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2022-11-07 Stadtgeflüster Illustration Ekki kurz.tif

Tom Feuerstacke und Christian Pander besprechen die Mission Klassenerhalt

KLASSENERHALT MIT ANSAGE – DANACH ZURÜCK AUFS KLEINFELD

Christian Pander ist keiner, der den Fußball benötigt, um sich wichtig zu fühlen. Und trotzdem hat er kürzlich wieder gezeigt, was in ihm steckt. Drei Spiele, zwei Siege, ein Unentschieden – Klassenerhalt. Als Teamchef sprang er für Preußen Münster ein, als es brenzlig wurde. Und plötzlich war da dieser Pander-Effekt: klarer Plan, ehrliche Ansprache, keine Show. 5:0 gegen Magdeburg? Einfach gemacht. Der Mann, der früher mit Flanken wie aus dem Lehrbuch die Bundesliga bespielte, steht heute lieber sonntags um zehn mit Kids auf dem Trainingsplatz als samstags unter Flutlicht an der Seitenlinie. Warum? Weil ihm Zeit wichtiger ist als Titel, Familie wichtiger als Profil. Ein Gespräch über Verantwortung, Reife, Treue zum eigenen Takt – und darüber, warum man für den Fußball brennen kann, ohne sich in ihm zu verbrennen.

Du hast mal in einem Interview gesagt, du hättest dir einen besseren Fitnesszustand der Mannschaft gewünscht. Hat sich danach der Berater von Hildmann gemeldet und gesagt: „Alter, hast du gerade meinen Klienten angezählt?“


Nein, es hat sich tatsächlich niemand gemeldet. Und das war auch in dem Moment, als ich es gesagt habe, gar nicht als Seitenhieb oder Abrechnung gemeint. Das wurde gelegentlich so interpretiert, aber es war einfach die Realität. Und das hat mir aus der Mannschaft auch niemand übel genommen, weil sie sich das selbst auch so gewünscht hätten. Insofern war das völlig in Ordnung. 


Trotzdem war vorher auch öfter mal durch die Blume zu hören, dass es da Handlungsbedarf gab?


Ein paar Spiele haben das gezeigt. Da wurde es hinten raus enger. Klar, das hat auch mit dem Spielverlauf zu tun. Wenn du wenig den Ball hast und viel hinterherläufst, dann wird es ab der 70., 75. Minute einfach dünn. Das ist gar keine Frage. Aber ich konnte auch nur über das berichten, was ich vorgefunden habe. Mehr nicht.


Aber mal ehrlich. Was war passiert, dass auf einmal doch jemand diese Körner hatte? Wie viele richtige Trainingseinheiten hattet ihr überhaupt in den zwei Wochen?


Ich meine, in der ersten Woche waren’s fünf Trainingseinheiten. Aber das holst du nicht über die Anzahl der Einheiten raus. Ich glaube, da geht’s eher um die Motivation, auch die Meter zu machen, die wirklich wehtun. Und das haben wir relativ gut hinbekommen. Magdeburg hat dann sein Übriges dazugetan. Da haben alle gemerkt: Wenn ich diese Meter gehe, wenn ich bereit bin, bis zum Schluss zu beißen, dann bin ich am Ende auch erfolgreich.


Magdeburg war vorbei. 5:0. Hast du dich da mal kurz selbst gezwickt? Das war schon ein Statement nach einem Trainerwechsel. Normal sagt man: Okay, befreit gespielt, vielleicht ein 2:0 oder 2:1. Aber 5:0? Der Trainer von Magdeburg wusste nicht, wie ihm geschieht.


(Lacht) Ja, ich konnte mir in der Tat während des Spiels das Grinsen nicht verkneifen. Natürlich wünscht man sich einen schönen Einstand. Vor allem einen erfolgreichen, gerade in so einer Situation. Aber 5:0 war schon sehr beeindruckend. Was für mich aber fast noch beeindruckender war, war die Art, wie Fußball gespielt und gearbeitet wurde. Wie jeder bereit war, diese Meter zu gehen. Das war für mich fast cooler als die fünf Tore selbst. Es war Balsam auf die Seele. Weil wir gemerkt haben: Der Plan, den wir da ausgeheckt haben, funktioniert. Und das bringt Überzeugung. Für die Mannschaft, für uns alle. Du gibst den Spielern was mit, sie setzen es um, es klappt. Du gewinnst 5:0. Ich glaube, das war auch der Grundstein, warum wir dann direkt danach 2:0 gegen Hertha gewinnen konnten.


Ich kenne dich als sehr organisierten Typen. Dein Handy ist jetzt auch auffällig ruhig, hast du’s aus?


(Lacht) Ja, es ist tatsächlich aus.


