Peter Sauer spricht mit Filipe Henrique und Nico Dreier von The Bluesanovas über ihre größte Liebe
DIE MIT DEM BLUES TANZEN
Sie sind gerade mal knapp 30 Jahre alt und spielen nicht etwa chartkompatible Popmusik, sondern kernigen Rhythm&Blues, Chicago Shuffle, klassischen Rock’n’Roll und perlenden Boogie Woogie. Und das so erfolgreich, dass The Bluesanovas in acht Bandjahren schon sechs der renommierten German Blues Awards gewonnen haben. Das Quintett aus Münster stellte jüngst im ausverkauften Kulturbahnhof Hiltrup ihr neues Album “Big Love“ vor. Ob live oder auf Platte: The Bluesanovas bieten eine packende Frischzellenkur in Sachen Blues. Wir unterhielten uns mit den beiden Masterminds der Band, mit Gitarrist und Komponist Filipe Henrique und Tastenvirtuose Nico Dreier.
Euer neues Album „Big Love“ ist in die Deutschen Album-Charts eingestiegen. Ich gratuliere. Das passiert ja nicht alle Tage, oder?
Filipe: Danke. Wir freuen uns sehr. Das hätten wir nie erwartet. Und Du hast Recht. Ich habe recherchiert und habe keine deutsche Bluesband in den Albumcharts der letzten Jahre, ja Jahrzehnte gefunden.
Zwei German Blues Awards gingen direkt an dich, Nico, für dein Spiel am Honky-Tonk-Piano und der Hammond-B3-Orgel. Wie fühlst du dich?
Nico: Voll geflasht. Als junge Bluesband, die die vermeintlich alte Musik aufmischt, so ein Feedback zu bekommen, das man auf dem richtigen Weg ist – besser kann es nicht kommen. Und dann noch zwei Awards für mich selbst. Das spornt mich noch mehr an.
Wie erlernt man eigentlich den Blues?
N: Also man kann jetzt nicht in die Musikschule gehen und da direkt Blues-Klavier lernen. Das funktioniert nicht. Man kann auch den Erfolg nicht erlernen.
Sondern?
N: Man muss einfach ganz viel Bluesmusik hören, also ganz bewusst hören und versuchen, sich da selbst anzunähern und anzulernen. Step by step. In Osnabrück und Münster gibt es ja eine lebendige Bluesszene. Mit regelmäßigen Konzerten und Jam-Sessions.
Und bei so einer Jam-Session sind The Bluesanovas entstanden?
F: Ja, das kann man so sagen.
N: Ich ging nach dem Abitur zehn Jahre lang immer montags regelmäßig zur Bluessession in die Lagerhalle in Osnabrück.
F: Ich besuchte die Bluessessions immer dienstags im Bunten Vogel in Münster. Irgendwann überschnitten sich unsere Wege und die Idee war geboren, eine eigene Band zu gründen.
N: Ohne diese Sessions wären wir nicht zusammen. Ich habe die Bluessession damals durch puren Zufall entdeckt. Und dann auch meinen Zwillingsbruder Philipp mitgenommen.
Da wart ihr schon zu dritt. Und dein Zwillingsbruder Philipp sitzt jetzt am Schlagzeug. Ihr beide seid euch ja zum Verwechseln ähnlich....
N: Ja, er ist aber ein bisschen größer.
Filipe, wie bist du grundsätzlich zur Musik gekommen?
F: Ich war in einer Bläserklasse am Paulinum. Spielte dort die Tuba.
Jetzt habe ich dafür leider keine Zeit mehr. Mit den ganzen Bluesanovas-Konzerten, einer tollen Frau und zwei kleinen Kindern zuhause. Aber es hatte mich auch schon damals als Schüler am Paulinum immer mehr schon zur Gitarre hingezogen. Ich hatte mir mit 13 eine Gitarre zu Weihnachten gewünscht und dann mit 17 den Blues für mich entdeckt.
