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Arndt Zinkant fragt Ingo Stuckenbrock, wie man ein Computer-Abenteuer kreiert

VON BAUERN UND KÖNIGEN

Bei manchen macht es schon früh im Leben „Klick“. Als Ingo Stuckenbrock ein Kind war, klickte er sich begeistert durch die Abenteuerwelt der Computerspiele – vor allem durch solche, wo man mit Indiana Jones oder anderen Helden knifflige Rätsel zu bewältigen hatte. Damals schon entstand der Wunsch, ein eigenes Spiel zu erschaffen. Und Stuckenbrock blieb seinem Traum treu: 25 Jahre lang bastelte an seinem Werk – und ist nun auf der Zielgeraden.

Wie würdest du die Faszination von Computerspielen beschreiben? 

Das von mir entwickelte Spiel gehört zu einem Nischen-Genre innerhalb des großen Pools der Computerspiele. Wir machen ein Point & Click Adventure, also ein sehr Story-getriebenes Spiel. Das heißt: Man steuert mit der Maus eine Figur durch zwölf Kapitel mit vielen diversen Szenarien – wobei es hier zwei Hauptfiguren gibt, Nick und Lilly. Per Mausklick gibt man vor, wo sie hingehen sollen, und findet dort dann zum Beispiel geheimnisvolle Dinge vor, die es zu untersuchen, mitzunehmen oder auf andere Objekte zu benutzen gilt. Man kann und sollte auch mit anderen Figuren „reden“ und so interessante Dinge erfahren, die für den Spielfortschritt wichtig sind. „of pawns & kings“, so der Titel, ist also eine linear geschriebene Geschichte, die man von vorne bis hinten durchspielt und erlebt. Ein wunderbares Abenteuer zum Selberspielen. 

 

Die Geschichte zweigt in der Handlung nirgends ab? 

Nein, die Story ist nicht veränderbar. Es gibt Aufgaben und Rätsel: Man findet zum Beispiel irgendwo einen Schlüssel, der in eine ganz bestimmte Tür passt. Oder eine geheime Botschaft, deren Tinte erst über dem Feuer sichtbar wird. Es ist eine Geschichte, die man in Begleitung eines schrägen „Sidekicks“ wirklich erlebt, und zwar mittels einer sehr schönen visuellen Umsetzung. Da schlägt im Set-Design meine Begeisterung für Jim-Henson-Filme durch – „Labyrinth“ und „Der dunkle Kristall“.                

     

Verrätst du, was die Figuren Nick und Lilly erleben? 

Seine Freundin Lilly kennt der Protagonist Nick zu Beginn noch gar nicht. Zunächst muss er sich daran machen, ein großes Geheimnis seiner Familie zu lüften. Der Großvater verschwindet von heute auf morgen, und sein Vater ist eh nie da. Nick findet sich in der Szenerie alleingelassen und versucht zu ergründen, warum die Dinge so und nicht anders passiert sind. Auf diesem Weg lernt er dann später Lilly kennen, die aber aus dem feindlichen Lager stammt. Es gelingt den beiden jedoch, ihre Differenzen zu überwinden und am Ende das Rätsel gemeinsam zu lösen. 

 

Deine Idee ist schon über 25 Jahre alt. Kannst du dich an den zündenden Funken erinnern?

Der entzündete sich schon in meiner Kindheit. Ich bin wie so viele mit dem C64 und dem Amiga aufgewachsen – da wurde natürlich viel gemeinsam mit den Freunden im Hobbykeller gespielt. Auch damals gab es bereits das Genre Point & Click, mit den großen Klassikern Monkey Island, Indiana Jones und Zak McKracken. Diese hatten mich damals absolut „erwischt“. Es gab zu jener Zeit allerdings noch keine Lösungsbücher – was wiederum dazu führte, dass man nachts bisweilen aufwachte und plötzlich eine Lösung fürs Weiterkommen im Kopf hatte. Das alles hat mich damals so geflasht, dass ich dachte: „So was will ich später auch mal machen!“ Diese Liebe zum Genre hat sich über die Jahre erhalten, weil der Beruf mir die Möglichkeit bot, die Einfälle technisch umzusetzen. Mein eigentlicher Brotjob war zuvor die 3D-Visualisierung für Architekten. Der ruht zurzeit weitgehend.

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Du hast also eher anspruchsvolle Spiele favorisiert. Ich muss gestehen, meine einzige Erfahrung beschränkt sich auf das Ballerspiel „Doom“. Das hatte jemand aus dem Freundeskreis Ende der Neunziger auf dem Rechner. Hast du das auch gespielt?

Ja natürlich! Ich habe quer durch sämtliche Genres alles gespielt, auch Ballerspiele. Und Doom war damals ja revolutionär: Das erste Spiel überhaupt, das einen über mehrere Level in 3D führte. Jene Technik, die damals eingeführt wurde, dominiert den Markt bis heute. Zuvor war Point & Click ein bestimmendes Genre gewesen. Heute dagegen gehört es eher in eine Nische, einer wirklich treuen Fanbase zum Trotz. Die großen Open-World- und Shooter-Spiele dominieren den Markt, dagegen sind wir ein kleines Licht. 

 

Kannst du schätzen, wie viele Arbeitsstunden in den letzten 25 Jahren in dein Spiel geflossen sind?

Nein, das möchte ich auch nicht. Würde ich das Schwarz auf Weiß auf dem Papier sehen, würde ich vermutlich aus dem Fenster springen. (lacht) 

 

Kommen wir zum leidigen Faktor Geld. Ich habe gelesen, dass knapp eine viertel Million Euro am Start sein muss, bevor es überhaupt losgeht. Warum eine solche Summe? 

