
Ein Gespräch zwischen Chiara Kucharski und Prof. Dr. Andreas Koenen über Münster, Mut und Zukunft
RECHTSBERATUNG PER „PROMPT“ – VORREITER MIT BAURECHT
Münster ist nicht gerade das Silicon Valley. Auch wenn es durchaus Pioniere in dieser Stadt gibt, wird es ihnen nicht immer gerade leicht gemacht. Seit Kurzem gibt es den Sovereign-Store mitten in Münsters Innenstadt. Diesen Namen kann man mit Vielem assoziieren: Souverän, Selbstverantwortung, Unabhängigkeit, man könnte gerade so weitermachen. Doch was hinter dem zukunftsorientierten Projekt steckt, hat Chiara Kucharski von dem Sovereign-Gründer und Anwalt für Bau- und Immobilienrecht, Prof. Dr. Andreas Koenen, bei ihrem Besuch in seinem auch architektonisch durchdachten Store, wissen wollen.
Herr Prof. Koenen, wie geht es Ihnen nach dem Launch Ihres Stores?
Ich bin sehr erleichtert. Wir hätten nicht gedacht, dass das in der Kürze der Zeit überhaupt möglich ist. Das Ganze war im Juli noch Rohbau. Als ich vor einem Jahr mit einem ehemaligen Mandanten am Telefon über die Idee sprach, einen barrierefreien Zugang für Recht zu schaffen, war der sofort begeistert und hat noch während seines anschließenden Fluges nach Südafrika ein Konzept erstellt, wie man es umsetzen könnte. Das hat mir gezeigt, dass da Bedarf ist und mich ermutigt.
Jetzt sehe ich eine Mischung aus historischer Architektur und Moderne.
Dieser Raum ist so konzipiert, dass man bei geschlossener Tür rein gar nichts mehr von außen hört. Das ist ein wichtiges Element: Mitten in der Stadt … Ruhe. Man hört also genau, was der andere sagt, man fühlt ihn fast. Wenn ich nicht richtig höre, dann erfahre ich von dem anderen auch nichts.
Auf Anhieb kann man sich noch nicht recht vorstellen, was in diesem Store geschieht. Weil es das woanders so noch nicht gibt?
Zumindest in Deutschland und Europa wäre es mir bekannt, glaube ich, wenn es so wäre. Bezogen auf die gesamte Welt, kann ich das nicht sagen, vorstellen kann ich es mir aber nicht. Denn seit vielen Jahren habe ich schon meine Fühler ausgestreckt, um mitzubekommen, was die Amerikaner und andere Nationen machen, vor allem in Hinblick auf KI.
Womit beschäftigen Sie sich da?
Seit zwei, drei Jahren beschäftige ich mich damit, wie sich KI auf die Anwaltschaft auswirkt, auf meinen Berufsstand, aber auch auf den Umgang mit Recht. Was wir ändern und anders anbieten müssen.
Stehen diese drei Räume für Ihre drei Säulen des Konzepts?
Es gibt gleich mehrere drei Säulen. Die ersten drei Säulen sind KI, Store und Community. Beide ersten Säulen führen zur Community. Wir kamen zu dem Entschluss, die Kloster-Architektur zu wählen. Die ist ideal, denn es gibt zunächst ein Atrium. Das ist der vordere, öffentliche Bereich. Da gehen die meisten herein, bleiben stehen und unterhalten sich kurz.
Was folgt?
Dann müssen sie sich ein Stück weit überwinden, deswegen ist die Decke auch heruntergezogen, um in das Skriptorium zu gelangen, wo es Bücher zu lesen gibt, analog, digital und online. Dort sitzt man, wie auch im Mittelalter. Im Skriptorium wurde das Wissen von den Mönchen weitergegeben. Ohne sie wäre das Wissen, das wir heute haben, gar nicht denkbar. Bis hin zum dritten Bereich, dem Refugium, dem Ort der Ruhe, für ein Gespräch.
Kann hier jeder einfach hineinspazieren?
In den letzten Tagen sind schon sehr viele Interessierte einfach hereingekommen. Hier gibt es Monitore, auch am Schaufenster. An einem Touchscreen, mit Akustik und Musik, kann man sich selbst informieren. Informationstools gibt es genug. Darüber werden dauerhaft Inhalte gespielt.

Es gibt gleich mehrere drei Säulen
Wie kam es zu der Bezeichnung „Kloster der Moderne“?
Auf den Begriff bin ich vor einem halben Jahr gestoßen. Auf einem sogenannten „KI-Retreat“ hatten wir mit einem Kampfsporttrainer frühmorgens mit einer Art Yoga-Session angefangen. Die Stille war für alle so enorm, dass hinterher alle fokussiert und konzentriert waren. Davon hat man sehr gezehrt. Diese Stille morgens kenne ich sehr wohl, ich war für eine kurze Zeit im Kloster. Das ist nichts anderes. Wenn wir das Religiöse mal wegnehmen.
Ach ja?
Wir reden auch über Kultur. Eine Kultur, die wir alle vergessen haben. Wir haben keinen Zugang mehr dazu, weil wir meinen, alles, was mit Kirche und Religion zu tun hätte, könne nur schlecht sein. Aber man verkennt, dass es eine kulturelle Entwicklung gibt, und die hat Bestand. Lange habe ich gehadert, den Begriff zur Sprache zu bringen. Weil man sich Risiken aussetzt, auch im Sinne von Fehlinterpretationen. Viele haben mich auch gewarnt.
