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2022-11-07 Stadtgeflüster Illustration Ekki kurz.tif

Peter Sauer spricht mit Daniel Meyer über Opus Dei, ADS und Glücksgefühle

ICH BIN GLADIATOR, DETEKTIV UND NETTER NACHBAR ZUGLEICH

Münsters Gesicht bei „Bares für Rares“ hat einen Namen: Daniel Meyer. Der Kunst- und Antiquitätenhändler, Schätzer und Auktionator hat in Münster studiert und gehört seit 2014 zum beliebten Händlerteam der Kultsendung im ZDF. Bei einem Kännchen chinesischen Milky-Oolong-Tees gibt er uns in seiner Auktionshalle in Roxel spannende Einblicke in sein erlebnisreiches Leben.

Wusstest Du schon als Kind, was Du werden wolltest?


Nee, ich war ziemlich ruhig und verträumt.


Und wie sahen das Deine Eltern so? 


Kurz vor dem Abi sagte mein Vater: „Du setzt dich jetzt auf den Hosenboden, machst eine Liste und sagst, was du studieren willst.“ Und er war glücklich, als ich später zur Kunstakademie ging. Als ich danach mit Trödel anfing, bekam ich von zu Hause Gegenwind. Mit meinen Eltern bin ich aber wieder richtig versöhnt – seit ich 2014 auch im Fernsehen Karriere mache.


Wie war es in der Schule? 


Ich habe vor einem halben Jahr festgestellt, dass ich ein leichtes Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) habe, das angeboren ist. Das hat mich sehr überrascht. Seitdem das aber klar erkannt wurde, ist jeder Tag schöner für mich, weil ich die Dinge aus der Kindheit besser verstehen kann. 


Wie warst Du als Kind?


Ich war verträumt und intelligent, aber die Lehrer sagten, ich sei faul. Es hieß: „Der Daniel könnte ja, wenn er wollte, aber er will ja nicht – und er lässt sich allzu schnell ablenken.“ Auch heute kann ich mich am besten auf Dinge konzentrieren, die mich triggern und interessieren, auf anderes nicht. Das ist meine Schwäche – und gleichzeitig meine große Stärke. Mir hat es sehr geholfen, das psychologisch aufzuarbeiten. Ich bin sicher, mein Weg wäre viel einfacher gewesen, wenn mir in der Schule jemand geholfen hätte.


Wie hat sich das damals gezeigt?  


Ich habe zum Beispiel in der ersten Klasse beim Lesenlernen alles auswendig gekonnt, statt es vorzulesen. Das war aber seitens der Lehrer nicht gewollt.


Warum war es für Dich wichtig, dass Du nach dem Abi neben der Uni Münster auch an der Kunstakademie aufgenommen wurdest?


Das war mein großes Rundum-Ziel: Ich wollte Kunst machen, mit Kunst arbeiten – an der Basis, mit den Menschen – und nicht nur diskutieren und philosophieren.


Auch zu Deiner Studi-Zeit herrschte in Münster Wohnungsnot. Wo hast Du zunächst gewohnt? 


In einer katholischen Opus-Dei-Einrichtung in Münster. Das war ein bisschen wie in einem Mönchsorden. Dabei war ich ein Vorzeige-Protestant.


Und wie kamst Du dann an das Zimmer? 


Ich hatte mich nett mit einem älteren Herrn über Hegel unterhalten. Das war zufällig der Leiter der philosophischen Fakultät, einer der Brüder des Opus Dei.


Wie lange hast Du es bei den Erzkatholiken ausgehalten? 


Ein halbes Jahr.  Während der Zeit dort hatte ich schon immer regelmäßig die Klostermauern verlassen, abends, um tanzen zu gehen.


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Ich bin im Büro immer rumgelaufen wie Bertholt Brecht.

Wohin bist Du geflüchtet? 


Ins Kuhviertel oder zum Hawerkamp.


Welcher Studenten-Typ warst Du?


