Orang-Utan-Schutz auch von NRW aus möglich
AFFENSTARKES ENGAGEMENT
Schon als Kind hat mich ein riesiger Artikel über die Arbeit des niederländischen Tierschützers Dr. Willie Smits für und mit Orang-Utans auf Borneo begeistert – und tut es bis heute. Borneo ist die drittgrößte Insel der Welt und dennoch für die meisten ein recht unbekanntes Gebiet. Wie es dort nun zwanzig Jahre später um die sympathischen Menschenaffen, den Umweltschutz im Regenwald und die Organisation selbst steht, von der es seit einigen Jahren auch den deutschen Ableger gibt, erfahre ich von Daniel Merdes, dem Geschäftsführer von BOS Deutschland. Von Chiara Kucharski
In welcher Hinsicht hast Du gerade viel mit dem Allwetterzoo zu tun?
Mit der Zoo-Direktorin habe ich gerade viel zu tun, Doktor Schehka. Sie spielt gerade so ein bisschen Mediator, weil wir eine Unterschriftenaktion gegen den Zoo Basel gemacht haben.
Was ist dort passiert?
Weil es angeblich keine Alternative gab, wurde ein Orang-Utan-Baby eingeschläfert, nachdem die Mutter gestorben ist. Das hat uns entsprechend getriggert, weil es unsere Arbeit infrage stellt, denn nichts anderes machen wir. Man sollte nicht den ganzen Tag über Artenschutz reden, wenn man keine Ahnung hat.
Gerade Artenschutz ist doch das Hauptargument für Zoos.
Wir waren immer sehr ambivalent Zoos gegenüber. Wir haben Zoo-Gänger, wie ich früher einer war, wir haben Zoo-Gegner im Verein. Aber immer mit einem kritischen Blick. Doch das konnten wir so nicht stehen lassen und haben die Unterschriftensammlung gestartet. Plötzlich haben wir die komplette Zoolandschaft gegen uns, auch die, die uns teilweise vorher unterstützt haben.
Das ist heftig.
Da denken wir: „Stopp mal, ihr müsst auch unter Euch kritisch sein. Wir sind nicht per se gegen Zoos, wir kritisieren etwas in diesem konkreten Fall.“ Was wir da gerade auch für Widerstände erfahren, so sehe ich das ganze Thema sehr kritisch. Die positive Ausnahme ist gerade die Direktorin vom Zoo Münster, die ist super, eine Tierliebhaberin.
Ihr würdet also nicht nur im Regenwald, sondern auch hier vor Ort einspringen und Euch um Orang-Utan-Babys in den deutschen Zoos kümmern?
Das war das Angebot, das weiß der Zoo-Verband auch. Das Angebot stand schon vorher im Raum. Wir würden das Baby mit unseren Mitteln aufziehen, mit einer „Babysitterin“ aus Indonesien, idealerweise. In dem Falle würden wir es in die Rescue Station bringen und dort versuchen, es am Leben zu erhalten. Da sind die Experten, die können es besser als jeder andere.
Das klingt nach einer ordentlichen Alternative.
Die Zoos reden immer von Artenschutz. Man stelle sich mal vor, das Baby würde überleben, es würde dank dieser Orang-Utan-Channel-School alles beigebracht bekommen, dass es irgendwann mal auswilderungsfähig ist. Es wird ausgewildert und ist Teil einer neuen Population. Allein was für einen Medienwert das für alle Zoos der Welt hätte. Das würde doch in die Milliarden gehen, denn alle reden von Artenschutz und das wäre doch mal ein Beispiel davon.
Es wäre sogar aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll?
Voll. Warum die sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, weiß ich nicht. Das andere Angebot, das ich jetzt auch schon seit fünf Jahren wie sauer Bier versuche zu verkaufen, (denn ich bin kein Orang-Utan-Experte, das sind unsere Leute in den Rescue Stations, die jeden Tag mit denen arbeiten, und es sind meistens die Babysitterinnen oder die Tierärzt*innen), dass die in ein Austauschprogramm treten.
Wie sieht das Programm aus?
Wir haben das mit amerikanischen Zoos schon gemacht und in Indonesien: Beispielsweise gehen zwei Leute aus Münster für zwei Monate in die Rettungsstation nach Indonesien und dann umgekehrt. Dann entsteht der Austausch von Expertisen, aber auch Freundschaften etc. Für den Wissensaustausch braucht es kein „Berlin“ oder keinen „Zoo-Verband“, dann wäre das Einschläfern auch nicht passiert, denke ich mal.
Aber?
So einen Orang-Utan zu betreuen ist eine wirkliche Super-Power, da lernst Du was über die Jahre. Die Zoos müssten es halt finanzieren. Dafür ist aber plötzlich kein Geld da. Das ist wirklich jämmerlich und mir geht langsam ein bisschen die Geduld ab. In Dresden haben die jetzt ein Zoogebäude für, ich glaube, es waren zehn Millionen Euro gebaut. So, und wir haben eine Spende von fünftausend bekommen. Das ist so die Relation.
