
Peter Sauer spricht mit Helena Wichmann über Rad-Fun, Teamgeist und Sozialengagement
24-STUNDEN-RENNEN VON LE MÜNSTER
Unter dem dichten grünen Dach schattenspendender Bäume laufen die Pedalen heiß. Bei „24h Promenade Münster 2023" – einem Radrennen, bei dem alle Sieger sind. Die Teilnehmer engagieren sich für soziale Zwecke, geselligen Spaß und das Rad als klimafreundliches Fortbewegungsmittel. Unser Mitarbeiter Peter Sauer unterhielt sich mit Veranstalterin Helena Wichmann auf der Lindenhof-Wiese. An diesem Stück der Promenade startet das Rennen am 12. August um 14 Uhr und endet dort auch wieder um 14 Uhr – genau einen Tag später.
Wie ging das mit dem Radrennen eigentlich los?
Unter dem Titel „24 Stunden um die Promenade" wurde es ursprünglich von Norbert Stegemann und Markus Weweler, zwei Lehrern der Realschule Wolbeck, ins Leben gerufen. Sie organisierten das Radrennen von 2007 bis 2017 – also von einer Skulptur- bis zur nächsten Skulptur-Ausstellung. 2017 fand seitens der früheren Veranstalter zunächst das letzte Rennen statt. In 2018 sind einige Teilnehmer der vorherigen Jahre einfach so die 24 Stunden auf der Promenade gefahren.
Aber dann gab es einen ganz besonderen Neustart, oder?
Ja. 2019 saßen Julia Wagner, meine gute Freundin und damals noch Mitbewohnerin, und ich in unserer WG am Bahnhof. Sie erzählte mir von ihrer Teilnahme am Rennen 2017 und 2018 und davon, dass, wenn sich nun niemand für die Orga fände, das Rennen gar nicht mehr stattfinden würde. Und so beschlossen wir kurzerhand, es dann gemeinsam neu aus der Taufe zu heben.
Wie schnell?
Nach nur ein paar Wochen Vorbereitung fand das Radrennen 2019 unter dem neuen Titel „24h Promenade Münster" statt. 2020 und 2021 fiel es wegen der Corona-Pandemie aus. Da organisierten wir zwei Demos zur Verkehrswende, zum Beispiel unter dem Motto „Leeze statt Auto". 2022 gab es endlich wieder das nächste „24h Promenade Münster".
Und Euer Organisationsteam ist angewachsen?
Ja. Seit 2022 sind wir zu dritt: Julia Wagner, Kirsten Reichardt und ich. Neben unseren Jobs und Studium. Wir machen das als Herzensangelegenheit.
Was treibt Dich an?
Der Startschuss 2019 hatte mir so viel Freude bereitet. Ich hatte sofort das Gefühl, das könnte der Beginn von was ganz Großem werden. Seit wir dann 2022 wirklich zum ersten Mal unser ganzes Konzept umsetzen konnten und alle begeistert waren, war für uns klar: Jetzt muss es so richtig groß werden.
Was sind die Hauptsäulen dieses Events?
„24h Promenade Münster 2023" steht auf drei Säulen. Wir haben zum einen den Wettkampf. Aktuell ist es noch so, dass die meisten Teams Lust aufs Fahrradfahren haben. Auf den 24-Stunden-Wettkampf. Auf die Team-Challenge. Das ist aber nicht alles. Die zweite Säule besteht darin, dass wir uns für das Thema „Verkehrswende“ engagieren.
Was bedeutet das konkret?
Das heißt: Wir fahren am Anfang und am Ende alle zusammen eine gemeinsame Runde. Dabei machen wir mit Klingeln, Hupen und Musik viel Tamtam und darauf aufmerksam, dass der Lebensraum in der Stadt neu verteilt werden muss, dass es künftig weniger Raum für Autos und mehr Raum für Menschen, für Zufuß-Gehende und Radfahrende geben muss.
Also geht es auch um künftiges Zusammenleben in der Stadt?
Genau. Wir möchten Menschen verbinden, auch deshalb engagieren wir uns beim „ParkingDay“. Da geht es darum, Verkehrsflächen anders zu nutzen und in Frage zu stellen, wie viel Flächen wir den Autos einräumen. Und mit dem Rennen „24h“ wollen wir das Rad als klimaschonendes Fortbewegungsmittel noch mehr in den Fokus rücken. Wir wollen den Titel „Fahrradstadt Münster“ stärken und den Ausbau zu einem etablierten Sport-Event im Sommer in Münster.
Und dann gibt es ja noch den sozialen Aspekt ...
