Arndt Zinkant fragt Jan Oechsner nach Feminismus und Versöhnung
MÄNNER. FRAUEN. MENSCHEN
Frauen glauben, dass der Feminismus noch sehr viel zu tun hat. Alle Frauen? Nein. Etliche finden, dass man einen Gang zurückschalten und auch die Probleme von Männern in den Blick nehmen sollte. Der Dokumentarfilmer Jan Oechsner aus Chemnitz lässt solche Kritikerinnen zu Wort kommen. Etwa die Soziologin Dr. Sandra Kostner oder die Psychologin Christine Bauer-Jelinek. Seine neue Dokumentation will bei aller Kritik zur Verständigung der Geschlechter beitragen.
Gab es einen speziellen Lebensmoment, der Sie ihn Opposition zum feministischen Mainstream brachte?
Nein. Es mag pathetisch klingen, aber ich habe einen starken Gerechtigkeitssinn und entdecke viele Schieflagen in Geschlechterfragen, die aus meiner Sicht unfair sind. Ein Beispiel: Vor etwa sieben Jahren wollte ich beim Petitionsausschuss des Bundestags eine Petition starten. Ich fand es ungerecht, dass bei einem speziellen Bundesministerium - salopp gesagt, dem „Frauenministerium“ -– die Männer im Titel einfach ausgeblendet werden.
„Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend“ da der Name unverändert ist, waren Sie offenbar nicht erfolgreich...
Richtig – mein Antrag wurde abgelehnt. Die Argumentation hat mich seinerzeit aber nicht überzeugt. Ich finde nicht, dass Männer unsichtbar gemacht werden dürfen und so die Gesellschaft und die Menschen darin hierarchisiert werden. Ich bin ehrenamtlich in einem Verein tätig, ich zahle Steuern, halte mich auch für einen ganz guten Vater – und Millionen von Männern machen das ebenso.
Wie haben Sie die Interviewpartner für ihren Film „Männer.Frauen.Menschen“ gewonnen?
Einerseits bin ich recht gut vernetzt. Außerdem habe ich mich informiert, welche Personen zum Thema ‚Feminismuskritik‘ medial bereits hervorgetreten waren. Da wollte ich eine gewisse Mischung hinbekommen: Männer und Frauen, alt und jung, Autoren und Akademiker –aber auch solche, die man „ganz normale Leute“ nennt. Ich habe dann verschiedene Publikationen gelesen und mir eine Liste von Namen erstellt – und gleich die ersten, die ich unbedingt wollte und anfragte, sagten zu. Das empfand ich als großes Geschenk, weil der Aufwand des Films sich als erheblich erwies. So war ich dankbar, nicht immer wieder neue Gesprächspartner suchen zu müssen.
Ursprünglich hatten Sie vor, ausschließlich Frauen auftreten zu lassen. Warum?
Speziell beim Thema ‚Geschlechterfragen‘ wird Frauen leider eher zugehört – sie haben medial eine ganz andere Resonanz. Insofern war diese Versuchung groß. Es hätte zudem auch einen Überraschungswert gehabt. Dennoch habe ich mich von der Idee wieder verabschiedet, weil dieser Ansatz einfach nicht die Gesellschaft widerspiegelt. Das Thema betrifft beide Geschlechter.
Wo drückt ihrer Ansicht nach in der Geschlechterdebatte am meisten der Schuh?
Leider haben wir ja kaum Debatte. Es herrscht ein einseitiges Framing, anstatt die ganze Gesellschaft in den Blick zu nehmen. Betrifft irgendein Problem speziell Frauen, wird sofort eine Handlungsinitiative formuliert, und politische Forderungen sind schnell bei der Hand. Auf der anderen Seite werden Belange von Männern unsichtbar gemacht oder für unwichtig erklärt. Es wird zudem ein „Schuldkult des Patriarchats“ gepflegt, der dazu führt, dass Männer eigentlich gar nicht berechtigt seien, sich zu äußern.