Über die Klassiker wie Led Zeppelin, Deep Purple oder Gary Moore?
F: Verrückterweise nicht, sondern über Metallica, Queen, Supertramp, Pink Floyd.
Uups, eine verrückte Mischung...
F: Ja. Ich schaute dann aber, welche Künstler welchen Künstler so inspiriert haben und blickte in der Musikgeschichte immer weiter zurück.
Und so kamst du irgendwann beim Ursprung der Unterhaltungsmusik, dem Blues, an?
F: Ja, der ist noch älter als das Radio, das ja in diesem Jahr 100 Jahre alt wurde. Als ich die Bluessession im Bunten Vogel besuchte, hatte es mich total gepackt. Ich entschloss spontan, genau das will ich auch machen: Bluesmusik.
Ohne die Sessions im Bunten Vogel wären wir nicht zusammengekommen
Dienstags ist im BuVo volles Haus, wenn Memo Gonzales zur Blues-Jam einlädt ...
F: Ja, Memo Gonzales und The Bluescasters haben uns immer gefüttert, haben uns die Energie weitergeben, die wir gesehen und erlebt haben. Das war die beste Schule, die es gibt. Sie haben uns die großen Namen im Blues nahe gebracht und als Hausaufgaben selbst aufgenommene USB-Sticks mit Bluesklassikern der ganz Großen mitgegeben. Wir haben das schon gut vorgekaut bekommen.
Um dann was zu machen?
F: Uns die Bluesmusik der Legenden, wie Muddy Waters, B. B.King, Sunny Boy Watson, Howlin`Wolf oder Lightnin`Hopkins, ganz genau anzuhören. Ton für Ton. Und dann zu versuchen, sie zunächst einmal nachzuspielen, so gut wie möglich und dann immer besser. In einem zweiten Schritt sollten wir dann versuchen, ihre Musik, ihre Texte, den ganzen Spirit aufzusaugen. Das klappte wunderbar. Wir haben die Leidenschaft ‚Blues‘ so quasi von der Muttermilch aufgesogen.
Besser geht es nicht. Das war sicherlich ein fundierter Lernprozess, Wo führte er hin?
F: Als wir fit genug waren, durften wir im Bunten Vogel bei Memo Gonzales & The Bluescasters mitjammen, ja, bis....
Ja, bis?
F: Ja, bis wir dann selbst als The Bluesanovas an den Start gingen. Gegründet nur aus Mitgliedern der Jamsessions. Am Anfang war unser Sänger und Mundharmonikaspieler noch Ralf Hermann, ein Schulfreund vom Paulinum. Als wir dann immer mehr Zeit als Band benötigten, stieg Ralf aus und unser heutiger Sänger Melvin Schulz genannt Menningmann ein.
Genannt Menningmann? Ist das ein Spitzname?
N: Ne, der heißt wirklich komplett so. Das ist eine alte westfälische Namensform.
Wieder was gelernt. Euer Bassist Moritz Oswald ist erst seit ein paar Jahren dabei ...
F: Ja, die Bassistenstelle wurde bislang am häufigsten ausgewechselt. Mit dem aktuellen Line Up arbeiten wir nun schon länger und erfolgreich.
Der Erfolg gibt euch ja auch recht...
F: Wir wollen keine Kompromisse machen. Wir wollen immer das beste reinholen und auch, dass am Ende das Beste rauskommt.
Das habe ich bei eurem „Big-Love“-Releasekonzert im Kulturbahnhof erlebt. Eine perfekt eingespielte Band mit umwerfend vielen leidenschaftlichen Soli ...
N: Danke.
Filipe, Du spielst deine Soli gerne mitten im Publikum. Hast du nie Angst, dass da etwas schieflaufen könnte?
F: Nein, Lampenfieber ist immer dabei und jede Menge Adrenalin. Und unsere Fans sind gut drauf.
Und wie ist es mit Groupies?
