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2022-11-07 Stadtgeflüster Illustration Ekki kurz.tif

Chiara Kucharski hat mit dem Power-Trio vom Puls, Ben Kovacs, Daniel Rösch und Paul Wiesmann gesprochen

DER FRÜHE VOGEL GEHT JETZT TANZEN

Es gibt nun wirklich nichts mehr, was es nicht gibt. Gut gelaunt in den Tag zu feiern und dann voller Energie ins Büro zu düsen, das kommt ursprünglich aus New York und Utrecht. Gerade startet der Trend auch in Berlin, Köln und ganz neu in Münster. Die drei schmeißen seit April die neue Wake-Up-Veranstaltungsreihe, zusammen mit Antenne Münster. Von sechs bis neun Uhr morgens wird das DJ-Mischpult angeschmissen, werden Tanzfläche und Frühstücks-Buffett eröffnet. Raus aus den Federn, ihr Party Folks, Business-People und Studis. Jetzt wird getanzt bis der Schreibtisch ruft.

International ein Kracher, doch in vielen deutschen Städten gibt es sie noch nicht. Jetzt bringt ihr die Wake-Up-Partys in Münster an den Start, wie kommt es dazu? 



Wir hatten das Konzept auf dem Schirm. Besonders in Utrecht platzen sehr viele Partys dieser Art aus allen Nähten. Seit etwa zwei Jahren gucken wir auch links und rechts vom Clubbing und wie man die Räumlichkeiten hier noch gut nutzen kann. Dann kam zeitgleich, auch über Pauls Connection, Antenne Münster auf uns zu und wir haben alle unsere Ideen in den Raum geworfen, bis das Ganze ziemlich gut gematcht hat. Nun ist ein schönes Konzept entstanden, wie ich finde. 




Wie darf ich mir das vorstellen?



Einmal im Monat starten wir mittwochs von sechs bis neun Uhr morgens mit Musik in den Tag. Der Mittwoch ist als Bergfest für die Woche gewählt und kann auch gut in den Büro-Alltag integriert werden.  

Ganz schön früh. 


Welche Leute kommen da so?



Hauptsächlich die, denen Partys nachts nicht so in den Lebensalltag passen. Leute, die Kinder haben und nicht unbedingt nach Mitternacht in den Club gehen. Die, die Lust auf Partyfeeling haben, aber es in ihrer Wochenendplanung nicht gut unterbekommen können oder wollen. Es richtet sich auch an Firmen, die sich vernetzen wollen. Das Ganze geht an „Büro-People“, Studenten und alle, die Bock haben, ihren Tag gut zu starten.




Wie viele erwartet ihr etwa? 



300-400 Leute werden es schon. Wir haben nach den ersten zwei Tagen allein fünfzig Tickets für die erste Veranstaltung verkauft. Man merkt, dass dieses Konzept gerade den Zeitgeist trifft. In anderen Ländern passiert das sogar schon seit einiger Zeit. 




Ihr seid trotzdem früh dran. In Hamburg, Düsseldorf und Co. konnte man dazu noch nichts finden. Berlin und Köln sind gerade erst dabei, also Chapeau. 



Letztes Jahr stand in der New York Times, dass sie dort gerade angefangen haben. In München gibt es einen Club, der macht aktuell nur noch Partys dieser Art, viermal die Woche. Für uns ist es ein Experiment, aber mit „Antenne“ als starkem Mediapartner. Bis jetzt sind die Rückmeldungen grandios, mal schauen, was passiert. 




Verändert sich das Partyleben aktuell?


Wir haben den Club vor viereinhalb Jahren, mitten in der Pandemie, gegründet. Wir hatten dementsprechend mit vielen Stellschrauben zu kämpfen und haben den kompletten Wandel seitdem mitbekommen. Gerade gibt es aus Mannheim eine Studie zu denen, die in der Pandemie aufgewachsen sind und sozial anders geprägt wurden. Die gehen jetzt anders aus. 




