top of page
Stadtgeflüster Logo 2018.png
Heinz-Erhardt-Revue_Billboard_960x180px.jpg
2022-11-07 Stadtgeflüster Illustration Ekki kurz.tif

Tom Feuerstacke und Alexander Ende besprechen die Einfachheit des Fußballs

MUT, KONTROLLE UND LEIDENSCHAFT

Er redet ruhig, überlegt, mit diesem festen Blick, den nur jemand hat, der genau weiß, was er will. Alexander Ende, Trainer von Preußen Münster, steht für Mut, für einen Fußball, der lieber Fehler riskiert als Langeweile. Einer, der lieber spielt, statt zu verwalten. Im Gespräch wird schnell klar: Hier spricht kein Träumer, sondern ein Überzeugungstäter. Einer, der in Berlin keine Ausreden sucht, der Dresden als Schritt im Prozess sieht und der weiß, dass Erfolg nichts mit Zufall zu tun hat. Alex redet über Kontrolle, Haltung, Leidenschaft und über die Kunst, Fehler nicht zu fürchten. Und wenn er über seine Zukunft spricht, klingt da kein Größenwahn, sondern echte Demut mit: „Ich will einfach lange das machen dürfen, was ich liebe – Fußball.“ Ein Satz, so schlicht wie ehrlich.

Alex, bist du gut angekommen in Münster, der lebenswertesten Stadt des Universums?


Ja, definitiv. Wobei – was heißt eigentlich „gut angekommen“? Ich bin in erster Linie als Trainer hier, da zählt der sportliche Aspekt zuerst. Wir haben von Anfang an eine intensive, spannende Zeit erlebt: neue Spielidee, neue Mannschaft, vieles musste sich erst finden. Kein Selbstläufer, logisch. Aber bis zum neunten Spieltag sind wir auf einem guten Weg. Nicht alles war erfolgreich, es gab Höhen und Tiefen, aber das gehört dazu, wenn man etwas Neues aufbaut. Und menschlich? Vom ersten Tag an ein richtig gutes Gefühl. In der Kabine, im Staff, im Umfeld – überall gute Menschen. Das ist essenziell: Du kannst nur zuverlässig arbeiten, wenn du dich wohlfühlst. Ich komme jeden Tag gern, muss mich nicht verstellen. Ich bin nicht „der Chef“, ich bin einfach Alex. Und das Schöne: Die Leute hier ticken genauso – offen, ehrlich, geradeaus. Ob Ole Kittner oder die Jungs in der Kabine – da herrscht ein Miteinander, bei dem du merkst: Die haben das Herz am richtigen Fleck. Wenn du morgens hereinkommst und denkst: „Ja, das sind richtig gute Typen“, dann weißt du, du bist angekommen.


Wenn man deine Vita liest, sofern das alles stimmt, was das Internet so behauptet, warst du selbst mal Preußenspieler. Wie ist das, wenn sich der alte Verein plötzlich meldet und sagt: „Sag mal, willst du zweite Liga bei uns machen?“ Gab’s da langes Grübeln oder war sofort klar: Match, das mache ich auf jeden Fall?


Ja, offen gesagt, das war anfangs gar nicht so eindeutig. Der Zeitpunkt war spät in der Saison, als Ole sich meldete – da war noch offen, ob’s dritte oder zweite Liga wird. Ich hatte zu der Zeit auch Gespräche mit anderen Vereinen, auch Zweitligisten. Aber dann kam das Treffen mit Ole – und das war besonders. Klar, Preußen Münster, da hast du als ehemaliger Spieler automatisch eine Verbindung. Trotzdem war’s keine nostalgische, sondern eine sportliche Entscheidung. Du sitzt da also mit dem sportlichen Leiter, und irgendwann geht’s nicht mehr nur um Zahlen oder Konzepte, sondern ums Gefühl. Der Kopf sagt: zweite Liga, spannend, aber schwierig. Neuer Fußball, neue Mannschaft, vieles im Aufbau. Gleichzeitig: riesiges Potenzial, neues Stadion, Aufbruchsstimmung. Und dann kam der Bauch dazu – der hat schnell gesagt: Das kann richtig cool werden. Ole war da, Janis Hohenhövel auch mal dabei, und ich hatte sofort das Gefühl: Mit denen kannst du richtig gut Hand in Hand arbeiten. Offen, ehrlich, ohne Show. Und wenn sich das so anfühlt, musst du gar nicht mehr lange überlegen.


