Peter Sauer spricht mit Harry Wijnvoord über Blumenkohl, Diabetes und Hollywood
DAS DSCHUNGELCAMP HAT MIR DAS LEBEN GERETTET
Vor drei Jahren erlebte die Kult-Sendung „Der Preis ist heiß“ ein bei Publikum und Presse gefeiertes Comeback. Mit dem Originalmoderator, der auch aktuell mit seinen 75 Jahren immer noch gut im Spiel und bei Stimme ist. Ruhestand ist für Harry Wijnvoord ein Fremdwort. Im Interview mit Peter Sauer blickt er zurück und nach vorn.
Prosit, Neujahr Harry! Wie bist du reingekommen?
Sehr gut, im Kreise meiner Familie.
Familie ist ein gutes Stichwort. Vor rund 60 Jahren, am 15. Dezember 1964 bist du als 15-Jähriger von Holland nach Deutschland umgezogen …
Peter, ich wurde umgezogen!
Inwiefern?
Mein Vater offenbarte mir plötzlich: „In zehn Tagen ziehen wir nach Deutschland“. Da wollte ich auf keinen Fall hin. Ich war schwer pubertierend. Nach USA oder Australien, das hätte ich noch ertragen.
Warum hat dir das dein Vater erst zehn Tage vor dem Umzug gesagt?
Weil er wusste, dass ich voll dagegen war. Mein Vater musste beruflich umziehen. Er merkte mit seiner Kürschnerei, dass die Umsätze in Frankfurt höher sind als in Amsterdam. Und meine geliebte Schlaghose mit 80 cm-Schlag durfte ich auch nicht mit nach Deutschland nehmen, denn mein Vater meinte, im ordentlichen Deutschland trügen das die Jungs nicht, sondern nur Zimmerer.
Warum brach dein Vater deine Ausbildung in seiner eigenen Kürschnerei ab?
Weil ich ihm in seiner Kürschnerei als zu faul und aufsässig erschien. Er vermittelte mir über seine Steuerberaterin dann eine Lehre als Gehilfe für Wirtschafts- und Steuerberater. Doch dieser Schreibtischjob passte mir auch nicht. Ich beendete meine Tätigkeit in diesem Beruf, nachdem ich meinen Gesellenbrief erhalten hatte. Den habe ich gut weggepackt und seitdem nie wieder zu Gesicht bekommen.
Später bist du aus der Buchhaltung in den Verkauf gerutscht …
Erst war ich Verkaufsrepräsentant bei der Fluggesellschaft Olympic Airways. Ich habe viele Reiseleitungen nach Griechenland gemacht und Produkte vorgestellt. Ich begleitete die Reisen, die ich später vorstellte.
Wie kamst du dann ins Fernsehen?
Ich bin in Hollywood entdeckt worden.
Wie kam das?
Durch Zufall war ich 1988 auf einer Pressereise Richtung Hollywood. Ich begleitete eine Gruppe deutscher Medienmacher auf einer Kreuzfahrt und führte sie durch Los Angeles. Mit dabei war auch der RTL-Unterhaltungschef Jochen Filser, der mich fragte: „Du verkaufst hier so gut Reisen, kannst du dir vorstellen bei uns eine Gameshow zu machen?“ Ich sagte: „Klar, aber was ist das? Das musst du mir erklären.“ Und so wurde ich Moderator von „Der Preis ist heiß“.
Was war deine erste Reaktion auf die Show?
Wow, so viele Preise jeden Tag, dann bin ich ja das ganze Jahr über für die Leute der Weihnachtsmann.
Was folgte, ist TV-Geschichte. 1873 Folgen gab es damals. Was war dein schönstes „Preis ist heiß“-Erlebnis?
Kurz nach dem Mauerfall hatten wir die ersten Gäste aus den neuen Bundesländern. Eine Kandidatin gewann einen Mittelklassewagen: Am meisten freute sie sich darüber, dass das Auto auch einen Scheibenwischer hinten hatte.
Wie hast du reagiert, als es 2022 zum Comeback von „Der Preis ist heiß“ kam?
Es war wie nach Hause zu kommen. Ich war im Studio innerhalb weniger Minuten wieder da und brauchte nur einen Probetag. Wir hatten im Team vier Probetage eingetragen.
2004 hast du beim Dschungelcamp mitgemacht. Hat das dein Leben verändert?
Das Dschungelcamp hat mir das Leben gerettet!
Wie das?
Vor der Sendung musste jeder Kandidat an einer Vorsorge-Untersuchung teilnehmen.
Von Doktor Bob?
Nein (haha), vom Internisten für Filmausfallversicherung.
Was stellte sich bei der Voruntersuchung heraus?
Mein Blutdruck war 220 zu 150. Viel zu hoch. Auch meine Zuckerwerte waren viel zu hoch. Ich hatte Diabetes. Das wusste ich vorher nicht. Die Diagnose war schockierend, sehr heftig für mich. Mein Vater war an Diabetes gestorben. Das Dschungelcamp hat mir also das Leben gerettet!
So war das Dschungelcamp eine glückliche Fügung?
Richtig, Peter. Sonst hätte ich so weitergelebt wie bisher und hätte nie bemerkt, dass ich diabeteskrank bin. Das Gemeine an der Krankheit ist: Du merkst sie nicht. Ich habe sechs Wochen intensiv mit einer Diabetologin zusammengearbeitet. So konnte ich mit Medikamenten eingestellt werden. Ich habe es bis heute ohne Insulin geschafft. Und mir geht es gut damit.
