ARNDT ZINKANT FRAGT ILONA KOENIG & MALENA NACH WEIBLICHEM DEUTSCH-POP AUS MÜNSTER
NIEMAND SINGT DEINEN SONG SO WIE DU SELBST
Viele Kreative aus dem Musik-Business warten derzeit sehnsüchtig auf Einladungen von Veranstaltern. Nicht so die münsterschen Musikerinnen Ilona Koenig und Malena (Magdalena Kryspin) - sie laden lieber selbst ein. Beide haben während der Pandemiezeit an eigenen Songs auf Deutsch gearbeitet, die sie mit einem gemeinsamen Release-Konzert am 5. November im Atlantic Hotel vorstellen. Jede für sich mit eigener Band – im Interview aber zeigen sie sich als fröhliches Duo.
Wie würdet ihr eure Musik beschreiben?
Ilona: Bei mir es geht in Richtung „sphärischer Elektro-Pop“, den ich auch selber produziere. Stilistisch bin ich insgesamt mutiger geworden – es ist nicht immer in eine „Standard-Popform“ gegossen; vielmehr habe ich mit Klängen und Stimmungen experimentiert. Und: Die Songs sind deutschsprachig.
Malena: Bei mir ist es der klassische Singer-Songwriter-Stil mit Einflüssen von Deutschpop und Elektro-Elementen. Ich produziere allerdings nicht selbst, sondern überlasse es Profis, dies nach meinen Vorstellungen zu tun.
Was genau umfasst „Produzieren“? Im Filmgeschäft ist der Produzent ja ‚nur‘ der Finanzier.
Ilona: Der Begriff umfasst den kompletten Prozess vom Schreiben des Songs bis zur Erstellung und Aufnahme im eigenen Home-Studio. Ich arbeite mit einer Konsole, mit deren Hilfe ich Sounds quasi ‚abfeuere‘; das funktioniert auch live.
Malena: Ich komponiere meine Songs an der Gitarre und nehme sie danach mit einem Produzenten-Duo im Tonstudio auf. Im Gegensatz zum Filmproduzenten machen wir alles selbst in eigener Regie (lacht).
Ist Münster eure zufällige Heimat oder genau das Pflaster, wo ihr arbeiten wollt?
Malena: Ich würde sagen, Münster ist unser Startpunkt. Wir haben uns hier kennengelernt, weil wir in der hiesigen Musikszene schon so lange aktiv sind. Die Stadt darf also gerne als Zentrum unserer musikalischen Bestrebungen fungieren. Nachdem wir über Jahre in anderen Bands aktiv waren, wollen wir nun den Fokus auf unsere eigenen Projekte legen.
Ilona: Da wir nun mal im Raum Münster wohnen, waren wir hier eben auch mit diversen ansässigen Bands unterwegs. Das eigene Projekt steht zwar an erster Stelle. Doch aus aktuellen Bandprojekten aussteigen, wollen wir natürlich nicht.
Zum Thema „deutschsprachige Songs“: Ist das eine Nische, die man gut bespielen kann oder steckt mehr dahinter?
Ilona: Es die Sprache, in der ich genau das ausdrücken kann, worum es mir geht. Auf Englisch gelingt mir das nicht ganz so gut. Zwar habe ich auch englische Songs geschrieben, dennoch bleibt das Gefühl, sich quasi hinter einer anderen Sprache zu verstecken. Das ging irgendwann nicht mehr so gut – vieles hörte sich einfach zu platt und kitschig an. Deutsch erwies sich gleichsam als griffiger.
Malena: Am Anfang stand der Wunsch, Songs zu schreiben, die etwas mit mir selbst zu tun haben; die ehrlich und authentisch sind. Und zur Ehrlichkeit gehört eben eine ganz direkte Sprache – allerdings ebenso, zwischendurch auch in meiner Muttersprache Polnisch zu singen. Auf der CD wird zwar kein solcher Song enthalten sein, aber beim Release-Konzert werde ich auch auf Polnisch performen.