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Natürlich wünscht man sich einen schönen Einstand

Du bist ein Typ, der viele Wege gehen könnte. Hat es dich nicht doch etwas gekitzelt, nach dieser Aktion zu sagen: „Vielleicht war’s doch die falsche Entscheidung, in die mentale Arbeit zu gehen statt den klassischen Trainerweg“? Du machst vieles im Fußball, aber du stehst eben nicht wie viele Ex-Profis an der Seitenlinie in Liga eins oder zwei.


Das ist eine Frage, auf die ich ein wenig weiter ausholen muss. Ich habe ziemlich genau vor zehn Jahren, also 2015, aufgehört mit dem Profifußball. Und ich war wirklich gern Fußballer. Ich hatte viel Glück, durfte zehn Jahre bei einem Verein spielen, bei dem ich mich wohlgefühlt habe, und vier weitere Jahre bei einem anderen, wo das genauso war.

Ich konnte meine Karriere selbstbestimmt beenden. Und dann habe ich mich bewusst für einen anderen Weg entschieden. Ich habe damals in meiner aktiven Zeit Erfahrungen gemacht, die mir gezeigt haben, wie viel man verpasst. Ich habe meinen Sohn nicht wirklich aufwachsen sehen. Solche Dinge. Und deshalb war für mich klar: Ich will zu Hause sein. Ich will selbstbestimmt sein. Ich will nicht in diesen Strudel rein, wo du erst mal fünf, sechs, sieben Jahre Trainerlizenzen machst und dich dann hinten in die Schlange stellst. Jedes Jahr kommen 20, 30 neue Fußballlehrer dazu, und die Plätze im Profifußball sind eben begrenzt. Und ehrlich: Ich hatte auch keine echte Motivation, im Geschäft zu bleiben. 

Natürlich kam nach diesen drei Wochen jetzt der Gedanke: „Ach, ist doch ganz cool.“ Aber dann kommt direkt der nächste Gedanke: Es war auch nur deshalb cool, weil es erfolgreich war. Wären wir abgestiegen oder hätte es nicht funktioniert, hätte ich mir diese Frage gar nicht gestellt. Also ja, man denkt kurz mal darüber nach. Aber das liegt nur am Erfolg. Und ich glaube, ich habe da genug Weitblick, um zu wissen: In einer Trainerkarriere kommt immer der Moment, wo Schluss ist. Für mich war Münster immer mein Lebensmittelpunkt. Das sollte so bleiben. Ich habe keine Ambitionen, meine Koffer zu packen und durch die Republik zu tingeln. Ich will nicht heute nach Süddeutschland, nächstes Jahr nach Norddeutschland. Meine Familie ist mir wichtiger als der Erfolg. Ich habe mich damals ganz bewusst für Zeit entschieden. Und gegen Geld.


Man kennt dich als Familienmensch. Deine Frau ist selbst Sportlerin und Polizistin. Ihr habt mehrere Kinder. Klingt nach einem ziemlich durchgetakteten Alltag. Wie war denn der Moment, als du zu Hause verkündet hast: „Ich bin jetzt mal eben Cheftrainer bei den Profis“?


Das war tatsächlich ziemlich lustig. Ich habe meine Frau morgens angerufen, während sie gerade auf der Arbeit war. Eigentlich war der Tag komplett durchgeplant. Ich sollte die Kinder aus der Kita holen, auf unsere Große warten, die aus der Schule kommt, all so etwas. Ich habe nur gesagt: „Setz dich ins Auto und fahr nach Hause, du musst dich heute um alles kümmern.“ Sie dachte erst, es sei etwas passiert. Ich habe nur gesagt: „Nee, alles gut. Ich muss hier gerade aushelfen. Den Rest erkläre ich dir heute Abend.“ Und das war’s auch schon. Die nächsten drei Wochen werden etwas anstrengend, habe ich noch gesagt.


Und wie war’s abends dann zu Hause?


Ich bin abends erst gegen halb elf nach Hause gekommen und musste nichts mehr erzählen. Die Geschichte stand da schon überall. Meine Tochter hat morgens zu mir gesagt: „Papa, in der Schule haben die gesagt, du bist jetzt Preußen-Trainer.“ Weil ich sie abends gar nicht mehr gesehen hatte. Aber meine Frau war vollkommen entspannt. Ich bin der Organisierte bei uns, sie ist die Spontane. Insofern war das für sie okay.


Aber ihr habt das direkt als temporäre Geschichte besprochen, oder?


Ja. Für mich war sofort klar: Das ist wirklich nur diese Phase. Danach bringe ich die Kinder wieder zur Kita. Und sie fährt wieder zur Arbeit. Ich habe meine Rolle im Verein, im Beirat. Das mache ich super gern, auch wenn es Zeit kostet, weil ich dafür wirklich brenne. Aber als Angestellter in einem Fußballverein – egal ob Trainer, Sportdirektor oder Hausmeister – da habe ich keine Ambitionen. Ehrlich nicht.


Du kennst das Geschäft: Gewinnen macht dich zum Helden, Verlieren zum Sündenbock. Hattest du Sorge, dass das auch deine Familie trifft?