Das Wort ‚Patriarchat‘ bezieht sich ja speziell auf Väter. Die Väter-Situation hat im Film zum Beispiel Frau Bauer-Jelinek beurteilt: In der heutigen Medienwelt würden Väter meist als Trottel dargestellt; siehe Homer Simpson oder Al Bundy.
Das hängt für mein Gefühl auch damit zusammen, dass Männer durchaus über sich lachen können und entsprechenden Spott aushalten. Insofern habe ich kein Problem damit, dass Männer mit ihren Schwächen humoristisch dargestellt werden. Es ist eben nur die Frage, ob das auf sympathische Weise geschieht oder auf eine Diskreditierung alles Männlichen hinausläuft. Und ob man über Frauen auch noch Witze machen darf – oder ob dies inakzeptabel ist.
Der Theologe Dr. Matthias Stiehler stellt in Ihrem Film die Frage, ob Väter eine spezifische Aufgabe zu erfüllen haben oder eher als „Mutter-Ersatz“ gelten.
Die Frage war mir ebenfalls wichtig: Was soll der Vater speziell in die Familie einbringen – und ist das überhaupt gewünscht? Väter machen sicherlich Dinge in der Erziehung anders, und dann kann es zur Machtfrage kommen: „Wie erziehen wir unser Kind eigentlich?“ Durch die sogenannte „vaterlose Gesellschaft“ entsteht eine Schieflage, die sich zum gesamtgesellschaftlichen Problem ausweitet.
Bei mir gibt es keine Verunglimpfung
Wie stemmt man die Finanzierung einer solchen Dokumentation?
Zunächst durch viel Eigenleistung, darüber hinaus durch eine Crowdfunding-Kampagne. Die reichte aber allenfalls für den Grundstock. Man muss einfach dort vernetzt sein, wo Filme gemacht werden. In meinem Fall die Chemnitzer Filmwerkstatt, die weit über die Stadt hinaus bekannt ist. Die haben mir sehr geholfen, vor allem mit der Schnitt-Technik. Oder auch mein Kameramann, der seinerzeit sagte: „Das Projekt wird vermutlich nichts abwerfen, aber ich helfe dir dabei!“
Bei der mittlerweile berühmten Doku „The Red Pill“ von 2017 wollte die Regisseurin Cassie Jaye ursprünglich eine feministische Enthüllungs-Story über Männerrechtler drehen. Als sie im Laufe der Dreharbeiten ihre Meinung änderte, zogen sich die Geldgeber zurück.
Sobald es darum geht, beide Seiten der Medaille in den Blick zu nehmen, ist quasi sofort eine „Brandmauer“ installiert. Der Film „The Red Pill“ ist gut. Es gibt aber auch eine ARD-Produktion namens „Du gehörst mir“, die den Mut hat, eine Eltern-Kind-Entfremdung zu zeigen, bei der die Mutter die Täterin ist. Es gibt also Ausnahmen in der medialen Darstellung, immerhin. Ich würde mir wünschen, dass mein eigener Film in zehn Jahren überflüssig sein wird.
Rechnen Sie mit medialem Gegenwind?
Das kann passieren. Mein Film darf natürlich kritisiert werden. Er ist eine Handreichung – eine Aufforderung, miteinander zu diskutieren. Wer so etwas schlimm findet, dem kann ich leider auch nicht helfen. Bei mir wird weder herumgeschrien noch werden Menschen verunglimpft. Auch wird keine Schuldumkehr versucht. Wer sich den Film unbefangen anschaut, wird merken, dass er nicht konfrontativ ist, sondern versucht, einen argumentativen Diskurs anzustoßen.
Bislang kann man ihn im Internet auf der Plattform „Vimeo“ sehen. Sind auch Kinovorführungen geplant?
Wir hatten am 31. März die Kino-Premiere in Chemnitz. Bislang die einzige Kinovorführung, aber es gibt Anfragen von Vereinen – etwa solchen, die sich für Männer-Belange oder zerstrittene Familien einsetzen. Im Laufe des Aprils werde ich beginnen, alle Programmkinos Deutschlands anzuschreiben.