Kann ich gut verstehen. Deswegen bin ich auch dafür, dass Filme synchronisiert werden, weil dann die Dialoge nicht erst durch einen inneren „Filter“ müssen. – Damit sind wir bei den Texten: Was inspiriert euch beim Schreiben?
Ilona: Schwere Frage! Manchmal sind es einfach die kleinen Dinge, die mich gerade beschäftigen. Vieles ist durchaus autobiografisch, aber eben nicht eins zu eins abgebildet. Für den Fall, dass mich eine Idee nicht loslässt, habe ich immer mein iPhone dabei und gebe dann alles sofort in die Notizen-App ein (lacht).
Malena: Oft ist es etwas ganz Intuitives – dass ich zum Beispiel einen Satz lese, der mich ganz lange verfolgt. Dann wird mir klar, dass es dafür einen Grund geben muss, und ich fange an, die Idee dieses Satzes weiterzuspinnen. So kommt der Schreibprozess in Gang.
Ich habe gelesen, dass ihr beide auch viel im Jazz unterwegs wart. Oft rümpfen ja Jazzer über Popmusik die Nase – oder ist das ein Vorurteil?
Ilona: Es ist durchaus kein Vorurteil. Ich finde jedoch, dass sich beides sehr schön ergänzen kann und dass der Jazz durch Pop-Elemente zugänglicher wird.
Malena: Ich bin durch so einige „Schulen“ gegangen, habe auch polnische Jazzstücke gesungen und ganz viel Funk und Soul gemacht. Alle diese Einflüsse werden in meinen Songs hörbar, weil jedes der Elemente quasi eine eigene Sprache ist.
Ilona: Wenn es wirklich um das reine Singen geht, interpretiere ich unheimlich gerne Jazz. Aber bei dem, was wir beide jetzt machen, geht es nicht ums Singen allein, sondern vor allem darum, Geschichten zu erzählen – auf Deutsch. Ich würde mich da ungern auf irgendeine Seite festlegen.
Habt ihr musikalische Vorbilder?
Malena: Neulich erst haben wir uns gegenseitig über dieses Thema interviewt(lacht). Die Frage ist wirklich schwer zu beantworten. Als Songwriter ist zum Beispiel Stevie Wonder ein großes Vorbild von mir und ebenso Anna Maria Jopek, die polnische Jazz-Künstlerin.
Ilona: Zu meinen Vorbildern zählt Tina Dico, obwohl sie englischsprachig unterwegs ist. Allerdings ist sie gebürtige Dänin und singt auch viel in ihrer Muttersprache, wirklich wunderschön.
Das Musik-Business war ja schon vor der Corona-Zeit härter geworden, und nun ist es noch schwerer. Wie geht ihr damit um?
Ilona: Es ist noch mal ein Grund mehr, es zu tun. Die Kultur darf nicht verloren gehen!
Malena: Ich muss sagen, dass ich der Corona-Zeit wegen sogar ein bisschen dankbar bin. Denn das hat mir den entscheidenden Impuls gegeben, nichts mehr aufzuschieben und diesen Sprung nun zu wagen. Das hat tatsächlich eine zusätzliche Energie freigesetzt, jetzt endlich so viele Lieder zu schreiben, wie ich es immer wollte.
Es allerdings ein finanzielles Wagnis, zu zweit diese Räumlichkeit zu mieten, oder?
Ilona: Aber wir glauben, dass es das wert ist – außerdem geht es darum, für andere Musikerinnen ein Zeichen zu setzen, denn es gibt im Business zu wenige davon. Es ist eben leichter, so einen Schritt gemeinsam zu machen, denn alleine hätte wohl keine von uns das Ganze stemmen können.
Malena: Viele Kolleginnen neigen dazu, auf eine Einladung zu warten. Darauf hatten wir keine Lust! Wir können uns das Ganze durchaus als Reihe vorstellen und im März soll es ja auch ein Wiederholungskonzert im Kreativ-Haus geben. Dort soll dann Musikerinnen im münsterschen Raum eine Bühne geboten werden.