Klar, das Risiko gibt’s immer. Aber ehrlich: Ich habe darüber nicht lange nachgedacht. Einfach, weil ich fest davon überzeugt war, dass wir es schaffen.


Woher kam diese Überzeugung?


Zum einen sitze ich seit Längerem im Sportausschuss und war schon vor der Saison nah dran an den Neuzugängen. Ich hatte die Fantasie, dass die Jungs uns helfen können.

Zum anderen haben wir im Trainerteam eine starke Mischung: Kieran ist für mich ein überragender Coach, Sören kenne ich aus dem Ausschuss. Auch top, und Jannis bringt jahrelange DFB-Erfahrung mit. Dazu kam: Die Mannschaft war nie meilenweit weg von den Gegnern. Es fehlten nur Nuancen. Also habe ich montags vor Magdeburg allen geschrieben: „Wir schaffen das!“. 


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Wir haben einen Ballermann-Hit in Dauerschleife... nicht jugendfrei

Trotzdem: Hättet ihr in Magdeburg verloren – und danach wieder, wäre die Mission fast schon gescheitert. Hast du das ausgeblendet?


Ja. Kein Raum für Zweifel. Das war mein Ansatz. Dass es dann gleich ein 5:0 wird, war natürlich eine Überraschung, aber den Klassenerhalt hatte ich fest im Kopf, egal ob direkt oder über die Relegation.


Wie sah die Heimfahrt nach dem 5:0 aus? Alkoholfreies Weizen oder doch etwas Härteres?


(Lacht) Wir hatten einen Ballermann-Hit in Dauerschleife. Nicht jugendfrei, den Titel verrate ich lieber nicht. Wir Trainer haben am Rasthof sogar den Einstand gegeben: „Greift zu, geht auf unsere Rechnung.“ 

Super Stimmung, aber allen war klar: Das waren nur drei Punkte. Nächste Woche wartet Hertha.


Was war das Erste, was du nach dem Abpfiff gemacht hast, als der Klassenerhalt feststand? Auf die Uhr geschaut, nach deiner Frau gesucht?


Meine Frau war gar nicht im Stadion, die war zu Hause. Das Erste war: Feiern auf dem Platz. Alles war ein wenig wie im Film. Ich habe mich aber offen gesagt auch ein wenig geärgert, dass wir nicht gewonnen haben. Mit einem Sieg wären wir noch vor Schalke gewesen und hätten eine bessere Ausgangslage für den DFB-Pokal gehabt.


Du hast vorhin gesagt, es ist ein schönes Gefühl, erfolgreich zu sein. Da könnte man doch glatt auf den Gedanken kommen, mehr daraus zu machen. Juckt es dich da nicht, zu sagen: Ich bleibe im Profibereich?


Nee, ehrlich nicht. Ich fühle mich mit den Kids wohl. Und ich habe für mich wirklich ausgeschlossen, Teil des Profibetriebs zu werden. Nicht, weil ich’s nicht könnte. Es gab viele Anfragen in den vergangenen zehn Jahren. Aber ich kenne mich einfach zu gut.


Inwiefern?


Ich bin ein 100-Prozent-Typ. Wenn ich etwas zusage, dann bin ich voll drin. Wenn dann jemand sagt: „Reicht, wenn du einmal die Woche da bist“, reicht mir das nicht. Das ist nicht meine Art. Genau wie nach dem Ulm-Spiel. Mein zweiter Gedanke nach „geil“ war: „Mist, wir haben nicht gewonnen.“ Das ist keine Arroganz, das bin einfach ich. Ich kann das nicht abschalten.


Aber mal ganz ehrlich. Wenn man dir so zuhört: Du entwickelst Kinder im Fördertraining, du hast bei Preußen mit einer Mannschaft gearbeitet, der keiner die Klasse zugetraut hat. Da liegt doch die Idee nahe, genau das weiterzumachen. Fördern, verbessern, entwickeln. Macht das nicht auch Bock?


Klar, macht das Spaß. Und genau deshalb liebe ich mein Fördertraining. Einmal die Woche. In sieben Jahren war ich zweimal abwesend. Einmal mit Fieber, einmal, weil meine Mutter ihren runden Geburtstag in Österreich gefeiert hat. Das ist mein Maßstab. Das ist mein Weg. Und da fühle ich mich richtig wohl.


Also lieber Sonntagmorgen 10 Uhr Kleingruppe als Samstagabend Flutlichtspiel?


Ganz genau. Sonntagmorgen, 10 Uhr auf dem Platz mit Kids, die brennen. Das ist mein Ding.


Christian Pander

Der 1983 in Münster geborene ehemalige Fußballprofi ist dem Ballsport treu geblieben. Er ist Mentaltrainer und fördert als Individualtrainer junge Fußballer. Und ganz nebenbei hat er mit unseren Preußen in höchster Not die Klasse gehalten.

Illustration Thorsten Kambach / Fotos Tim Rehbein

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