Und die Ärztin hat dich auch ins Camp gelassen …
Ja, Bohnen und Speck dort waren schonmal gut zum Abnehmen. Ich habe danach mein Leben völlig umgestellt, zum Beispiel in Sachen Ernährung und Alkohol.
Aber im Dschungelcamp hast Du am 11. Tag aufgegeben. Warum? Wenn die anderen mich hätten kochen lassen, dann wäre ich länger drin geblieben.
Aber die ließen mich nicht. Ich dachte auch, ich gehe raus, bevor ich die Contenance verliere.
Wie kam das an?
Ich dachte schlecht, aber viele haben mich für meinen freiwilligen Ausstieg gelobt. Das tat gut.
Seit dem Dschungel engagierst du dich für die Diabetes-Vorsorge und auch für die Prostatakrebs-Früherkennung. Warum?
Es gehen viel zu wenig Männer zur Untersuchung. Aus Scham, Unwissenheit, aus Verdrängung. Man müsste den Männern einen Rundum-Vorsorge-Untersuchungstag pro Jahr vorschreiben. Der Tag ist frei. Der Arbeitgeber verpflichtet dich dahinzugehen.
Wir sprachen eben vom Kochen. Warum magst du keinen Blumenkohl?
Meine Mutter konnte gut kochen. Internationale Küche und so. Aber Blumenkohl konnte sie nicht. Der Blumenkohl war bei ihr eine leicht-schwitzige Mehlpappe. Ekelhaft. Da kriege ich Schüttelfrost.
Früher paukten hier Schüler, heute spielt Harry Wijnvoord in seinem
Sendener Wohnzimmer auch mal eine Partie Golf.
Und was kochst du stattdessen lieber?
Ich koche gerne asiatische Küche.
Was gibt es heute Abend?
Frische Hühnersuppe für meine Frau Iris.
Du hast Iris kurz vor deinem 70. Geburtstag beim Kölner Karneval kennen und danach lieben gelernt. Wie wichtig ist Liebe im Alter?
Das ist schon ein Segen, wenn man eine Partnerin hat, auf die man sich verlassen kann, mit der man lachen und andere schöne Dinge machen kann.
Wie würdest du Iris beschreiben?
Iris ist einfach sie selbst. Sie steht mit beiden Beinen im Leben, sie arbeitet fleißig in ihrer Boutique. Ich bin stolz auf sie.
Du wohnst in Senden. Wie viel Münsterländer steckt in Dir?
Viel, Peter, ich fühle mich hier sehr wohl.
Hast du einen Lieblingsort in Münster?
Ich laufe wahnsinnig gerne über den Domplatz, das ist ein sehr homogener Platz, der gut die Geschichte widerspiegelt. Die Häuser auf dem Prinzipalmarkt sind ein herrlicher Ort, um zu verweilen. Münster erinnert mich an Haarlem, wo ich als Kind fünf Jahre gewohnt habe.
Und was gefällt dir an Münster nicht so gut?
Sie sollen die Baustellen schneller erledigen. Das ist furchtbar. Es kann doch nicht sein, dass nur zwei bis drei Männer auf den Baustellen arbeiten und wir ewig im Verkehr stecken bleiben.
Läuft das denn in Holland anders?
Und wie. In Holland beginnt die Baustelle freitagabends und ist Sonntag um 6 Uhr früh fertig. In Holland gibt man den Bauarbeitern meinetwegen drei Wochen für eine Baustelle. Aber jeden Tag, wo sie schneller fertig sind, gibt es Geld obendrauf. Da kannst du zusehen, wie schnell sie dann werden.
Welche Vorsätze hast du zum Jahresanfang?
Ich werde viel für die Gesundheit tun. Ich werde mir ein neues Knie geben lassen. Im März, um endlich schmerzfrei zu sein, um danach mein eigenes Boot zu fahren. Es ist 1,50 Meter lang und liegt in Belgien an der Maas.
Ein Boot passt gut zu deinem Hobby Angeln, das ja noch viel mehr ist, oder?
Ich engagiere mich schon länger bei der Royal Fishing Kinderhilfe.
Warum ist diese Arbeit so wichtig?
Ich mache jedes Jahr ehrenamtlich diese Angelsafaris und Lehrgänge mit Kindern und Jugendlichen aus sozialschwachen und zerrütteten Verhältnissen. Ich bringe ihnen das Angeln bei, so haben sie etwas, was andere nicht haben. In 21 Jahren haben wir 8500 Kinder unterstützt.
Eine großartige Bilanz. Du bist jetzt 75. Zeit für den Ruhestand?
Ach was. Ich mache weniger, nur das, was mir richtig Spaß macht. Ich lese genauso gerne in einem Altersheim Geschichten vor, wie ich Touristen bei Reisen begleite oder im Fernsehen auftrete.
Was sind deine Wünsche für 2025?
Ich wünsche mir, dass man aller Kriegstreiber habhaft wird und dass so viele Menschen wie möglich in Frieden leben können.
Harry Wijnvoord kam am 12. Mai 1949 in Scheveningen auf die Welt. Seit über 20 Jahren lebt er in Senden in einer umgebauten Dorfschule, ist aber oft in Münster. Aus erster Ehe hat er einen Sohn. Er ist seit Juli 2021 mit Iris Wijnvoord verheiratet, die eine Tochter hat. Den „Preis ist heiß“ hat er von 1989 bis 1997 nachmittags und von 2022 bis 2024 abends moderiert. www.harry-wijnvoord.de
llustration Thorsten Kambach / Fotos Peter Sauer