Was hat sich getan? 



Die wollen nicht in den Club, in dem es eng ist und viele Menschen sind, die sie nicht kennen. Das war für uns früher völlig normal, sogar ein Grund, warum wir rausgegangen sind. Wir wollten fremde Menschen treffen und am liebsten viele auf einem Fleck sehen. Das hat sich komplett geändert. Da muss man als Betreiber einer Eventlocation mit großem Clubbing-Anteil hinschauen, was wir anbieten. Die After-Work-Events sind früher jeden Donnerstag explodiert, der Bedarf ist jetzt einfach nicht mehr da. 


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Das Puls ist da immer komplett offen.

Wie erklärt ihr euch dieses Ausmaß?



Die Lebensgewohnheiten haben sich geändert, besonders bei den jungen Gästen. Wir haben kürzlich von einer großen Münsteraner Firma eine Anfrage bekommen. Da sind viele immer noch pausenlos im Homeoffice oder maximal einen Tag pro Woche im Büro. 




Also fragt der Arbeitgeber bei euch an, damit sich alle auch mal persönlich treffen?



Ja, für Events vor allem. Firmenveranstaltungen sind mittlerweile unser Hauptgeschäft. 




Die Wake-Up- Partys sind aber offen für alle? 



Die sind komplett offen. Aber die Firmen haben natürlich auch einen Mehrwert, wenn die Mitarbeiter ein paar Stündchen früher aufstehen und gut in den Tag reinkommen. 




Mein erster Gedanke war das genaue Gegenteil: Erst das Vergnügen, dann die Arbeit? Was ist denn das für eine Einstellung? 



Wie motiviert bist Du, wenn du direkt ins Büro gehst? Startest Du direkt durch? Aber wie motiviert startest Du um acht oder neun Uhr in deinen Arbeitstag, wenn Du schon ein bisschen Musik gehört hast, dich bewegt hast, Kaffee hattest? Es geht nicht darum, Alkohol zu trinken oder sich komplett auszupowern. 




Ja, klar. 



Für uns ist es auch neu und wir haben keine Erfahrungswerte, zu denen wir berichten können. In anderen Städten gibt der Erfolg dem Konzept recht. Wir freuen uns hier in Münster „First Mover“ zu sein, mit Antenne Münster.




Welche Musik erwartet die Gäste? 



Das geht in Richtung House Music. Gute-Laune-Aufwach-Musik zum Sonnenaufgang. Da verlassen wir uns auf DJ-Expertise.




Was bietet ihr drumherum an, wenn es nichts „mit Schuss“ gibt?



Kaffee ohne Schuss (lacht). Falls jemand doch mit einem Gläschen Sekt zum Frühstück in den Tag starten will oder einem Aperol, verbieten wir das natürlich nicht, das sind alles erwachsene Menschen. Aber das Angebot wird schon in Richtung Heißgetränke und Säfte gehen, es wird auch Frühstücks-Items geben. Wir orientieren uns da an den Gästen. Wenn den Leuten nach Smoothies ist, dann werden wir die anbieten. 




Ein spannendes neues Konzept. 



Das reine Clubbing zu einem bestimmten Genre und das war es dann, das gehört der Vergangenheit an. Die schwindenden Besucherzahlen in Clubs weltweit zeigen das. Es muss einen besonderen Event-Charakter haben. Alles ist bei uns sehr themenbasiert geworden. Ob es die Taylor-Swift-Party ist, die K-Pop-Party, die Rock-Party. Wir sind sehr „nischig“ geworden. 




Aber offensichtlich breitgefächert. 



Sehr. Es gibt Malkurse zu Techno-Musik. Es gibt zwei Monate lang Body-Spinning-Kurse, Hip-Hop, Piano, alles dabei. Das war eine bewusste Entscheidung vor zwei Jahren, nachdem wir vorher das genaue Gegenteil gemacht haben. Da hatten wir ein sehr eng gefächertes musikalisches Angebot. Wir nennen uns mittlerweile auch lieber Eventlocation als Club.




