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2022-11-07 Stadtgeflüster Illustration Ekki kurz.tif

Peter Sauer spricht mit Alexandra Dorndorf und Frank Menger über Polizeiausbildung

WIR BRAUCHEN JEDEN EINZELNEN UND WIR BRAUCHEN SIE ÜBERALL

Auch in der Stadt des Westfälischen Friedens wird Sicherheit immer wichtiger. Vor allem in den Stadtteilen fordern die Bürger mehr Polizeipräsenz. Da die Aufgaben und der demografische Wandel zunehmen, ist die Polizei in Münster mehr denn je auf Nachwuchs angewiesen. Im Gespräch mit Polizeipräsidentin Alexandra Dorndorf und Polizeidirektor Frank Menger vom Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten erfuhren wir alles über Voraussetzungen, Ausbildungsinhalte und Karrierechancen.

Warum braucht die Polizei Münster dringend Nachwuchs?


Alexandra Dorndorf: Wir haben Ende Februar im aktuellen Einstellungsjahrgang landesweit mehr als 3000 angehende Beamtinnen und Beamte vereidigt, das ist absoluter Höchststand und das zweite Jahr in Folge. Ich bin 2016 zur Polizei gegangen, da lag die Ausbildungszahl in ganz NRW bei knapp 1900. Die Zunahme der Kommissaranwärter ist ein klares Statement, dass wir in die Innere Sicherheit investieren und dafür intensiv ausbilden.


In welcher Form?


D: Wir bilden Polizistinnen und Polizisten in einem dualen Studium nicht nur in Münster aus, wir bilden sie landesweit an zehn Standorten aus. Wenn sie zum 1. September ihr Studium beenden, werden sie auf die Polizeibehörden in NRW verteilt. Wir bilden zusätzlich auch für die Verwaltung der Polizei jährlich Regierungsinspektorinnen und -inspektoren (RIA) und für den IT-Bereich aus.


Wo kommt der Nachwuchs dann hin?


D: Wir brauchen jeden Einzelnen und wir brauchen sie überall. Sie gehen im Wesentlichen zunächst in den Wach- und Wechseldienst oder in unsere Hundertschaften. Wir brauchen sie in Sachen Präsenz im täglichen Dienst. Aktuell haben wir aber auch besonders hohe Bedarfe in der Direktion Kriminalität. Wer schon zu Beginn weiß, dass er ein Ermittler-Gen in sich trägt, der kann neuerdings auch unmittelbar zur Kripo gehen.


Wie ist die Ausbildung strukturiert?


Frank Menger: In der Ausbildung sind Theorie, Training und Praxis die drei Hauptbereiche. Nach der Ausbildung gehen die Kommissaranwärterinnen und Kommissaranwärter zunächst in den Wachdienst. Danach folgt die Entwicklungsmöglichkeit, ob es jetzt zum Beispiel bei der Kriminalpolizei ist, im Verkehrsbereich oder als auch Lehrende in der Ausbildung im Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW (LAFP NRW).


An wen richtet sich eine Ausbildung bei der Polizei am besten?


M: Hauptzielgruppe sind Schüler und Schülerinnen, ein Großteil bringt das Abitur mit. Mindestvoraussetzung ist grundsätzlich die Fachhochschulreife. Wir werben auch bei Berufswechslern und Studienzweifelnden und intensiver erschließen wir eine neue Berufsgruppe, Menschen, die bei der Bundeswehr ausscheiden.


Warum eignen diese Menschen sich besonders?


M: Weil sie bereits Dienst für die Gesellschaft geleistet haben, passen sie schon allein vom Wertekompass gut zu uns, sie kennen die wichtige Funktion der sinnstiftenden Tätigkeit für die Gesellschaft sehr gut.


Und sind auch mental schon weiter …


M: Genau, auch mental. Es gibt ja auch vergleichbare Situationen bei Bundeswehr und Polizei.


Was sollte man an Fähigkeiten, Qualifikationen und Interessen mitbringen?


M: Körperliche Fitness ist wichtig. Aber niemand muss Profisportler oder Extremsportler sein. Sie müssen auch psychisch belastbar sein, um komplexe Sachverhalte erschließen zu können. Sehr wichtig ist auch, dass die Bewerbenden für die Werte der Demokratie einstehen und das Selbstverständnis besitzen, dass sie einen Dienst für die Gesellschaft leisten wollen. Aus einer inneren Überzeugung heraus sollten sie für die Grundrechte einstehen.


Die Bewerber werden auch gecheckt, auf Vorstrafen, oder?


D: Wir wollen die Besten, daher gucken wir uns die Kandidaten auch genau an.