Es gibt Organisationen, die riegeln beim Thema „Zoo“ sofort ab. Da trefft Ihr eher Abwägungen, anstatt etwas zu „verteufeln“.
Ja. Mittlerweile arbeiten wir auch mit Influencern zusammen. Im Dezember war ich mit dem Jonas Ems auf Borneo, einer der größten Influencer in Deutschland. Das sind alles krasse Zoo-Gegner. Das ist so ein Thema, dass ich mit ihm gar nicht anfange, das ist alles so klar. Die nächste Generation ist eher gegen Zoos eingestellt. Wie bei der Ernährung, ist man da ziemlich deutlich.
Wie findest Du das?
Ich bin ambivalenter. Ich leiste mir diese Ambivalenz, kostet halt auch mehr Kraft, so im Graubereich zu arbeiten, aber ich glaube, die Zoos wissen nicht, was da auf sie zukommt. Gerade an Widerständen und wenn keiner mehr in die Zoos geht, war es das dann auch.
Zu einem anderen ambivalenten Thema: Auch die Palmöl-Thematik zeigt divergierende Interessen zwischen der Bevölkerung vor Ort und der Umwelt.
Das Hauptziel muss immer sein, dass keine Waldrodung mehr stattfindet. Dafür machen wir alles, da gehen wir auch Kompromisse ein, aber es darf einfach kein Wald mehr gerodet werden.
Wie können solche Lösungen aussehen?
Man kann Palmöl in halben Wäldern – Agroforests heißt das – auch mit fairen Löhnen und biologisch anbauen. Theoretisch können da Wildtiere drumherum oder in diesen agroformen Plantagen leben. In Afrika gibt es schon tolle Konzepte, soweit sind wir noch nicht, aber wir plädieren dafür.
Die Zoos reden immer von Artenschutz
Was sind auf Borneo aktuell die Hauptprobleme?
Das Hauptproblem sind nicht die Gesetze, die bestehen. Das wissen viele nicht. Der illegale Wildtierhandel ist die größte Bedrohung. Es werden Affen-Babys für fünfzig Dollar verkauft und landen für das Hundertfache in Saudi-Arabien, Kuwait oder wo auch immer. Wenn es um Waldverlust geht, ist es die illegale Rodung in den verarmten Bevölkerungsteilen. In den abgelegenen Gegenden wird es mehr oder weniger von der Polizei toleriert, weil sie wissen, die haben sonst nichts zum Essen.
Plakativ gesagt, bringt es doch nichts, den Affen zu helfen und den Menschen geht es schlecht, andersherum natürlich ebenso wenig.
Genau aus dem Grund haben wir Projekte mit dem BMZ. Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, da kriegen wir öffentliche Fördermittel und starten dort in den Dörfern Projekte für alternative Ernährungsprogramme und legen Fischteiche an, bringen die Rattanproduktion in Schwung. Rattan sind die Pflanzen im Wald, aus denen man Gefäße machen und sie verkaufen kann. So hat die Bevölkerung vor Ort andere Einnahmequellen.
Ja.
Wir brauchen also Alternativen für die Bevölkerung mit fairem Einkommen. Das geht nur zusammen mit der indonesischen Regierung, die Lohnalternativen schaffen und idealerweise im gleichen Schritt aber auch die hohen Strafen oder Gefängnis, wenn dagegen verstoßen wird, vollziehen. Beim Orang-Utan-Schutz hat sich das bewährt, muss man sagen: Niemand tötet mehr einfach so einen Orang-Utan, denn da gibt es jetzt schwere Strafen für. Das hat sich jetzt bis in das letzte Dorf gesprochen und passiert nicht mehr.
Gibt es da gesetzliche Unterschiede, weil Borneo auf mehrere Länder verteilt ist?
Die Gesetze gibt es auch in Malaysia. Dort ist die Regierung oft ein bisschen progressiver mit ihren Zielen, habe ich den Eindruck. Die wollen 70 % ihrer Landfläche in Waldgebieten halten bzw. in Waldgebiete zurückführen. Das ist spektakulär. Verglichen mit Deutschland war das Ziel 2 % und es wird einfach nicht geschafft.
Was macht da den Orang-Utan so besonders für Eure NGO-Arbeit?
Der Orang-Utan ist eines der besten Beispiele, um Arten- und Naturschutz zu betreiben, weil sie uns Menschen so ähnlich sind. Für den WWF wäre es prima, wenn sie sowas wie den Orang-Utan auch im Amazonas hätten, um ihn besser schützen zu können. Denn 99,9 % der Menschen ist es egal, wenn irgendeine hässliche Kröte stirbt, auch wenn sie absolut ihre Berechtigung hat. An so einer süßen Spezies wie den Orang-Utans kann man es nur viel besser festmachen.
Es gibt auch einige Regionalzentren bei uns in NRW. Wie kann man sich die Arbeit vorstellen?