Meint ihr, dass das typische Clubbing gänzlich aussterben wird? 



Komplett aussterben wird es bestimmt nicht. Aber gerade in einer Stadt wie Münster, mit überschaubarem Zielpublikum, glaube ich, dass man als Gastronom oder Clubbetreiber nicht mit einem festgefahrenen Konzept überleben kann. Es sei denn, der Club hat eine sehr überschaubare Größe. In Ballungszentren spielt es keine so große Rolle, weil es genügend Menschen gibt, die dennoch Clubkonzepte wahrnehmen. Der Markt ist dafür zu groß – wir haben vierzehn Clubs in Münster. 


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Ist das viel? Ich habe da keine Ahnung.  



Die sind momentan nicht alle gefüllt, mit einem regelmäßigen Wochenendprogramm. In Holland, wo die Wake-Up-Clubs sehr beliebt sind und die Holländer in vielen Bereichen Vorreiter sind, gibt es kaum noch Clubs. In Amsterdam und in Rotterdam gibt es noch welche. Aber in kleineren Städten existiert das Konstrukt „Club“ gar nicht mehr. Andererseits wird es mit den Haus-Partys immer mehr. 




Im privaten Kreis? 



Genau. Das ist gerade zum Ende von Corona und danach sehr beliebt geworden. Da hast Du die Leute, die Du magst, mit denen Du Dich gern umgibst. Das ist der Trend. In kleinem Rahmen, mit dreißig, vierzig Menschen und dieses Awareness-Ding zu haben. Alle fühlen sich sicher. Man bleibt gern in seinem eigenen Milieu zurzeit. Deswegen funktionieren die nischigen Partys. Da weiß man, man trifft auf Gleichgesinnte. Auch in UK sterben die Clubs massiv weg, aber der Day-Drinking-Markt ist um 800 % gestiegen. 




Der was? 



Day-Drinking. Zum Beispiel Partys, die Sonntagmittags starten, sind sehr beliebt. Das Ausgehverhalten ändert sich schlichtweg. Die Zielgruppe 18-25 Jahre, die immer die Kern-Zielgruppe der Diskotheken war, die geht einfach nicht mehr feiern. 




Aber ihr wart darauf gefasst, als ihr in der Pandemie mit dem Puls gestartet seid? 



Wir hatten den Vertrag hier für eine Diskothek unterschrieben. Zwei Wochen nach der Unterschrift des Pachtvertrages war der erste Corona-Vorfall in Deutschland. 




Auweia. 



Da dachten wir im März noch, das wäre kein Problem. Wir haben den Laden schließlich erst ab September gemietet. In einem halben Jahr wird die Pandemie wohl vorbei sein. 




So viel dazu. Alles Weitere kennen wir nur zu gut. 



Wir haben uns breit aufgestellt und mussten schauen, was kommt. Wir hatten Vorstellungen nach dem Motto: Wenn die Pandemie vorbei ist, gibt es einen großen Knall und alle holen die Feierei nach. Nein! Aber wir sehen uns als Vorreiter von neuen Konzepten, wie auch jetzt bei den Wake-Up-Partys und wollen neu und offen denken. 




Danke euch, für das Gespräch. 


PULS


Benjamin Kovacs, Daniel Rösch und Paul Wiesmann betreiben zusammen das PULS in Münster (ehemals Bananenreiferei am Güterbahnhof). Was im Jahr 2020 als Club begann, ist mittlerweile vielmehr Eventlocation geworden. Seit dem 23. April 2025 startet hier einmal im Monat die neue Reihe der Wake-Up-Partys, in Zusammenarbeit mit Antenne Münster. 



https://www.puls.ms/ 


Illustration Thorsten Kambach / Fotos PULS CLUB

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