M: Für uns ist es wichtig, dass die Person charakterlich geeignet ist. Wir schauen, wer hatte im Vorfeld Kontakt zur Polizei, wer ist bei einem Strafverfahren aufgefallen. Es kommt auch immer auf die jeweilige Straftat an. Bei einem begründeten Zweifel an der charakterlichen Eignung stellen wir diese Person nicht ein.


Wie ist das mit den sportlichen Zweifeln?


M: Dann versuchen wir sie zu befähigen, das zu schaffen, dass sie fit werden. Alle müssen die polizeiärztliche Untersuchung vor der Einstellung absolvieren. Diese wird für die Bewerbenden im Rahmen des Auswahlverfahrens zentral in Münster im LAFP NRW durchgeführt.


Früher gab es bei der Polizei in der öffentlichen Außenwirkung vorwiegend Männer. Wie hat sich die Situation verändert?


M: 2015 wurden bei der Polizei NRW insgesamt noch 670 Frauen eingestellt, 2023 waren es über 1200. Wir haben die Anzahl fast verdoppelt. Ich bin seit 2002 bei der Polizei und ich kann sagen: Gerade geschlechterübergreifende Streifenteams haben sich bewährt.

D: In der Tat. Wir haben gemischte Streifen, aber auch reine Frauenstreifen. Und verzeichnen damit gute Erfolge.


Gibt es immer noch Probleme mit den Maßen der Polizeikleidung für Frauen?


M: Es gibt immer noch die Mindestgröße von 1,63 Meter. Allerdings haben wir gemeinsam mit der Sporthochschule Köln nach wissenschaftlichen Standards einen Mindestkörpergrößentest entwickelt. Personen, die kleiner sind, können sich trotzdem bewerben und den Nachweis erbringen, dass ihre geringere Körpergröße nicht zu einer Beschränkung bei wesentlichen Aufgaben des Polizeivollzugsdienstes führt.

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Wer bei uns anfängt, muss über die Führerscheinklasse B verfügen

Wo findet die Ausbildung statt? In Münster oder auch außerhalb?


D: Die Theorie findet an der Hochschule für Polizei und Verwaltung statt. Das Training wird in einem der LAFP NRW-Trainingszentren in Selm, Schloß Holte-Stukenbrock oder Brühl vermittelt und die Praxis verbringen die Studierenden in einer Polizeibehörde. Diese wird möglichst wohnortnah ausgewählt. Für die Kommissaranwärterinnen- und anwärter der Polizei Münster kommen auch unsere Kooperationsbehörden in Borken, Coesfeld, Steinfurt und Warendorf für das Praktikum in Betracht.

M: Wer bei uns anfängt, muss über die Führerscheinklasse B verfügen.


Und ein Fahrzeug besitzen?


D: Es gibt auch Fahr- und Wohngemeinschaften. Und die 16-Jährigen, die am Hansa-Berufskolleg mit der dort zu erlangenden Fachhochschulreife Polizei bei uns anfangen, werden wohnortnah ausgebildet, sodass sie grundsätzlich alles, zum Beispiel mit dem ÖPNV, erreichen können.


Wie beliebt ist diese Einstiegsmöglichkeit mit Realschulabschluss ab 16 Jahren?


D: Sehr beliebt. Wir haben in Münster 2022 mit einer Polizeiklasse von 31 Leuten angefangen und haben seit 2023 zwei Klassen mit 58 Schülerinnen und Schülern. Wir haben eine sehr gute Kooperation mit dem Hansa-Berufskolleg, über die wir uns sehr freuen.


In welche drei Hauptbereiche unterteilt sich die Ausbildung bei der Polizei in Münster?


M: In der Theorie studieren die Auszubildenden in der Hochschule der Polizei und öffentlichen Verwaltung Nordrhein-Westfalen und lernen theoretisch Studienfächer wie etwa Strafrecht und Verkehrsrecht. Im Training lernen sie im LAFP NRW in Rollenübungen praxisorientiert die Bewältigung von Einsatzsituationen. Danach geht es in die Praxis und sie wenden das Erlernte beispielsweise im Polizeipräsidium Münster an.

D: Wichtig ist in allen drei Bereichen Disziplin und Fleiß an den Tag zu legen, Prüfungen zu bestehen und zu zeigen, dass man zu uns passt.


Was heißt das konkret?


D: Wir legen bereits in der Ausbildung viel Wert darauf, dass die jungen Leute wissen, dass der Polizeiberuf mehr als nur ein Job ist. Man ist immer Polizist oder Polizistin, also, auch wenn man die Uniform ablegt. Das bedeutet, dass man sich innerhalb und außerhalb der Dienstzeit für die Werte der Demokratie einsetzt. Man hat immer eine Vorbildfunktion. Man sitzt also zum Beispiel nicht mit Alkohol am Steuer.


Welche Aufstiegschancen hat man bei der Polizei?