Typ Künstler. Ich bin immer so im Blaumann herumgelaufen, wie Bertolt Brecht, hatte einen Papagei im Ohr und wollte immer Kneipenmaler werden. Ich war erst links unterwegs, danach rockig in Lederjacke.


1999 hast Du bereits Deine Firma gegründet …  


Am Anfang habe ich aber noch mit Klaus Homeyer in „Flohmeyers Kaufhaus“, einer Trödelhalle an der Friedrich-Ebert-Straße, mit vielen Flohmarkt-Dingen gehandelt. Wir haben da damals schon viele großartige Sachen vor der endgültigen Vernichtung gerettet …


Also den Recycling-Gedanken gepflegt? 


Ja, lange vor dem ganzen Trend.


Wie lief Deine erste Entrümpelung ab?  


Ich fand alles, was ich zum Leben brauchte. Das war eine Offenbarung. Und es spart viele Ressourcen. Auch heute noch organisiere ich Entrümpelungen. Das Tolle ist: Ich muss nie etwas Neues kaufen. Nichts auf dieser Welt brauche ich so dringend, dass es neu produziert werden muss. Es ist alles da.


Du brauchst wirklich nichts kaufen? 


Okay, bei Schuhen bin ich da noch etwas eigen. Aber ansonsten findet man bei den Entrümpelungen wunderbare Dinge, auch jene, die ich mir vielleicht nicht leisten könnte. Allgemein kann ich mit den 

gebrauchten Sachen wählerisch sein und kann mir das Beste auswählen. 


Wie lange habt Ihr „Flohmeyers Kaufhaus“ geführt?   


Acht Jahre. Ganze Studenten-WGs haben sich bei uns günstig eingerichtet und viel Geld gespart – mit Waschmaschinen, Kühlschränken, Lampen oder Hi-Fi-Anlagen. Es ging nicht ums Geldverdienen, sondern darum, dass die Sachen im Fluss bleiben und nicht blind vernichtet werden.


Du hast das Antiquitätengeschäft, die Auktionshalle und „Bares für Rares“. Wie sieht Deine Wochenplanung aus?


Ich schaue abends in meinen Terminkalender im Handy. Der sagt mir, was ich am nächsten Tag zu tun habe. Ich glaube, dass ich das eine Nacht vorher im Schlaf gut vorstrukturieren kann. 


Und Du kommst öfters mal zu spät?    

     

Ja, so 15 Minuten – erledige dann aber alles zuverlässig und gewissenhaft.


Wie kamst Du zum ersten Dreh von „Bares für Rares“? 


Viel Zufall war im Spiel. Ich war der Reserve-Händler. Drei Händler hatten sie schon – ich war Nummer vier, der Backup-Experte. TV-Händler wurde ich erst ein paar Monate später, 2014.


Wurdest Du dann nochmal gefragt? 


Ja, ob ich vom Backup zum TV-Händler „aufsteigen“ wollte. Mein Bruder, der in der Medienbranche ist, sagte zu mir: „Machen! Machen!“ 


Wie ist es bei „Bares für Rares“ an der Händler-Theke zu stehen?


Wir sind da moderne Gladiatoren – aber auch einfach nette Nachbarn. Man merkt richtig, wenn die Stimmung kippt.


Inwiefern?


Erst ist Friede, Freude, Eierkuchen. Alle sind gut gelaunt und dann kommt ein Exponat, das alle haben wollen. Dann wird die Luft auch mal dicker. Dann geht es manchmal auch richtig zur Sache. Psychologen haben mal gesagt, das ist körperlicher Schmerz, wenn man eine Rechnung bezahlen muss. Und am Ende muss man als Händler 2500 Euro bezahlen, und wenn der Kollege neben einem am Pult nicht gewesen wäre, hätte man das Exponat günstiger bekommen. Aber schnell ist nach manchem Fall unter uns Händlern alles wieder verziehen. 


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Ich bin sowohl der nette Nachbar, wie auch der moderne Gladiator.

