
Arndt Zinkant fragt Amelie und Leena Kaijo, wie man sein Business im Netz sichtbar macht
ZWILLINGSSCHWESTERN STARTEN DURCH
Amelie und Leena Kaijo haben das Unternehmertum offenbar im Blut. Als Studentinnen von Anfang zwanzig gründeten sie in ihren Jugendzimmern in Telgte ihr Startup „Geminos“. Im Interview verraten sie, warum sie sich auf die Plattform LinkedIn fokussieren und was Finnland in puncto Unternehmertum besser macht.
Ich habe gelesen, dass Sie von Ihrem Elternhaus in Telgte umziehen wollen – in ein schickes Büro am münsterschen Hafen. Ist das mittlerweile geschehen?
Leena: Wir haben in der Tat schon ein Büro gefunden und unterschreiben bald den Mietvertrag. Dies liegt allerdings nicht am Hafen, sondern in einer für uns noch schöneren Lage. Übrigens haben wir das Büro auch über LinkedIn gefunden. Wir hatten einfach einen Aufruf gestartet, dass wir ein Büro suchen und ob uns da jemand weiterhelfen könnte.
Wie würden Sie Ihre Dienstleistung in wenigen Worten beschreiben?
Amelie: Wir lassen Menschen und Unternehmen auf der Plattform LinkedIn sichtbar werden. Außerdem machen wir quasi aus Menschen Marken. Das ist unser Anspruch – Personal Branding. Wir arbeiten ja nicht nur mit Firmenaccounts, sondern auch mit privaten Accounts.
Wie sind Sie auf diese Geschäftsidee gekommen?
Amelie: Ich habe als Werkstudentin im Vertrieb bei einer Personalvermittlungs-Agentur angefangen, wo mir seinerzeit nahegelegt wurde, ich möge mir doch mal LinkedIn genauer anschauen. Ich sollte dort Neukundenakquise betreiben – das funktionierte auch ziemlich erfolgreich, aber ich habe dann gemerkt, dass mir LinkedIn mehr Spaß macht als Personalvermittlung. So wechselte ich nach Hamburg zu einer professionellen LinkedIn-Marketingagentur. Aber bereits zu dem Zeitpunkt kamen viele Anfragen herein, so nach dem Motto: „Hey Amelie, kannst du das, was du für dein eigenes Profil tust, nicht auch für uns machen?“
Was genau sollten Sie für diese Kunden bewerkstelligen?
Amelie: Zunächst deren LinkedIn-Profile professionell überarbeiten, weil sie ja eine Art digitale Visitenkarte darstellen. Außerdem sollten wir die Beiträge erstellen, sprich das gesamte Content Marketing übernehmen.
Wie sieht die angepeilte Zielgruppe aus – sind das Leute, die keine Ahnung haben, oder solche, die keine Zeit haben?
Leena: Beides. Meistens sind es Leute auf C-Level-Ebene eines Unternehmens, also CEO oder CFO zum Beispiel. Viele von denen haben in der Tat keine Zeit, sich damit auseinanderzusetzen. Manche haben auch keine Lust, wissen aber, dass das heutzutage von hoher Wichtigkeit ist – gerade wenn man neue Mitarbeiter oder Azubis rekrutieren möchte. Und natürlich neue Kunden.
Muss man nicht das Business jedes Kunden genau verstehen, um für ihn die Werbetrommel rühren zu können?
Leena: Da müssen wir uns tatsächlich immer wieder neu einarbeiten. Wir sind in vielen verschiedenen Branchen unterwegs, allerdings zielt das Thema Personal Branding mehr darauf ab, den Menschen kennenzulernen und weniger das Produkt oder das Unternehmen, das dahintersteht. Auf der Plattform wollen viele eher erfahren, wie diese Person in ihre Stellung gekommen ist, welche Fehler sie eventuell auf ihrem Lebensweg gemacht hat, und wie sie daraus gelernt hat. Die Dienstleistung oder das Produkt des Unternehmens werden eher unterschwellig thematisiert. Dabei sind wir dann auch auf guten Input von unseren Kunden angewiesen, damit diese Strategie gemeinsam erarbeitet werden kann.

Da müssen wir uns immer wieder neu einarbeiten
Gibt es Kennzahlen, an welchen man den Erfolg messen kann? Zum Beispiel „Anzahl X von Neukunden, gemessen an Anzahl Y von Followern“?
Amelie: Nein, in so eine Formel kann man es nicht pressen. Zum Beispiel gibt es Beiträge, die gar nicht so viele Seitenaufrufe hatten, dafür erstaunlich viele Neukunden generierten. Auf der anderen Seite stehen Beiträge, die absolut viral gehen, aber leider keinen einzigen Neukunden generierten. Es gab übrigens Unternehmen, die genau solche Zielvorgaben von uns erwartet hatten. Das mussten wir leider ablehnen, weil solche Versprechungen absolut unprofessionell wären. Es ist nun einmal ein soziales Netzwerk, was heißt, dass man auch ein bisschen experimentieren muss: Einfach schauen, was funktioniert und was nicht.
Haben sich andere Anbieter ebenfalls auf LinkedIn spezialisiert?
Leena: Da gibt es einige – und deren konkrete Angebote haben wir uns natürlich zur Orientierung angeschaut.
Amelie: Allerdings sind wir sehr transparent und legen unsere Preisstruktur auch auf der Webseite absolut offen. Das machen unsere Konkurrenten durch die Bank nicht so – die halten sich da eher bedeckt. Wir haben gemerkt, dass unsere Kunden unsere Offenheit schätzen.