Das ist viel Fundraising und Kampagnenarbeit. Wir erinnern an die Möglichkeiten, einen Orang-Utan zu adoptieren, in Form der Patenschaft. So etwas wird gerne verschenkt. Da müssen wir uns nichts vormachen, Gelder organisieren ist schon unsere Hauptaufgabe. Ohne das können wir in Indonesien nicht weitermachen und alles bliebe nur frommer Wunsch.
Versucht Ihr auch hierzulande politischen Einfluss zu nehmen?
Wo es nur geht, das sei bei Palmöl, bei illegalem Wildtierhandel oder eben bei Fehlern, die Zoos machen. Außerdem bin ich in einem Gremium im Bundestag. Da werden wir eingeladen und unsere Meinung wird angehört. In Borneo selbst kann man ab und an Tipps geben, aber die Indonesier wollen es auch selbst machen. Das ist ja ihr Land, um das sie sich selbst kümmern wollen. Man stelle sich vor, hier kämen lauter Japaner, um uns den Wolfsschutz zu erklären, das wäre auch etwas skurril.
Wolf und Orang-Utan weisen gute Parallelen auf.
Der Wolf bei uns ist ja nicht nur beliebt, ganz im Gegenteil. So ist es mit dem Orang-Utan in Indonesien auch. Der ist gefürchtet, macht auf Plantagen ziemlich viel kaputt und zerstört alles. Genauso kann sich ein Japaner Wolfs-Dokus angucken und fasziniert sein, weiß aber nicht, dass hier die Bauern alle sauer sind, zumindest viele.
Was sind Eure Ziele für die Zukunft?
Irgendwann will ich mal dahin kommen und es wird dahin kommen, denn Indonesien hat ein Wirtschaftswachstum von sechs Prozent (wir haben ein halbes Prozent), dass die irgendwann auch so wohlhabend sind, dass sie das Ganze selbst machen können. Dann ist es geschafft, dann haben wir Pionierarbeit geleistet und können uns auflösen. Auch super.
Welchen Themen würdest Du Dich dann widmen?
Also, Waldschutz ist schon so ein Thema. Wir kombinieren ja den Schutz der bedrohten Arten, auch um die Wälder zu schützen. Ich glaube, wenn die Menschheit noch eine Überlebenschance haben möchte, dann müssen wir großräumig unsere Wälder schützen. Dafür würde ich wirklich meine letzte Kraft geben. Die Wälder können ohne Menschen leben, aber andersrum nicht.
Es gibt verschiedene Gesetze in Malaysia
Bist Du zuversichtlich?
Ich bin leicht hoffnungsfroh. Der Wolf ist ohne Schutz zurückgekommen oder die Luchse. Teilweise die Elche oder Bären. Man stelle sich vor, das passiert irgendwann mal in Asien, plötzlich, ohne Zutun von der
NGO. Dass plötzlich so eine Population wieder steigt, weil die Gesellschaften schon so weit sind, dass sie nicht mehr gejagt werden. Dass Wälder sich wieder erholen können, das ist so das Ziel, ja.
Wie würdest Du die Entwicklungsarbeit in den letzten 20 Jahren beschreiben? Du sagst, die Gesetze sind da, es hat sich viel gemacht. Kannst Du trotz Umwelt-Prognosen ein positives Resümee ziehen?
Die Korruption ist immer noch da. Doch ich bin auch da vorsichtig hoffnungsfroh. Da ist aber der Klimawandel noch nicht eingepreist. Südborneo hat schlechte Perspektiven, da wird es in Zukunft einfach zu heiß sein. Wenn überhaupt Perspektiven sind, dann in Zentralborneo, dort, wo wir auswildern. Darüber wird noch ganz wenig berichtet. Es ist katastrophal.
Darauf bereitet Ihr Euch schon vor, indem Ihr weiter oben ansiedelt.
Genau, mehr gibt es fast nicht mehr. Im Süden gibt es noch den Nationalpark Sepangau. Da ist es momentan unbetreut, weil der WWF da rausgeflogen ist. Dort lebt noch die größte Population von allen und das ist die große Angst, dass das Leben dort nicht mehr möglich wird, weil es einfach zu heiß wird. Wir reden schon seit Jahren mit anderen Organisationen, da ist unser großer Traum: Denn es gibt da einen großen Korridor vom Süden ins Zentralgebiet, das ist, wo ich noch drauf hinarbeiten möchte.
Da wünsche ich Dir von Herzen weiterhin viel Erfolg bei Deiner Arbeit.
Daniel Merdes
Er ist Geschäftsführer von BOS Deutschland e.V. Dabei steht BOS für Borneo Orang-Utan Survival. Seit seiner Geburt in Thailand ist er als junger Mann immer wieder mit Rucksack zurück nach Südostasien, u.a. nach Sumatra gereist. Schon damals hat er in Rescue Stations mitgeholfen, schließlich aber Politik studiert und sich anderem gewidmet. Mittlerweile verbindet er seit neun Jahren die politische Arbeit mit breiter Öffentlichkeitsarbeit bei BOS in Berlin.
lllustration Thorsten Kambach / Fotos Bjorn Vaughn und Bosfsam