In Münster wäre dies das „Cinema“...
Bislang verkaufe ich den Film auf der Video-Plattform und auf DVD – es waren bereits gleich zu Beginn über 120 Verkäufe da. Langfristig möchte ich auch auf Fernsehsender zu gehen. Man muss den Film ja nicht gut finden, aber er sollte in jedem Fall gezeigt werden. Wenn ich Programmkino-Chef wäre, würde ich auf jeden Fall auch ein wenig Reibungsfläche bieten wollen. Münster sollte also „Ja“ sagen! (Lacht)
Von Haus aus sind Sie ja Seemann. Hat Sie das geprägt?
Ja, da lernt man zum Beispiel, dass man nicht gegen den Wind kotzen sollte (lacht). Im Ernst: Ich habe eine gewisse Weitsicht und Pluralität gelernt – durch die verschiedenen Weltgegenden, die einem vor Augen führen, dass Menschen auf verschiedene Weise leben und glücklich sein können. In unseren Breitengraden bekommen wir es oft nicht hin, Dinge von allen Seiten zu betrachten. Auch aus diesem Grunde frage ich mich: Warum greifen wir uns unbedingt eine Gruppe (hier: Frauen) heraus, die von einem Problem betroffen ist, anstatt einfach das Problem als solches und für alle zu betrachten?
Es gibt nicht genug Geschlechterdebatten
Im letzten Drittel des Films ändern Sie die „Tonlage“ und schwenken um ins Versöhnliche.
Ja, das habe ich bewusst so montiert. Neben aller notwendigen Kritik sollte auch der Weg zur Verständigung aufgezeigt werden. Es treten die Paartherapeuten Hanna Milling und Bernhard von Glasenapp auf, die jeweils ein gut fünfminütiges Video gedreht und ins Internet gestellt haben (www.authentic-love.de). Im ersten Film sprechen nur Frauen aus verschiedenen Ländern, die ihre eigenen Fehler gegenüber Männern bekennen, doch ebenso ihre Wertschätzung, und die Hand zur Versöhnung ausstrecken. Im späteren Komplementär-Video tun umgekehrt Männer dasselbe. Sehr berührend.
Ich habe den Eindruck, dass Versöhnung nicht hoch im Kurs steht. Wir haben viel Dogmatismus und Aggression in der Gesellschaft.
Ja, leider. Wenn ich etwa sehe, dass es eine steuerfinanzierte „Meldestelle Antifeminismus“ gibt, wird mir mulmig. Wenn junge Frauen beim Weltfrauentag Schilder hochhalten: „Kill all Men“, dann macht mir das Angst. Man bedenke auch, wie viele Steuermittel ausschließlich Frauenverbände bekommen – das sind an die 12 Millionen pro Jahr. Vom Deutschen Frauenbund über das „Weibernetz e.V.“ bis hin zu „Pro Quote“.
Glauben Sie, dass in absehbarer Zeit mehr Verständnis wachsen kann?
Ich bin mir sicher. Mein Film jedenfalls sollte in jedem Fall positiv ausgehen und aufzeigen: Es geht nur mit Männern und Frauen gemeinsam. Deswegen heißt er ja auch so, wie er heißt: „Männer.Frauen.Menschen“.
Jan Oechsner
Seine Leidenschaft ist der Dokumentarfilm. Dabei ist der Mann aus Chemnitz ursprünglich Matrose gewesen. Die 100-Minuten-Dokumentation „Männer.Frauen.Menschen“ hatte Ende März in Chemnitz Kinopremiere und ist auf „Vimeo“ online zu leihen. Der Kontakt zu Programmkinos und Fernsehsendern ist geplant. Die DVD plus Bonusmaterial gibt es auf der Webseite:
https://www.janoechsner.de
llustration Thorsten Kambach / Fotos Jan Oechsner