Neun Spiele, elf Punkte – und einige namhafte Vereine hinter uns. Man sagt ja, das zweite Jahr sei das schwerste, weil die Gegner dich kennen. Warum also läuft’s bei uns so gut? Warum ist der SCP trotz kleiner Wackler ein ernstzunehmender Gegner – und dieses Sprichwort vom „schwersten zweiten Jahr“ scheint nicht zu gelten?


(lacht) Ja, ob das überhaupt stimmt, dieses Sprichwort – keine Ahnung. Ob da mal jemand eine Statistik zu gemacht hat, weiß ich nicht. Aber klar, man hört’s ja oft. Ich glaube, bei uns ist’s so. Es hat sich einfach viel verändert. Und genau das hat vielleicht neue Energie freigesetzt. Die Jungs hatten vom ersten Tag an eine Offenheit, eine Lust, diese neuen Dinge anzunehmen. Da war sofort so ein Gefühl: Komm, wir packen das an. Und diese Energie, die hat uns durch die ersten Wochen getragen. Inhaltlich war sicher nicht alles perfekt, da brauchen wir gar nicht drumrumzureden – aber was von Anfang an da war, war Herz. Leidenschaft. Wille. Und das kann im Fußball manchmal viel wichtiger sein als der perfekte Ablauf. Wenn du mit der richtigen Intensität spielst, wenn du in jeden Zweikampf gehst, als wär’s der letzte, dann bist du einfach schwer zu schlagen. Und das hat man bei uns gesehen.


probe1.jpg

Komm, wir packen das an.

Was hat sich eigentlich verändert, Alex? Du bist in ein großes Erbe getreten – Sascha Hildmann hat hier über Jahre starke Arbeit geleistet und den Klub bis in die zweite Liga geführt. Und trotzdem: kein Murren, keine Unruhe, im Gegenteil – positive Stimmung, die Fans ziehen mit. Was habt ihr verändert, dass es sportlich, atmosphärisch und menschlich so gut läuft?


Sascha hat hier überragend gearbeitet. Wer diesen Weg geht, hat vieles richtig gemacht. Und trotzdem: Nach so einer Ära ist es normal, dass ein neuer Trainer neue Impulse mitbringt – neue Idee, neue Energie, neue Reize. Das kann viel auslösen. Preußen hat zuletzt stark über Umschaltspiel funktioniert: kompakt, clever, auch mal ohne Ball. Erfolgreich, keine Frage. Aber mit dem neuen Ansatz – mehr Ballbesitz, mehr Aktivität, mehr Mut – entstand Neugier. Genau das ist passiert. Die Jungs waren offen, hatten Bock, Lust auf Veränderung. Das hat Energie freigesetzt. Fußballer wollen den Ball, das ist ihr Antrieb. Kein Kind sagt: „Ich stelle mich lieber hinten rein.“ (lacht) Das habe ich genutzt – im Training, in der Ansprache, in der Vermittlung. Dann brauchst du frühe Bestätigungsmomente: Spiele, in denen du merkst, dass es funktioniert. Und die kamen schnell. Inhaltlich ist das ein Unterschied: Wir stehen enger, die Abstände sind kleiner, die Verbindung kompakter. So können wir schneller kombinieren, Überzahl in Ballnähe schaffen, den Gegner bewegen. Das erzeugt einen anderen Rhythmus, ein anderes Spielgefühl. Am Ende ist es eine Mischung aus Struktur und Gefühl – eine neue Idee, die Spaß macht, für Spieler, Trainer, Fans. Und mit dieser Energie im Stadion merkst du: Das trägt. Sportlich und atmosphärisch. Münster lebt das gerade richtig – vielleicht das schönste Kompliment für eine Mannschaft.


Alex, ich find’s mega, ehrlich. Diese Art Fußball – mutig, schnell, direkt –, das ist fürs Auge einfach „Oha-Ola-Fußball“, wie man so schön sagt. Ich erinnere mich: Das erste Mal, dass ich so was bewusst gesehen habe, war bei Barcelona unter Pep Guardiola – dieser One-Touch-Zauber, bei dem du als Fan nur noch „Wow“ sagen kannst. Aber: Wo Licht ist, ist auch Schatten. Ein solches Spiel birgt Risiken. Also, was ist das Risiko bei dieser Spielweise? Wo kann’s knallen?