Ich persönlich fand LinkedIn immer ein bisschen langweilig. Es hagelt da endlose Komplimente. Da postet zum Beispiel jemand: „Hier ist unser neuer Workshop“, und dann antworten 50 Leute: „Super Idee! Weiter so!“
Amelie: Teilweise sind die Beiträge natürlich da, um zu informieren, was man im beruflichen Alltag macht. Sie haben recht, das kann durchaus ein bisschen langweilig daherkommen. Man darf aber nie vergessen, dass es sich um eine Business-Plattform handelt. Wirklich private Sachen, wie man sie bei Instagram findet, gehören eben nicht auf LinkedIn.
Genau das ist aber auch unser Job: Diese trockenen Themen etwas spannender aufzubereiten, sodass das Lesen Spaß macht. Obwohl es im Kern um Business geht, wird LinkedIn doch immer mehr zu einem sozialen Netzwerk. Da dürfen ruhig mal ein paar Selfies oder Urlaubsfotos im Profil sein. Der Fokus sollte aber insgesamt auf dem Beruflichen liegen.
Auf welchen anderen Plattformen waren Sie denn zuvor unterwegs?
Leena: Plattformen wie Instagram oder TikTok sind natürlich ebenfalls spannend. Gelegentlich bieten wir auch Inhalte auf Instagram an, aber wir halten es für wichtig, sich auf LinkedIn zu fokussieren, um in dieser Nische wirklich Experten-Status zu haben.
Amelie: Es gefällt mir persönlich, dass auf LinkedIn immer noch eine gewisse professionelle Distanz und Privatsphäre gewahrt bleiben. Ich möchte auch nicht als Influencer verstanden werden und permanent Details meines Privatlebens im Netz preisgeben. Auch deshalb habe ich mich für LinkedIn entschieden.
Ist Münster eigentlich ein guter Standort, oder ist das beim Internet-Business egal?
Amelie: Eigentlich ist es bei einem Online-Business egal. In der Tat haben wir viele unserer Kunden noch nie persönlich gesehen oder getroffen. Für Startups sind natürlich Metropolen wie Berlin und München ein besseres Pflaster. Ich könnte mir durchaus vorstellen, in einer solchen Stadt zu arbeiten, weil man dort noch bessere Möglichkeiten hat, Kundenkontakte zu finden oder auch mit anderen Start-ups zu interagieren – sofern man uns noch als Startup bezeichnen kann.
Ihr Vater stammt ja aus Finnland – kennen Sie das Land gut genug, um sagen zu können, ob das Business dort gravierend anders läuft?
Leena: Wir sind mindestens einmal im Jahr dort und haben auch sehr viel Familie dort drüben – Onkel, Tanten, Cousinen etc. Erst vor zwei Wochen war ich noch in Helsinki und arbeitete dort in allen möglichen Co-Working-Spaces. Das war super. Wir sind beide übrigens sehr große Freunde des Duzens, was sehr der finnischen Mentalität entspricht: Dort ist fast das ganze Land per Du. In Finnland ist das Miteinander eben sehr locker. Weit weniger von oben herab, als man es bisweilen von deutschen CEOs kennt.
Amelie: Außerdem ist Finnland sehr Startup-freundlich, man macht es Unternehmern deutlich einfacher als hierzulande.
Das würden sicherlich viele unterschreiben. In Deutschland hat man den Eindruck, Unternehmern würden eher bürokratische Steine in den Weg gelegt. Man kennt ja die berühmten Witze nach dem Motto: „Bill Gates hätte als Studienabbrecher bei Siemens nicht mal ein Praktikum bekommen.“
Leena: In Helsinki haben wir in der Bücherei Oodi gearbeitet. Die liegt in Helsinki in der Nähe des Hauptbahnhofs und wurde vor sieben Jahren neu eröffnet. Dort kann man wirklich alles machen! Eine ganze Etage gibt es dort, voll mit Räumen, wo man arbeiten kann. Die haben dort 3-D-Drucker, Nähmaschinen und sogar Tonstudios. In jeder Art und Weise findet man Möglichkeiten, mit dem eigenen Talent etwas anzufangen. Das ist typisch Finnland.
Wollten Sie eigentlich schon immer Unternehmerinnen werden?
Amelie: Bei mir war es tatsächlich so – das war von klein auf klar. Ich hatte nur erwartet, dass ich mein Studium vorher beendet haben würde. So muss ich es halt neben dem Job zu Ende führen.
Leena: Bei mir war es ein bisschen anders. Wir sind sehr verschiedene Charaktere, auch wenn man es im Gespräch vielleicht nicht so merkt. Von Haus aus bin ich eher zurückhaltend veranlagt, und entsprechend hatte ich auch meinen Karriereweg erwartet: Ich dachte, dass ich erst einmal meinen Bachelor und Master machen würde, um dann bei einer Firma in der Unternehmenskommunikation zu arbeiten. Ich bin aber alles andere als unglücklich, dass es so gekommen ist!
Amelie und Leena Kaijo
Die Zwillingsschwestern mit dem finnischen Familienzweig sind laut Selbstauskunft recht verschiedene Charaktere und ergänzen einander daher auch im Business. Amelie bringt ihr BWL-Studium und Erfahrungen im Vertrieb und LinkedIn-Marketing ein, während Leena mit ihrem Kommunikationsmanagement-Studium sowie ihrer Expertise im Social-Media-Marketing und im Journalismus punktet. Mittlerweile sind sie mit ihrer Dienstleistung auf LinkedIn so erfolgreich, dass soeben der siebte Mitarbeiter an Bord gekommen ist.
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Illustration Thorsten Kambach / Foto Amelie und Leena Kaijo