Eure Musik-Videos kann man auf YouTube bewundern. Fangen wir mit Ilonas an: „Nacht“. Ist die Nacht als Symbol für die Corona-Zeit zu verstehen? Und wie sind die ganzen münsterschen Club-Betreiber wie zum Beispiel Steffi Stephan in das Video gekommen?
Ilona: Ich überlasse es dem Betrachter, den Begriff „Nacht“ zu interpretieren. Den hiesigen Club-Betreibern wollte ich einfach Anerkennung zollen, dass sie durchgehalten haben. Das Video haben wir produziert, als die Clubs gerade wieder öffneten. Dann habe ich einfach einen nach dem anderen angefragt und bin mit meiner Videografin von einer Location zur nächsten gegangen. Die Club-Chefs haben wir dann immer mit einer kleinen Einblendung gewürdigt, auch um dem Publikum mitzuteilen: „Bitte kommt wieder in die Clubs!“ Der Song reflektiert natürlich ebenso existenzielle Fragen: Wo kommen wir eigentlich her und wohin gehen wir?
Schöne Überleitung zu Malenas Videos. Du hast drei gemacht und in „Sag mir“ geht es um das Gefühl der Heimatlosigkeit. Das fand ich überraschend, weil alle Zugezogenen, mit denen ich je gesprochen habe, sagten, dass sie sich in Münster sofort heimisch fühlten.
Malena: In dem Lied geht es um Wurzeln. Ich bin 1989 gemeinsam mit meiner Familie aus Polen immigriert. Mittlerweile bin ich 13 Mal umgezogen. Vor drei Jahren lebte ich in Nottuln, fühlte mich dort eigentlich wirklich zu Hause und auch als Deutsche. Dennoch kam mir die Frage: „Ist dies nun wirklich deine Heimat? Habe ich den Kontakt zu Polen verloren? Ein Land, in dem ich zu der Zeit lange nichtmehr gewesen war“ Heimat als Sehnsuchtsgefühl ist damals sozusagen in mir ‚aufgeklappt‘. Und mir wurde klar, dass Heimat für mich eigentlich kein fester Ort ist. Diese Art von Verwurzelung ist mir verloren gegangen. Das finde ich aber gar nicht schlimm – man kann sich an vielen Orten zu Hause fühlen, solange man geliebte Menschen um sich hat. Ich glaube jedoch, dass diese Frage nach der Heimat viele Menschen umtreibt.
Letzte Frage: Wo wollt ihr musikalisch hin? Und bleibt ihr hier im Münsterland verwurzelt?
Beide: Natürlich haben wir im münsterschen Raum eine gewisse Bekanntheit erlangt, aber es wäre natürlich toll, über diesen Tellerrand hinauszuschauen. In jedem Fall wollen wir der deutschsprachigen Musik treu bleiben.
Malena: Apropos Sprache: Neulich habe ich eine Facebook-Nachricht von meiner polnischen Cousine und ebenso von einem Japaner bekommen. Beide sagten, dass sich ihnen die Gefühle meiner Songs mitteilen, obwohl sie kein Wort Deutsch können! Die Musik wirkt eben unmittelbar; man muss die Texte gar nicht immer verstehen – wenn sie ehrlich sind!
Ilona: Auch darf man eines nie vergessen: Niemand kann deinen eigenen Song so singen wie du selbst.
INFO
Ilona Koenig und Magdalena Kryspin
Sie sind gestandene und vielseitige Musikerinnen, die in der hiesigen Szene bestens bekannt und vernetzt sind. Beide kennt man als Frontfrauen diverser Bands, die von Jazz über Funk zu Soul viele Stile beherrschen. Nun widmen sich beide dem deutschsprachigen Popsong – jede für sich mit eigener Band. Die Vernetzung von – insbesondere weiblichen – Musikern ist ihnen ein Anliegen. Ein Anfang wird am 5. November um 20 Uhr im Engelsaal des Atlantic Hotels gemacht.
Autor Arndt Zinkant / Fotos Armin Zedler
Erstmalig erschien dieser Text in Stadtgeflüster Interview Oktober 2022
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