Als Zuschauer denkt man, Ihr Händler macht Euch einen Spaß mit dem Hochbieten … 


Das ist unser Geld. Dass es so leicht aussieht, liegt daran, dass wir auch ein bisschen entertainen wollen – und dürfen. 


Was ist für Dich das Tolle an „Bares für Rares“? 


Dass es keine reine Antiquitätenshow ist. Wir sprechen alle Generationen an. Es ist eine der wenigen Sendungen, wo Leute ins Gespräch miteinander kommen, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Ich denke, das tut der Gesellschaft gut – miteinander zu reden, zu handeln.


Hand aufs Herz, was zeichnet einen erfolgreichen Verkäufer aus? 


Jemand, der von Anfang an alles erklärt, die Fakten auf den Tisch haut und sagt: „So ist die Expertise“ – der ist kein erfolgreicher Verkäufer.


Sondern?  


Ein erfolgreicher Verkäufer ist der, der die Fantasie zulässt. Wir hatten mal einen, der sagte: „Ich habe was Einzigartiges, weiß nix darüber, habe es auch nirgendwo ein zweites Mal gesehen und war so fasziniert, dass ich es teuer gekauft habe.“


Um welches Exponat ging es? 


Das war eine Bronzefigur von einem Grabmal eines Admirals. Im Louvre steht das Original in Marmor. Der Verkäufer hat meine Begeisterung so geschickt aus mir herausgekitzelt, dass ich dachte, es sei ein Unikat. Später stellte sich heraus, dass es eine Renaissance-Kopie war, die ich zufällig nicht kannte. Ich habe das falsch eingeschätzt. Es hat mich 4000 Euro gekostet. Hätte ich damals das Wissen gehabt, hätte ich wahrscheinlich nur 1000 Euro geboten.


Mit welchen Händlern „kämpfst“ Du am häufigsten? 


Mit Fabian und Julian habe ich so meine Battles. Ich freue mich auch, wenn ich Susanne ein Schmuckstück abjagen kann. Wenn etwas begehrenswert ist und alle Leute an der Händlertheke brennen – das überträgt sich auch auf den TV-Zuschauer!


Für mich als TV-Zuschauer ist das so, wie das Elfmeterschießen beim Fußball …     

         

Gut formuliert. Das ist der absolute Spannungsbogen. Ich feiere das.


Wann steigt Dein Adrenalin?


Wenn ich durch akribisch-detektivische Nachforschungen die Geschichte eines Objekts herausfinde. Wir fanden mal bei einer älteren Dame eine Dose vom Opa. Die Familie wollte 200 Euro.


Doch es kam anders … 


Richtig. Ich habe herausgefunden, dass die Dose aus der chinesischen Ming-Dynastie stammen musste. 60.000 Euro erhielt die völlig glücklich-perplexe Familie! Aber wie nun der Opa an die Dose gekommen ist, bleibt sein Geheimnis. Das Ganze war megaspannend. Für mich ist es auch ein Glücksgefühl, das mir zeigt: ich mache den richtigen Job. Wichtig ist mir, Peter, dass sich auch die Verkäufer wohlfühlen. Es soll immer ein Glücksgefühl sein.


Daniel Meyer

Daniel Meyer, geboren am 31. Mai 1973 in Augsburg, lebt und arbeitet seit seinem Studium in Münster. Er studierte Germanistik, Philosophie, Politologie und Kunstgeschichte und schloss sein Studium mit einem Magister in Kunstgeschichte ab. Zudem absolvierte er ein Studium der Freien Kunst an der Kunstakademie.
Er handelt mit Gemälden, Silber, Schmuck, hochwertigen Einzelstücken und klassischen Antiquitäten. Sein Antiquitätengeschäft befindet sich in der Hörsterstraße 20, seine Auktionshalle in der Otto-Hahn-Straße 15, wo er jährlich vier Kunstauktionen organisiert. Daniel Meyer lebt mit seiner Frau und zwei Söhnen in Laer.

www.auktionenmeyer.de

Illustration Thorsten Kambach / Fotos Peter Sauer

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