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2022-11-07 Stadtgeflüster Illustration Ekki kurz.tif

Tom Feuerstacke und Ana Voogd besprechen die Entenjagd

CALLE ÖHRCHEN – GEHEIMAGENT

Calle Öhrchen ist kein gewöhnlicher Stoffhase. Seine Ohren baumeln fast bis zum Boden. Er wohnt mit seinen Menschen im beschaulichen Münster. Natürlich weiß er, dass dort noch ein anderer Hase lebt. Aber das ist ihm völlig schnuppe. Dank seiner überlangen Öhrchen – die ihm zu allerlei Fertigkeiten verhelfen – gilt er als bester Geheimagent Westfalens. So beginnt die Erklärung des Plots zu einem Kinderbuch, das die Münsteranerin Ana Voogd aktuell veröffentlicht hat. Damit erfüllt sie sich einen lang gehegten Traum, der lange brauchte, ehe er am Ende in 30 Tagen umgesetzt wurde. In ihrem Buch steht: Schreiben ist ein bisschen wie Fliegen im Kopf. Du kannst überall hin und kannst jeder sein.

Ana. Angeblich hattest du während des Lockdowns wegen der Pandemie so wenig zu tun. Zu meiner völligen Überraschung hast du mal eben ein Buch geschrieben. Warum?


(Lacht) Die Idee war eigentlich immer schon allgegenwärtig. Das ist so eine Geschichte wie mit dem einen Baum, den man im Leben pflanzen sollte. Dabei hatte ich aber nie an ein Kinderbuch gedacht. Eigentlich mehr so eine Chaosgeschichte, die man im Leben erlebt. Während Corona tauchte ein Stoffhase bei uns in der Wohnung auf.


Es tauchte ein Stoffhase auf. Aus dem Nichts. Wie kommt man vom Stoffhasen auf die Idee, ein Buch zu schreiben?


Das war so ein beliebiger Stoffhase, mit dem wir zu Hause immer Quatsch gemacht haben. Irgendwann bekam der Hase einen Namen und sogar eine eigene Stimme. Und der Quatsch nahm seinen Lauf. Ich hatte während des ersten Lockdowns zwei Seiten geschrieben und sie weggelegt. Mein Mann Erich forderte mich auf, die Seiten hervorzuholen, damit wir sie gemeinsam lesen. Und mit dem Abstand von fast einem Jahr haben wir uns über die Zeilen kaputtgelacht. Ich habe mich dann hingesetzt und das Buch geschrieben.


Einfach so. Ohne dich mit der Schreiberei zu beschäftigen?


Genau. Ich habe mich jeden Abend hingesetzt und ein Kapitel runter geschrieben. Erich hat es gelesen, wir haben gelacht und ich habe das nächste Kapitel geschrieben. Hintereinander weg.


Du sagtest vorhin, dass es eigentlich kein Kinderbuch werden sollte, du eine Chaosgeschichte schreiben wolltest. Was hatte dich in der Idee davon abgehalten, dass es ein Kinderbuch werden könnte?


Ganz einfach: Ich war nicht auf die Idee gekommen, eines zu schreiben.


Gut. Aber du hattest ja eine Idee über einen möglichen Plot. Also sagtest du dir, wenn ich ein Buch schreibe, wird es ein Duden?


(Lacht) Nein, natürlich nicht. Ich hatte ja viel erlebt durch meine Reisen ins Ausland. Klar war, es würde nichts Biografisches. Aber man könnte die Geschichten zusammentragen und runterschreiben. Also ich war eigentlich der Auffassung, dass es etwas Lebendiges wird. Dann allerdings als Roman. Den Gedanken hatte ich auch, wie es halt so ist, weggelegt.


Nun wurde es ein Kinderbuch. An dem du wie viele Tage geschrieben hast?


Einen Monat. 


Du hast in einem Monat ein ganzes Buch geschrieben?


Ja. Ich hatte mir ein Schreibprogramm besorgt, das für mich Sinn machen würde, um eine Ordnung in den Kapiteln zu haben. In der Software kann man sich ein Zeitlimit setzen, wie viele Worte man in einem Monat schreiben will. Dann wird das Ganze in Tage umgerechnet und du wirst an das Schreiben erinnert. Das ist einfacher als alles in Word zu schreiben. Das Ganze ging dann schon ziemlich schnell. Die Geschichte war ja da. Ich musste nur meine Figuren nach und nach namentlich benennen. Die Figuren selber hatten wir ja erspielt.