Inwiefern?
Sobald man den Begriff in den Mund nimmt, seien alle dagegen. Das mag sein, aber irgendwann muss man auch den Mut dazu haben, wenn es einen Begriff gibt, mit dem man sich selbst identifiziert. Allein der Name der Stadt Münster, ursprünglich „Monasterium“ aus dem Lateinischen, heißt nichts anderes als „Kloster“. Münster ist durch ein Kloster entstanden, vom heiligen Liudger. An der Wand dieses Raumes begann es früher.
Welchen Bezug haben Sie dazu?
Ich bin nicht nur Jurist, sondern damals aus Hannover hergekommen und habe angefangen, hier Priester zu werden, um meiner Berufung nachzukommen. Das habe ich jahrzehntelang nicht erwähnt.
Wieso nicht?
Weil man immer denkt, ich würde alles gewissermaßen nur aus missionarischen Gründen machen. Das ist mitnichten so. Es gibt aber eine Idee, die dahintersteckt und die ist uralt. Dazu beizutragen, dass Menschen ihren eigenen Wert und Wertschätzung wieder finden. Ich habe das jetzt 25 Jahre in meinem juristischen Bereich erlebt und war sehr intensiv in der Beratung tätig. Die Dinge, mit denen ich zu tun habe, sind existenziell.
Das kann ich mir vorstellen.
Niemand weiß, was so eine Angelegenheit mit einem macht. Die verändern eine Person. Ich habe so viele Menschen kennengelernt, die in ihrer Existenz bedroht waren und keiner kümmert sich darum.
Ja.
Oft hört man, das sei halt Recht. Nein, das ist nicht Recht. Weil es immer um andere Fragen geht, um das aktuell existierende Recht vielleicht. Diese Leichtigkeit, mit der Richter sagen, recht haben und recht bekommen, seien zweierlei. Das ist ein Eingeständnis der Funktionsunfähigkeit unseres Rechtsstaats. So etwas darf einem Richter nicht über die Lippen gehen.
Was also tun?
Im Jahr 800 hat man in Münster aus dem Nichts heraus eine Ordnungsstruktur, ein Kloster, eine Gemeinschaft geschaffen. Mit der Art der Gemeinschaft kann man sich heute aber schwer identifizieren und will es nicht. In meinem ersten Studium habe ich mich mit Kirchengeschichte befasst und was hier in den ersten Jahren nach der Völkerwanderung passierte, wie Recht entsteht. Was es mit den Menschen macht. Das hat nichts mit der Religion zu tun, sondern mit soziologischen Strukturen.

An der Wand dieses Raumes begann es früher
Kommen wir da mal auf die Community zu sprechen, die Sie in Ihrem Projekt anbieten.
Das ist genau die Gemeinschaft, um die es geht. Diese Mitgliedschaft setzt eben schon ein gewisses Bekenntnis voraus, dass man die Idee unterstützen will. Bei der angebotenen KI-Nutzung ist es anders, die kann jeder zu seinem Vergnügen verwenden.
Gerade die juristische Branche wird sicherlich mit als erste Ziel von Veränderungen und künstlicher Intelligenz.
Das nehmen sie in der Branche nicht wahr. Sie verstehen nicht, dass die Art, wie mit dem Recht umgegangen wird, immer ein Problem war. Aber jetzt wird das Problem zu ihrem Problem. Denn es macht niemand mehr mit, weil wir jetzt die Möglichkeit haben, Wissen selbst zu erlangen, jeder einzelne. Das war vorher nur durch Beratung möglich. Es gab eine Entwicklung, die so etwas von undemokratisch ist, dass Wissen gehortet wurde und nur wenigen zugänglich war.
Das soll Ihre KI ändern.
Freiverfügbarkeit ist da das Entscheidende. Unsere Digitalisierungsgeschichte beginnt sehr früh. Als das erste YouTube-Video herauskam, waren wir digitalisiert. Wir reden hier über 20 Jahre. In dieser KI gibt es ausschließlich Inhalte, die vorher eingepflegt worden sind. Insgesamt haben wir einen Pool von derzeit über 50.000 Dokumenten geschaffen. Mit dem Wissen, das ich 25 Jahre gesammelt habe.
Soll die KI auf andere Rechtsgebiete ausgeweitet werden?
Baurecht ist ein Beispiel für die Idee und das beherrschen wir. Es wurde deutlich, dass das Thema „Sovereign“ viel größer ist, als dass man es nur auf diesen Rechtsbereich beziehen sollte. Es gibt Interessenten, die würden gern das ganze Energierecht für die Sovereign-KI übernehmen, dann kommt jemand vom Medizinrecht. Die Gespräche laufen. Aber der Zug, unsere Idee nur auf Baurecht zu beziehen, ist gewissermaßen abgefahren. Dafür hat das Ganze zu sehr an Bedeutung gewonnen.
Prof. Dr. Andreas Koenen
Prof. Dr. Andreas Koenen ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht. Neben seiner Kanzlei in Münster, hat er weitere Standorte in Hannover, Essen, und Bielefeld. Seit Oktober 2025 gibt es in Münster zudem seinen Sovereign Store am Roggenmarkt.
www.sovereign.store
Illustration Thorsten Kambach / Fotos Armin Zedler