Am Ende geht’s um Haltung. Und unsere ist klar: Wir sehen Chancen, nicht Risiken. Wenn du mutigen Fußball spielen willst, musst du das auch durchziehen – mit allem, was dazugehört. Du kannst nicht Mut fordern und dann nervös werden, wenn der Ball verloren geht. Dann glaubt dir keiner. Mut muss konsequent sein, auch wenn’s weh tut. Natürlich wirst du manchmal dafür bestraft. Wenn du in der Spieleröffnung Risiko gehst, nach vorn schiebst, viele Leute in Ballnähe bringst, ist die Restverteidigung offener. Das ist das Risiko. Du brauchst eine klare Struktur zur Absicherung. Aber Fehler gehören dazu. Wer Angst davor hat, spielt keinen mutigen Fußball. Ich will, dass meine Jungs Fehler machen dürfen – die richtigen, aus Überzeugung, nicht aus Passivität. Klar, es gab Momente, wo das nicht aufging: in der Vorbereitung, ein, zwei Spiele, oder in Lautern, wo wir nach Ballverlust bestraft wurden. Das sind Lernmomente. Aber sie gehören dazu. Weil’s unsere Haltung ist: Wir wollen gestalten, nicht reagieren.


Also Risiko?


Ohne Risiko kein Fortschritt. Und das Wichtigste ist, dass wir an das glauben, was wir tun. Wenn du das tust, dann kippt kein Ballverlust die ganze Idee. Dann bleibt der Mut stärker als die Angst.


Dein Fußball wirkt sehr klar, ausgesprochen mutig. Was steckt hinter dieser tiefen Überzeugung, das Spiel so konsequent von hinten aufzubauen?


Wenn der Torwart angelaufen wird und den Ball über die Mittellinie spielt, ist die Gefahr erst einmal weg. Aber du bekommst dadurch nie dieses Gefühl fürs Spiel, das wir wollen. Wir wollen den Gegner ins Springen bringen, in Bewegung bringen, ihn locken, um Räume zu öffnen. Klar, das birgt Risiken. Manche Mannschaften sagen dann: „Münster spielt so dominant, die pressen wir eins gegen eins über den ganzen Platz.“ Aber genau das eröffnet wieder neue Möglichkeiten. Wenn sich unser Stürmer im Laufduell durchsetzt, steht er allein vor dem Tor. Unser Torwart schaut immer zuerst zur Mittellinie. Dort entscheidet sich das Zahlenverhältnis. Und wenn wir Überzahl haben, spielen wir sie auch aus. Das trainieren wir jeden Tag: schnell, sauber, mutig. Ich bin überzeugt, je länger wir diesen Fußball spielen, desto besser werden wir von Spiel zu Spiel, von Monat zu Monat.


Mich, du hast schon gewonnen – mit deiner Art zu spielen, mit deiner Überzeugung, mit deiner Ruhe im Gespräch. Trotzdem, um dich besser zu verstehen: Berlin. Du hast danach gesagt, ihr hättet da keinen Punkt verdient gehabt. Das war eine ehrliche Aussage. Wie sehr nagt ein solches Spiel an dir – gerade, wenn du so überzeugt bist von deinem Stil?


Berlin hat mich richtig geärgert. Nicht, weil wir verloren haben, sondern weil wir nicht ans Maximum gekommen sind. Hätten wir gezeigt, was wir können, wäre das Spiel anders verlaufen. Wir waren zu fehlerhaft, zu unpräzise. In der Videoanalyse habe ich gesagt: „Ey, das ist frech, was die Berliner machen.“ Kein Respekt: Eins gegen eins über den ganzen Platz, permanenter Druck. Leistner gegen Batista Meier als letzter Mann zehn Meter in unserer Hälfte – die ganze andere Hälfte frei. Wahnsinn. So ein Risiko, und wir bestrafen sie nicht. Das hat mich wahnsinnig geärgert. Wir waren zu langsam im Kopf, zu träge in den Aktionen. Und ehrlich: Solche Spiele schiebe ich nicht einfach weg. Die nehme ich mit. Mindestens eine Nacht, meist zwei. Manchmal auch mit nach Hause. Ich weiß, es wäre gesünder, das schneller abzuschütteln. Aber so bin ich halt.


probe1.jpg

Sascha hat hier wirklich überragend gearbeitet.