Was macht Calle Öhrchen denn den ganzen lieben Tag als Geheimagent?


Der Hase heißt Calle und kann sprechen und laufen. Das weiß nur Paul, der Junge, dessen Eltern das Hotel Prinz in Münster führen. Seine Freunde sind zwei Schweine, die Paul schon hat. Ferkelchen Frech, der mit einem Amazon-Paket zufällig ins Hotel geliefert wurde. Und Bertil Bentheimer, das alte Schwein, das Paul zur Geburt bekommen hatte. Den Hasen hatte Paul im Centro „O“ im Schaufenster gesehen, wo er nach Ostern vergessen wurde, und wollte ihn unbedingt haben. Er hat sich Taschengeld zusammen gepumpt und Calle gekauft. Wenn Paul in der Schule ist, wandern die drei durch das Hotel und aufgrund der langen Ohren des Hasen können sie Lift fahren und Türen öffnen.

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Das ist sie, die Autorin. Vielen Dank für dieses tolle Buch!!!

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Okay. Aber es muss doch was passieren, denn Calle ist ja nicht umsonst Geheimagent?


(Lacht) Das stimmt. Das Abenteuer beginnt, als Familie Krumbiegel aus der Pfalz mit ihrer Tochter Emmy zu Besuch im Hotel Prinz ist. Calle weiß, dass andere Kinder auch Stofftiere haben und er mit ihnen sprechen kann. Also geht er in das Zimmer und lernt eine Entendame Pila kennen. Als er die Dame am nächsten Tag daten will, ist sie verschwunden. Und nun dreht sich die Geschichte darum, wie Calle und seine Freunde die Entendame wiederfinden. Dabei binden sie Paul mit ein, damit sie mit dem Fahrrad durch Münster kommen. Immer schön im Rucksack mit dabei.


Wir wollen jetzt aber nicht zu viel verraten. Was man aber sicher sagen kann, dass die Geschichte in Münster spielt und man Münster erkennt?


Das Buch spielt in Münster. Optisch spielt es im Tom & Polly, nur dass es in dem Buch Hotel Prinz heißt.


Aber ich meine gelesen zu haben, dass man dich und deine Familie in der Geschichte auch wiedererkennt?


Naja, ein Freund von mir hat das Buch gelesen. Er sagte, dass man uns in dem Buch schon ganz gut erkennen kann. Also jeder, der das Buch liest, weiß danach, dass wir komplett durchgeknallt sind. 


Das Buch ist in sich geschlossen mit Cliffhanger am Ende. Sind Fortsetzungen geplant?


Der zweite Band „das Findel“ ist schon fertig. Geheimagenten erleben ja viel in ihrem Leben. Und du weißt, es gibt viele Schubladen in einem Büro. Da muss ich dann mal schauen, was sich darin so findet (lacht).


Das Buch ist im Europaverlag erschienen. Ich hörte, dass es nicht so einfach wäre, einen Verlag zu finden. Wie war das für Calle Öhrchen?


Es ist nicht einfach. Aber dieses Buch wollte der Verlag haben und jetzt halte ich es gebunden in der Hand. 


Ist die erste Auflage schon ausverkauft?


Ich weiß es nicht…


… du spielst das alles so runter…


…(lacht) ich spiele das nicht runter. Ich meine, dass Ende März die Meldungen von den Verkaufszahlen kommen. Aber ich kenne die Auflage wirklich nicht. Das war ein Experiment und natürlich ist das alles neu und aufregend. Man wird vom Verlag zum Beispiel automatisch zur Buchmesse eingeladen. Und vielleicht werde ich auch mal bei einer Lesung dabei sein. Aber das ist alles noch in weiter Ferne. Was ich sicher weiß, weil ich es gelesen habe, ist, dass das Buch von acht Jahren bis elf Jahren gut zu lesen ist, da der Protagonist zwölf Jahre alt ist. Zum Vorlesen lassen, kann man natürlich auch jünger sein.


Du bist mega vorbereitet in dieses Projekt gegangen. Du hast innerhalb von einem Monat das Buch geschrieben, weißt unglaublich viel um das Schreiben herum, erzählst in dem Buch eine ganze in sich geschlossenen Geschichte. Wir kennen uns jetzt so lange und du weißt noch immer zu überraschen?


