturiert. Wir tasten uns Teil für Teil heran. Es passiert auch, dass wir einen Song schreiben, indem wir einfach nur darüber nachdenken.


Welchen Song von euch würdet ihr empfehlen, um einen Eindruck von den Soeckers zu bekommen?


Johannes: „Wessumer Platz“. Das ist wahrscheinlich unser bester Song.


Was macht diesen Song besonders?


Johannes: Für uns ist das Thema Heimat generell nicht leicht. Wir kommen vom Dorf und haben immer ein schwieriges Verhältnis dazu. Einerseits willst du unbedingt weg, andererseits ist das deine Heimat und du bist da groß geworden. Also immer eine schwierige Situation. In dem Song geht es um den Dorffußball. Der Song hat irgendwie etwas ganz Romantisches, viel von unserer DNA steckt da drinnen. Er hat trotzdem auch eine traurige Note, etwas Nachdenkliches.

Nils: Das war ein Lied, mit dem wir uns als Band schlagartig weiterentwickelt haben – wie Zündholz.


Habt ihr das Gefühl, dass ein Song von der EP auch Zündholzpotential hat?


Johannes: Der Song „Traum ist aus“ vielleicht. Wir waren von Anfang an von dem Text überzeugt. Der Song thematisiert viel, mit dem wir uns auf unterschiedlichen Ebenen auseinandergesetzt haben, auch persönlich. Und gleichzeitig ist der Song musikalisch sehr rockig angehaucht, aber hat auch folkige Elemente. Wir wussten nicht richtig, ob das gut ankommt, aber uns hat der Song sehr gut gefallen.

Nils: Bei dem Song haben wir uns gefühlstechnisch aus dem Fenster gelehnt. Der ist ein bisschen ernster. Wir kommen vom Dorf und da macht man sich nicht gerne angreifbar. Der Song kommt bis jetzt sehr gut an, da hat sich das vielleicht gelohnt. 


Danke für eure Zeit und das Interview!


Die Soeckers sind eine deutsche Indie-Band, die seit 2016 in Münster lebt. Ihr Musikstil bewegt sich zwischen Rock und Pop mit deutschsprachigen Texten. 2023 hat die Band ihre erste deutschlandweite Tour gespielt. Nach zwei Alben haben die Soeckers Ende Mai die EP „Bis nach Tokio“ veröffentlicht. Im Frühjahr 2025 ist die zweite Tour der Münsteraner geplant.

www.soeckers.de

lllustration Thorsten Kambach / Foto Marco Klahold

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