F: Bislang folgten uns manche Frauen nur bis zum Bandbus. Da wir ja alles selbst organisieren, haben wir auch keine Security. Also mussten wir sie leider auch selbst wieder loswerden.
Da ist dann sicher das gesamte bandeigene Charmepotential gefragt, oder?
F: Das funktionierte dann auch. Grundsätzlich sind wir aber immer baff, wenn Leute uns so feiern.
Mit Recht. Wie entstehen eigentlich eure Songs?
F: Mir kommen oft die musikalischen Grundideen. Meistens im Urlaub. Gerne in Portugal in einer Hängematte. Meine Eltern kommen gebürtig aus Portugal. Ich spiele etwas Gitarre in mein Handy ein, spiele noch etwas dazu und nehme beides mit dem Handy meiner Freundin auf. Bei den Proben tut dann jeder aus der Band seinen Teil dazu, ob Melodie oder Rhythmus. Eine Woche später hören wir uns das in einer völlig anderen Situation nochmal an, etwa im Tourbus. Weitere Ideen und Feedbacks kommen dazu. Grundsätzlich steuert unser Sänger Melvin Schulz, genannt Menningmann, immer den Text zu. Wir lassen alles nochmal etwas liegen, um später im Studio den Song final aufzunehmen.
Also eine komplette Gemeinschaftsarbeit?
F+N: Genau.
Auf dem neuen Album „Big Love“ sind nur Liebeslieder über glückliche und nicht so glückliche Momente und all jene Facetten dazwischen ...
F: Das Positive steht bei uns immer im Fokus. Also auch die konstruktive Verarbeitung von traurigen Momenten. Wir wollen nicht, das man im Mitleid dahinschmilzt. Wir wollen mit dem Blues jede Menge Energie rüberbringen. Das Schöne ist, dass dies beim Publikum auch generationsübergreifend gelingt.
Gibt es einen Song, der einer speziellen Frau gewidmet ist?
F: Meiner Spielerfrau ist der Song „Meant for you“ gewidmet.
Da bekommt der Begriff ‚Spielerfrau‘ mal eine ganz andere Bedeutung. Herrlich. Filipe, by the way, was war dein schönstes Münster-Erlebnis?
F: Auf die Blues-Jam im BuVo zu gehen. Das war lebensentscheidend. Ich hatte zwar schon ein paar Jahre Gitarre gespielt, aber der Funke, das große Feuerwerk, sprang erst bei Memo Gonzales über. Er hat mein Leben total verändert.
Das Positive steht bei uns immer im Fokus
Weißt du noch bei welchem Song?
F: Ja, als Memo aus „Johnny B. Goode“ von Chuck Berry sein eigenes „Memo B. Goode“ machte.
Wie kam es eigentlich zum Bandnamen The Bluesanovas? Hat das was mit Casanovas im Sinne von Playboys zu tun?
N: Casanovas bezogen auf die Musik ja, Supernova und Bossa Nova spielten auch in die eher spontane Namensgebung mit rein.
Was war euer größtes Tour-Pech?
F: Es hat mal reingeregnet und es gab Probleme mit dem Starkstrom, aber am peinlichsten war, als wir in Laubach einen Auftritt hatten. Wir fuhren also mit unserem Bandbus los. Was wir aber nicht wussten: Es gibt zwei Laubachs. Eines in Frankfurt und eines in Baden-Württemberg.
Oha!
F: Genau. Wir waren schon einige Zeit gefahren und zwischendurch auf einer Raststätte recherchierten wir nach unserem Hotel. Auf Tour gehen wir immer erst ins Hotel und dann zum Veranstaltungsort oder umgekehrt, je nach Zeitplan. Wir gaben also Bühnenort und Hotel ins Navi ein und wunderten uns. Das Hotel war wohl richtig. Aber zwischen Hotel und Bühne lagen verdammt viele Kilometer. Mehr als zwei Stunden waren wir in eine völlig falsche Richtung gefahren. Wir kamen aber gerade noch rechtzeitig zum Konzert im richtigen Laubach an.