Ja, das ist die dritte Säule des Rennens, dass wir Geld für soziale Projekte sammeln. Und da kommt die Verbindung zu den Fahrenden. Wenn die Teams ohne Sponsor kommen, besorgen wir einen für sie, Unternehmen oder auch Privatpersonen.
Legen sich die Sponsoren auf einen speziellen Geldbetrag fest?
Ja, oft. Aber unsere Idee ist es, dass pro gefahrener Runde ein vom Sponsor festgelegter Betrag gespendet wird. Wenn sein Team 100 Runden fährt und der Sponsor sagt 20 Euro oder 50 Euro, dann geht die Summe entsprechend an das soziales Projekt. So fördern wir die Plattform, etwas Gutes zu tun, die Verkehrswende und soziale Projekte aktiv zu unterstützten und zu supporten.

Ich bin mit der Leeze unterwegs, 99 andere aber auch
Was gibt es Neues bei den „24h"?
Wie in der Vergangenheit erfolgreich durchgeführt, bauen wir am Lindenhof gemeinsam mit den Teilnehmern ein Camp aus Zelten & Pavillons auf. Neu ist, dass wir eine Recovery-Zone einrichten wollen. Für Teilnehmende, die nicht auf der Strecke sind, gibt es einen Regenerationsbereich, also ein Zelt mit Massage, Physio und basischen Fußbädern. Und es gibt zum ersten Mal Finisher-Shirts.
Was gibt es zudem im Rahmenprogramm?
Moderate Musik am Abend durch DJs und künstlerische Aufführungen. Am Sonntag laden wir das Fahrradbüro der Stadt ein und stellen besondere Projekte vor. Für das leibliche Wohl der Teilnehmenden wird durch lokale Anbieter gesorgt.
Wieviel Teams waren 2022 dabei?
Letztes Jahr waren es 46 Teilnehmende in sieben Teams.
Aber es können auch mehr mitmachen?
Wir sind von der Stadt auf 100 Teilnehmer begrenzt und freuen uns, wenn wir dieses Jahr mit 100 Menschen starten können.
Wie muss ich mir das Rennen konkret vorstellen?
Maximal 100 Teilnehmende fahren in rund 15 Teams 24 Stunden die 4,5 Kilometer lange Promenade entlang. Ein Mensch aus jedem Team muss also immer auf der Strecke unterwegs sein.
Du fährst selbst mit?
Klar, wir drei Veranstalterinnen starten auch mit einem Team und haben tatkräftige Unterstützung.
Start- und Zielpunkt einer jeden Runde ist an der Lindenhofwiese?
Ja, wir fahren Richtung Aegidiistraße. Das ist auch die Fahrtrichtung für den Rennbetrieb.
Wird dazu die Promenade abgesperrt?
Nein, wir fahren während des laufenden Betriebs.
Huch, also auch zwischen Nachtschwärmern und Joggern?
Mein Traum für die Skulptur-Projekte 2027 ist es, die Promenade dann wirklich gesperrt zu haben und dann ein ganz professionelles Rennen fahren zu können. Ich meine, ein solches Rennen kann doch nur in Münster stattfinden, oder?
Absolut richtig. Habt ihr 2023 einen prominenten Mitfahrer?
Wir haben Fabian Wegmann angefragt und hoffen, dass er kommt. Oberbürgermeister Markus Lewe hat in diesem Jahr die Schirmherrschaft übernommen und wir haben auch ihn angefragt, die letzte Runde mit uns gemeinsam zu fahren.
Die letzte Runde ist am Sonntag, 13. August, so gegen 13.45 Uhr?
Ja, so kurz vor 14 Uhr.
Also je nachdem, wie schnell der OB ist?
Genau.
Wie lange dauert eigentlich eine Runde um die Promenade?
Eine Runde dauert mindestens sieben Minuten und 51 Sekunden. Das war 2022 die Spitzenleistung bei der „24h Promenade Münster".
Was war Dein schönstes Erlebnis bislang?
Ich persönlich habe 2022 den Samstagabend sehr genossen. Es war traumhaftes Wetter. Die Menschen waren gut drauf, die Musik des DJs war toll. Wir hatten während der Pandemie solange davon geträumt, es auszurichten und als es dann soweit war und es Teilnehmende wie Besucher gleichermaßen toll fanden, das war für mich ein besonderer Moment. Ich bin auf der Promenade in den Sonnenuntergang gefahren und habe mich gefreut, dass die Vision wahr geworden ist.

Gab es auch etwas aus der Abteilung „Pleiten, Pech und Pannen“?