Dann kam Dresden – ein intensives Spiel, viel Arbeit, viel Kampf. Bist du da gnädiger mit dir und der Mannschaft?


Ja, da muss man inhaltlich unterscheiden. Die Energie war da, vom ersten Moment an. Beide Teams waren voll da, keiner hat sich zurückgenommen. Wir bekommen ein Traumtor per Freistoß, aber zur Halbzeit haben wir trotzdem mehr Chancen, mehr Ballbesitz, mehr Zug zum Tor. Dann kommen wir aus der Pause, haben direkt durch Oscar die Riesenchance, machen später das 1:1 – und da hätte ich mir gewünscht, dass wir diesen Rückenwind konsequenter nutzen. Da waren wir kurz zu vorsichtig, haben zu viele Bälle nach hinten gespielt statt nach vorn. Trotzdem: vieles war gut, viel Leidenschaft, viel Bereitschaft. Nur die Standards – das ärgert mich. In den letzten sechs Spielen jedes Mal ein Standard-Gegentor. Das kostet Punkte, und das müssen wir abstellen. Aber vom Gefühl her: Gegen Dresden war viel da, worauf wir aufbauen können.


Was sind deine Pläne? Du bist jetzt Zweitligatrainer, Preußen wächst, das Stadion kommt.


Ich glaube, eine gewisse Demut gehört dazu. Jetzt Trainer bei so einem tollen Verein sein zu dürfen, der mitten im Wachstum steckt, das ist sensationell. Vor ein paar Jahren war ich noch in der Jugend, in der Regionalliga. Und jetzt stand ich im Olympiastadion an der Seitenlinie. Das ist ein Privileg. Preußen Münster war für mich auch eine Entscheidung der Perspektive. Hier passiert was. Stadionbau, Strukturwandel, ein Verein, der sich entwickelt. In den nächsten zwei, drei Jahren wird’s entscheidend sein, sich in der Zweiten Liga festzubeißen und stabil zu werden. Dann, wenn das neue Stadion steht und die Rahmenbedingungen wachsen, öffnet sich auch sportlich eine neue Tür. Aber das funktioniert nur mit Arbeit, mit Geduld, mit sportlichem Erfolg. Wir waren vor der Saison für viele der erste Abstiegskandidat. Jetzt, nach neun Spieltagen, sieht man, dass wir mithalten können. Wir sind konkurrenzfähig. Und das ist der Weg. Zweite Liga sichern, wachsen, klüger werden. Dann schauen wir, wohin es uns trägt.


Gibt’s eigentlich einen Traum, den du dir als Trainer noch erfüllen willst, Alexander? So, das große Ziel, das über allem steht?


Den einen konkreten Traum gibt’s gar nicht. Ich hatte immer den Wunsch, einmal in der Zweiten Liga auf der Bank zu sitzen. Das hat sich jetzt erfüllt, schneller, als ich gedacht hätte. Klar, jeder im Sport wünscht sich das Maximum, will so hoch hinaus wie möglich. Aber ich habe gelernt, dass eine Ligazugehörigkeit dich nicht automatisch glücklicher macht. Ich sehe es heute als Privileg, überhaupt im Fußball arbeiten zu dürfen. Mir macht das Spaß, diese Liga zu erleben, die Stadien, die Atmosphäre. Und klar, Erfolg ist schön, aber wichtiger ist mir, dass ich meine Leidenschaft leben darf. Möglichst viele Jahre lang. Das ist mein echter Traum.


Danke, Alex, für das offene und ehrliche Gespräch.


Danke dir.

Alexander Ende

Der 1979 in Grevenbroich geborene Fußballtrainer wurde im November 2009 durch die Zuschauer der Sportschau zum Torschützen des Monats gewählt. Kein Wunder. Verbrachte er doch 2004 seine Hochzeitsreise in Portugal, um dort die Fußball-EM zu besuchen.

lllustration Thorsten Kambach / Fotos SCP, Moritz Schwegmann

Junge Köpfe.gif
bottom of page