2022 habt ihr im Vorprogramm von „Slowhand“ Eric Clapton gespielt. Wie war das?
F: Es war neben dem Konzert auf den Antillen mein bisher schönstes The Bluesanovas-Erlebnis: vor Eric Clapton auf diesen gigantischen Bühnen in den Stadien vor so vielen Menschen zu spielen. Das war einfach der Hammer. Wir durften ihn auf seiner Tour durch Deutschland, Belgien und Tschechien als Vorband begleiten. Und klasse war auch, dass das Clapton-Team ebenso angetan von unserem Auftritt war wie das Publikum. Das war echt ein Ritterschlag für uns.
Habt ihr Clapton direkt getroffen?
F: Er kam kurz vorbei und sagte: „Good Job“. Von seinem Soundmann bis zum Stage-Manager bekamen wir eine riesige Unterstützung. Als ob wir selbst Stars wären. Die hätten uns gar nicht unterstützen müssen. Sie haben das von sich aus gemacht. Zusätzlich zu ihrer eigentlichen Arbeit. Auch der Gitarrentechniker von Claptons kleiner mobilen Werkstatt war sehr offenherzig.
Nico, was war dein schöntes „Bluesanovas“-Erlebnis?
N: Als wir 2022 in Memphis nicht nur bei der International Blues Session zu Gast waren, sondern auch das Original-Sun-Studio nicht nur als Museumsbesucher erleben konnten.
Wow, wie kam das?
N: Es ist für einen Musiker ein heiliger Ort. Im Sun-Studio wurde Elvis Presley entdeckt. Ich durfte auf dem Klavier spielen, auf dem einst Jerry Lee Lewis gespielt hat und auf dem immer noch sein legendärer Zigarettenabdruck drauf ist. Wir haben die letzte Führung im Sun-Studio mitgemacht. Nach kurzem Gespräch mit den Leuten dort erhielten wir spontan die Möglichkeit, die Nacht dort zu verbringen und haben dann dort unser vorletztes Album aufgenommen.
Respekt! Filipe, was machst Du am liebsten in Deiner Freizeit?
F: Wöchentliches Highlight ist der Markt am Dom. Da muss man sich gar nicht verabreden. Die Leute, die man längere Zeit nicht gesehen hat, trifft man dort ganz automatisch. Das ist echte Lebensqualität.
N: Nicht zu vergessen die gemeinsamen Doppelkopfrunden. Sie sind in unserer Band mittlerweile ein festes Ritual.
Der Jahreswechsel steht vor der Tür. Wie schauen The Bluesanovas auf 2024?
N: Ob Konzert auf den Azoren 2021 oder Clapton 2022. Jedes Jahr wurde bei uns durch ein neues Highlight getoppt. Wir lassen uns also gerne von 2024 überraschen und wünschen der Redaktion und allen Lesern und Leserinnen von Stadtgeflüster Münster ein wunderbares Weihnachtsfest und ein friedliches und schönes 2024.
Das nächste Heimspiel-Konzert von The Bluesanovas findet am 26. April 2024 in der Stadthalle Hiltrup statt. The Bluesanovas bestehen aus Sänger und Texter Melvin Schulz, genannt Menningmann, Schlagzeuger Philipp Dreier, Gitarrist und Komponist Filipe Henrique, Pianist Nico Dreier und Bassist Moritz Oswald. Auch die ersten drei Alben „Bluesanova“(2017), „The Emergency Call for the Blues“ (2019) und „The Moonshine Record“ (2022) plus die EP „Blues N´Roll“(2020) sind neben dem neuen Album „Big Love“ wärmstens zu empfehlen. Weitere Infos:
https://thebluesanovas.de
llustration Thorsten Kambach / Fotos Peter Sauer