M: Viele. Jede und jeder hat grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten: von Wachdienst über Sachbearbeitung in der Kripo oder Verkehrspolizei, Hubschrauberpilotin, in Stabsstellen oder der Autobahnpolizei.


Apropos. Seit 35 Jahren läuft „Alarm für Cobra 11 – die Autobahnpolizei“bei RTL. Gibt es durch den anhaltenden Erfolg immer noch viele direkte Bewerbungen?


M: Es gibt eine gewisse Diskrepanz zwischen Cobra 11 und der Realität.

D: … eine ganz kleine, wie beim Tatort oder beim Wilsberg auch.


Ok, Tatort. Wollen manche Menschen direkt Kommissar werden?


M: Das ist das Schöne, Kommissar oder Kommissarin werden alle Bewerbenden bei uns.

D: So heißt nämlich der erste Dienstgrad – egal ob im Streifendienst oder in der Kripo. Damit fängt man nach dem Studium an. Ich glaube, zur Kripo zu gehen, ist auch eine Typfrage. Es gibt Menschen, die lieben Ermittlungsarbeit, und dann gibt es Menschen, die ihr Leben lang im Wach- und Wechseldienst tätig sind, weil sie die Abwechslung so schätzen. Manche sind gut in der Stabsarbeit, können gut Konzepte schreiben und für manche schlägt das Herz für die Autobahn.

M: Es gibt Hunderte Entwicklungsmöglichkeiten in den Polizeibehörden, so auch im Polizeipräsidium Münster. Ich glaube, das macht diesen Beruf so faszinierend.

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Man hat immer eine Vorbildfunktion

Apropos, warum sind Sie eigentlich zur Polizei gegangen?


M: Ich stand mit 18 vor der Frage: Bundeswehr oder Polizei. Ich wollte unbedingt für die Gesellschaft arbeiten. Ein Bekannter erzählte mir vom Streifendienst und ich war sofort begeistert. Ab dem Anziehen der Uniform in der Umkleidekabine weiß man nie, was dann passiert. Diese Vielfalt bietet kein anderer Arbeitgeber. Davon bin ich überzeugt!


Manche junge Leute sind bei den Pfadfindern oder bei der Feuerwehr. Inwieweit kann man seine eigenen Lebenswelten in die Arbeit miteinbringen?


D: Engagement bei den Pfadfindern und bei der Feuerwehr ist wunderbar. Das zeigt die Bereitschaft, einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Das begrüßen wir sehr und berücksichtigen das. Wir stellen uns auch konkret auf die Bedarfe und auf die Nachfragen der Generation Z ein und ich bin mir sicher, dass diese Generation die Polizeiarbeit der Zukunft genauso prägen wird, so wie auch unsere Generation die Polizeiarbeit der Gegenwart.


Wie viele Auszubildende gibt es bei der Polizei derzeit?


D: Wir haben in Münster drei Jahrgänge. Alle Kommissaranwärter, plus Fachoberschüler, plus Regierungsinspektorenanwärter, da kommen wir auf 800 junge Menschen in der Ausbildung.


Und wie viele bekommen später den Job?


M: Wir würden uns freuen, wenn alle 800 es schaffen würden. Wir würden gerne alle 800 Auszubildenden übernehmen. Wer bei uns beginnt, also eine Einstellungszusage beim Auswahlverfahren bekommt, kann gesichert das Studium beginnen und nach drei Jahren, wenn es erfolgreich abgeschlossen ist, nahtlos in den Dienst übernommen werden.


Also ein sicherer Arbeitsplatz, der nicht von der KI übernommen werden kann …


D: Stimmt. Und ein Ausbildungsplatz, der von Anfang an gut bezahlt wird.


Was bietet die Arbeit bei der Polizei auch im Zwischenmenschlichen des Kollegiums?


M: Ob Streifendienst, Kriminalpolizei oder im höheren Dienst: Wir arbeiten immer im Team zusammen. Auch, weil wir viele Lagen nur im Team bewältigen können.


In den Krimis sieht man oft Buddys. Gibt es auch Freundschaften bei der Polizei?


D: Man muss sich stets aufeinander verlassen. So entstehen auch Kollegengemeinschaften, Freundschaften, und ja, es sind auch schon Hochzeiten entstanden.


Für welche Werte steht die Polizei in Münster?


D: Polizeiarbeit ist Wertearbeit. Menschennähe und Selbstreflexion sind unsere zentralen Werte. Als Polizeiorganisation stehen wir in Münster im Moment ganz maßgeblich für das Vertrauen der Menschen in die Demokratie. Wir sind in der Lage, die Probleme dieser Zeit zu lösen.

lllustration Thorsten Kambach / Fotos Peter Sauer

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