Wenn man bereits in einer großen Firma sitzt und ein Konzept hat, verfügt man natürlich über ganz andere Möglichkeiten. Aber als Ein-Mann-Unternehmen, das ich anfangs noch war, ist die Vermarktung viel schwerer. Natürlich hätte ich in sieben Jahren Vollzeit-Alleinarbeit das Ganze entwickeln können – aber dafür fehlt mir das Geld. Wir hatten das Glück, dass es vom Bund wie vom Land Fördermittel gibt. Dafür haben wir uns beworben, und es hat bei beiden Anlaufstellen geklappt. Wir sind jetzt bei einer Produktionssumme von 320.000 Euro, wovon wir allerdings 30 Prozent als Eigenanteil einbringen mussten. Um dieses Basisvolumen vorzuweisen, habe ich darüber hinaus zehn Investoren gewonnen. Eine Crowdfunding-Aktion bei „Kickstarter“ hatte leider die gewünschte Zielmarke nicht erreicht. Obwohl wir dicht dran waren! 

 

Und nach 16 Monaten muss alles fix und fertig stehen? 

Naja, danach haben wir eben kein Gehalt mehr! Es ist bis auf den Euro genau alles durchgerechnet, und nach Ablauf dieser Zeit müssten wir dann beim Kontostand null angekommen sein. Es gibt also eine große Motivation, pünktlich fertig zu sein und mit dem Spiel an den Markt zu gehen. Das haben wir auf der Spiele-Messe „Gamescom“ in Köln auch vor – mit einem eigenen Messestand.

 

Wie muss man sich deinen Arbeitstag vorstellen?  

Er beginnt morgens mit dem Checken der E-Mails. Gerade eben ist zum Beispiel der größte Grafikkarten-Hersteller auf uns aufmerksam geworden und bot an, uns mit einem Laptop zu unterstützen. In der Anfangsphase hatte ich viel bürokratische Arbeit mit den ganzen Förderungsanträgen. Nach dem Abarbeiten der E-Mails beginnt die Arbeit an den Spiel-Szenarien, die ich entwickelt habe. Die einzelnen Interaktionsmöglichkeiten werden Schritt für Schritt eingebaut, während Daniel drüben an den Charakteren arbeitet. Es läuft halt darauf hinaus, dass man den ganzen Tag am Computer sitzt. Die beschriebenen Ideen und Prozesse müssen dann im Anschluss natürlich in eine Programmierung überführt werden, damit das Spiel funktioniert. Dabei gibt es dann auch nervige Phasen, wenn irgendetwas nicht so funktioniert, wie man dachte, weil sich irgendein Bug eingeschlichen hat. 

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 Warum heißt das Spiel eigentlich „of pawns & kings“? 

„Von Bauern und Königen.“ Es geht im Kern darum, dass der Konflikt zwischen zwei gegnerischen Parteien nicht als Krieg ausgetragen wird, sondern auf Basis eines Schachspiels. (Keine Sorge, man muss hier kein Schachspieler sein!) Auf diesem Spielfeld sind die verschiedenen Figuren quasi als Familien besetzt. Jede Familie ist durch eine der Figuren repräsentiert. Nicks Familie hat die Figur des weißen Bauern, daher der „pawn“. Natürlich gibt es auf beiden Seiten auch die Könige, welche die Hoheit über das Spiel innehaben. Da er aber im Laufe der Geschichte genau mit diesen Königen in Konflikt gerät und die ganze Geschichte auf einem großen Geheimnis beruht, haben wir das ganze „of pawns & kings“ genannt. 

 

Kommt ihr alle aus der münsterischen Szene?   

Daniel Gense hat in Münster studiert – und als Abschlussarbeit seines Bachelor-Studiums den ersten Charakter des Spiels entwickelt, hat dafür auch eine Eins bekommen. Er kann das also offenbar ganz gut. (lacht) Daniel war kurzfristig weggezogen, ist für die Arbeit am Spiel aber wieder nach Münster gekommen. Fabiola Prete, die die Figuren nach meinen Ideen skizziert, wohnt in Rheine. Nur Vasco Grossmann, der Soundtrack-Komponist, ist wirklich ein Externer – aber das ist ja heute kein Problem.

 

Du hast drei Kinder. Sind sie bereits deine Kritiker oder noch zu klein dafür? 

Das ist unterschiedlich. Sie sind dreizehn, elf und sieben. Die Große hat anfangs öfters drübergeschaut, interessiert sich mittlerweile aber weniger dafür. Die beiden Jüngeren finden es durchweg spannend, was der Papa da so macht, und wollen immer Neues sehen. Man darf aber nicht vergessen, dass ich dieses Projekt schon seit Ewigkeiten verfolge. Nicht selten bin ich auch belächelt worden nach dem Motto: „Was macht der Stuckenbrock da? Das wird doch eh nix!“ Somit ist es die größte Genugtuung, jetzt, da ich diese Fördermittel bekommen habe, meinen Kindern mitgeben zu können: Wenn man richtig für eine Sache brennt und alles dafür gibt, kann man am Ende auch wirklich seinen Traum realisieren. 

INFO

Ingo Stuckenbrock

Er wurde als Kind mit dem „Computerspiel-Virus“ angesteckt. Später studierte er Architektur an der FH Münster. Im Anschluss gründete er die Firma „IIID – visuelle Medien“, mit der er bis heute im Bereich der Architektur-Visualisierung tätig ist. Seit 25 Jahren feilt er an seinem Spiel „of pawns and kings“. Dazu gründete er „monkey mac jones adventures UG“ und plant, in den nächsten 15 bis 16 Monaten sein Spiel auf den Markt zu bringen.  

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Autor Arndt Zinkant / Illustration Thorsten Kambach / Fotos Arndt Zinkant

Erstmalig erschien dieser Text in Stadtgeflüster Interview August 2022

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