Wir machen das Rennen nebenher. So gut, wie wir es können. Wir sind keine professionellen Veranstalter. Aber es läuft immer gut und rund. Nur 2022 hatten wir vergessen, die Präsente, die wir für die Teilnehmenden gesponsort bekommen hatten, auch an sie zu verteilen. Das holen wir dieses Jahr als erstes nach. Auch die Unternehmen werden genannt.
Wie ist die Altersspanne bei den Teilnehmern?
2019 starteten drei Generationen als ein Team. Ich hoffe, sie sind auch dieses Jahr wieder mit dabei. Die jüngste Teilnehmerin war damals neun Jahre alt. 2022 war auch die Tochter eines Teammitglieds dabei. Ihr hat es so gut gefallen, dass sie die Nacht blieb, auf dem Feldbett schlief und insgesamt 18 Runden gefahren ist. Knapp 70 war bislang der älteste Teilnehmer.
Was war das krasseste Team bislang?
Ein Paar. Ein Mann und eine Frau. Zu zweit. 24 Stunden. Die haben von uns den „Hero-Preis" bekommen. Sie sind dieses Jahr auch dabei und waren die ersten, die sich angemeldet haben. 24 Stunden zu zweit im Sattel, das ist schon der Hammer. So viel Einsatz!
Gab es Witziges am Rande der Strecke?
Ja. Zum Beispiel Gäste, die bei „Alex Brasserie" draußen saßen, als wir immer wieder vorbeigefahren sind. Erst haben die Leute gar nicht gecheckt, was los ist. Dann haben sie es irgendwann verstanden und haben uns munter mit angefeuert. Klasse!
Auch das ist wichtig.
Genau, Peter, Du glaubst gar nicht, das ist so magisch, wenn die Teammitglieder hier am Lindenhof links und rechts der Promenade sitzen und sich gegenseitig anfeuern. Und manchmal sind auch paar Läufer unterwegs, die sich auf den Marathon vorbereiten. Und die meisten freuen sich wie Bolle, wenn sie auch angefeuert werden.
Was machst Du in Deiner Freizeit?
Ich habe dieses Jahr meine erste Eisbade-Saison absolviert. Früher bin ich noch eine totale Frostbeule gewesen. Aber es ist ja sehr gesund. Ich kann es jedem nur empfehlen. Ich war schon in der Spree, im Saerbecker See, aber meistens doch im Kanal in Münster.
Wie kalt war es?
Im Winter waren es schon auch zwei bis drei Grad im Wasser und draußen.
Hui, was machst Du noch gerne?
Ich koche und backe gerne, von traditioneller bis zur asiatischer Küche, an der sich auch mein 13-jähriger Sohn ausprobiert. Meine achtjährige Tochter ist da auch gern dabei. Letzten Sommer haben mich dann ätherische Öle gefunden, ich bin sehr naturverbunden aufgewachsen. Je älter ich werde, desto mehr zieht es mich wieder dahin.
Wie bist du aufgewachsen?
In einem kleinen Ort in Kasachstan. Wir hatten eigene Hühner, Kaninchen, ein Schwein und eine Kuh. 1988 sind wird rübergekommen mit der Familie. Zunächst nach Nortrup, einem 2000-Seelen-Dorf im Norden des Landkreises Osnabrück. Damals bin ich immer zum Feiern nach Münster, denn Reiterball und Schützenfest waren nicht so meins.
Wie wichtig ist Radfahren für Dich?
Ich bin aktive Radfahrerin, seit meiner Kindheit. Mit acht bekam ist ein richtig tolles Rad. Mit hohem Lenker. So ein bisschen wie ein Bonanza-Rad. Heute könnte ich nicht mehr ohne.
Helena Wichmann
Sie wurde 1978 in Schtschutschinsk in Kasachstan geboren. 1988 kam sie nach Deutschland. Seit einigen Jahren lebt sie in Münster, mit Herzblut im Bahnhofsviertel. Sie ist eine der drei Organisatorinnen von „24h Promenade Münster 2023“. Beruflich verkauft die Mutter zweier Kinder bei einem Unternehmen in Roxel (Cervotec) seit sechs Jahren Fahrradgaragen, arbeitet dort im Marketing und Vertrieb. Seit drei Jahren hat sie aus fester Überzeugung kein Auto mehr.
Mehr zu „24h-Promenade Münster 2023“ und zur Anmeldung:
24h-promenade.de
E-Mail: info@24h-promenade.de
llustration Thorsten Kambach / Fotos Armin Zedler