Die Geschichte war ja schon in meinem Kopf und musste nur noch niedergeschrieben werden. Das andere habe ich halt so aufgeschnappt. Oder gelesen. Ich bin ein Mensch – und frag mich nicht, warum – , der immer Stofftiere geschenkt bekommt. Bevor ich mit 18 nach Frankreich gegangen bin, habe ich zum Abschied eine gelbe Stoffente geschenkt bekommen. Die ist tatsächlich in einem Hotel in St. Moritz verschwunden. Da haben immer alle auf meinem Zimmer gesessen. Plötzlich war die weg. Da musste ich wirklich runter und in der Hotelwäsche nach dieser Ente suchen. Das war mir total peinlich. Die war da natürlich weg. Die hat irgend so ein Animateur einfach mitgenommen. Vermutlich ein verschmähter Liebhaber. Und als wir zu Hause auf dem Balkon rumgesponnen haben, was so der Plot der Geschichte sein könnte, war es die Ente und alles ging dann ganz schnell.

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Auf dem Boden geblieben, sympathisch und offenbar auch emphatisch, die Ana.

Ana, du bist Ultramarathon gelaufen. Du bist mit dem Rucksack bin ich um die halbe Welt gereist. Einen Marathon mit Moonboots gelaufen (autsch) und Open Water Rennen auf offenem Meer geschwommen. 130 Tage am Stück gejoggt während der Pandemie. Du schreibst ein Buch in einem Monat. Du gehst immer ins Extreme. Ich kenne niemanden, mit dem ich mal gesprochen habe, dass er ein Buch in 30 Tagen geschrieben hat?


In Biografien steckt mehr Arbeit als in einem fiktiven Roman.


Aber dein Kinderbuch ist nicht fiktiv. Die Ente ist bekannt. Die drei Stofftiere gab es und selbst die Orte sind bekannt, nur umbenannt. Was ist daran fiktiv. Wenn ich das Buch dreimal gelesen habe, erkenne ich deinen Mann Erich und euren Sohn?


(Lacht) Das stimmt schon. In der Widmung steht: Für Calle, Frenkil und Frech und diese drei Tiere gibt es auch. Mir ist auch wichtig, dass die Kinder, die das Buch lesen, wissen, dass es die Drei wirklich gibt. Und ja, man erkennt uns vermutlich, auch wenn wir in persona nicht im Buch vorkommen. 


Erschreckt es dich, dass die Leser, wenn sie sehr aufmerksam sind, entdecken, wie ihr so tickt und drauf seid?


Tatsächlich ist das Thema bei der Veröffentlichung der Moment, wo du dir in die Hose machst. Was denken die Leute von dir, wenn sie deine komplette Fantasie, die du runterspulst, lesen. Es wird vermutlich immer so sein, dass ich zum Beispiel in jeder wörtlichen Rede zu erkennen bin, weil ich schreibe, wie ich spreche. Und das machen ja letztendlich viele Menschen, die schreiben. Ich glaube aber, wenn man das beruflich macht und irgendwann seine ersten Bücher liest, wird man sich über den Quatsch, den man da geschrieben hat, wundern. Ich jedenfalls finde es cool, dass ich es zu Ende gebracht habe und meine Erwartungshaltung ist nicht sehr groß.


Ana, ich wünsche dir unglaublich viel Glück mit Calle. Und zu guter Letzt: Verdienst du eigentlich an einem solchen Buch etwas?


(Lacht) Tom, ich weiß es nicht. Aber es ist kein kommerzieller Gedanke dahinter. Ich wollte das Buch schreiben und habe es dank meiner Familie geschafft. Alles kommt so, wie es kommen muss.

Ana Voogd
Sie wuchs in Düsseldorf auf und lebt mit Mann und Sohn in ihrer Wahlheimat Münster. Hier kennt man die Autorin als Gastronomin und Veranstalterin von Festivals. Nebenbei bietet sie Reisenden in ihrem Hostel einen Platz zum Ruhen. Und sollte wer an der Algarve übernachten wollen, kann er das in Zukunft in ihrem neuen Projekt. Ein Gästehaus am Meer im Süden Portugals.


llustration Thorsten Kambach / Fotos Armin Zedler

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