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Arndt Zinkant führt ein friedfertiges Gespräch mit „Ausbilder Schmidt“

ZACK ZACK, IHR LUSCHEN!

Die Bundeswehr bringt selten Komisches hervor – aber manchmal eben doch. Als Holger Müller seinen Wehrdienst absolvierte, schlüpfte er zum Spaß seiner Stubenkameraden in die Rolle eines beinharten Schleifers. Die Geburtsstunde von „Ausbilder Schmidt“. Diese Bühnenfigur verfeinerte Müller später in der Kölner Comedy-Schule – der Rest ist Kult. Nach über 800 Showauftritten und 150 000 verkauften CDs hätte nun das 20. Bühnenjubiläum angestanden. Aber wegen Corona schnauzte der Schleifer seine Fans online an.

Wie ist die Figur „Ausbilder Schmidt“ seinerzeit entstanden? 

Bereits als Teenager habe ich mich für die Sketche von Monty Python begeistert. Als ich dann meinen Wehrdienst bei der Luftwaffe ableistete, habe ich die Kumpels auf der Stube dann immer als Ausbilder „zur Sau gemacht“. Die fanden das lustig – aber die Jungs aus der Nachbarstube bekamen das ja nur akustisch mit! Die haben also nicht kapiert, dass ich das war, und fragten: „Was war denn das für ein harter Hund von Ausbilder? Ganz furchtbar!“ Ich hatte das so typisch à la Monty Python gebracht: „Ist das nun ernst oder nicht?“ Das war die Geburtsstunde von „Ausbilder Schmidt“. 

 

Und dann hast du dem Ausbilder ab 1999 an der Kölner Comedy-Schule den letzten Schliff gegeben? 

Ja, da war ich dann allerdings bereits 30 und es waren seit dem Bund zehn Jahre vergangen. Während dieser Zeit kam der „Ausbilder“ in meiner eigenen Comedy-Truppe ab und zu mal vor, war aber nicht abendfüllend. Nachdem ich während dieser Zeit in der Schmuckindustrie gearbeitet hatte, bin ich nach Köln gezogen und habe die Comedy-Schule besucht. Dort bekam ich dann meinen professionellen Schliff, und die eigentliche Zeit für Ausbilder Schmidt begann. 

 

Der Wehrdienst ist ja nun ausgesetzt. Hast du Bedenken, dass die Figur veraltet und immer weniger verstanden wird? 

Die Figur ist sicherlich nicht mehr zeitgemäß, aber trotzdem noch lustig. Aber das Geheimnis des langen Erfolges vom Ausbilder liegt auch darin, dass er mit mir alt geworden ist. Natürlich nimmt er zu aktuellen Themen Stellung und ist insofern auch up to date. Aber einen Typen wie Ausbilder Schmidt gibt es heute bei der Bundeswehr wohl nicht mehr. 

 

Er ist in der Comedy-Szene doch ein Outsider, oder?

Mir war immer klar, dass diese Figur abseits des Mainstreams operiert. Sie ist eine Art Comicfigur, weil völlig überzogen. Ausbilder Schmidt ist eine Persiflage auf alles, was militant ist. Da war ich wie gesagt von Monty Python geprägt, die derlei auch immer heftig aufs Korn genommen haben. Meine Erwartungen an die Figur waren gar nicht so groß, und ich hätte nie gedacht, dass ich damit nach so langer Zeit noch auf Tour gehen könnte. Ich bin der Überzeugung, dass gute Comedy polarisieren muss – was allerdings immer schwieriger wird. Der Comedian von heute muss Talkshow-kompatibel sein und notfalls auch zu ernsten Themen Stellung nehmen können. Die Erwartung an ihn ist heute eine andere als noch vor 20 oder 30 Jahren. 

 

Die Komiker alter Schule wie Monty Python geraten ja immer mehr unter Beschuss. Stichwort: Cancel Culture. Die BBC hat kürzlich stolz verkündet: „Die würden bei uns heute nicht mehr laufen!“ Wie siehst du dieses Thema? 

Da hat sich der Zeitgeist gewandelt, insbesondere was den Umgang mit Minderheiten betrifft, Gott sei Dank. Witze auf Kosten von Randgruppen muss man sich genau überlegen, was und wie man entsprechend rüberbringt. Außerdem hat man über die Jahre viel mehr dieser Leute aus dieser Community kennengelernt und hat sie mittlerweile im Freundeskreis. Wenn man noch jung ist, macht man eben mal Witze über jemanden mit einer anderen Sexualität, weil man es einfach nicht besser weiß. Mit 20 Jahren Lebenserfahrung mehr kommt dann die Überlegung, ob man einen Witz nicht anders formulieren oder ganz bleiben lassen sollte. Beim deftigen Schwulenwitz von anno Tobak würde das heutige Publikum nur die Nase rümpfen. Heute macht der Ausbilder mehr Witze über „Kevins“ oder stark tätowierte Zeitgenossen. 

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Wir sprechen heute auch aus aktuellem Anlass: deinem 20-jährigen Bühnenjubiläum. Wie zelebrierst du das? 

In der Tat bin ich 2002 das erste Mal so richtig mit der Figur auf Tour gegangen, und das sollte ursprünglich auch mit einem Bühnenjubiläum gefeiert werden. Aber leider ist uns Corona dazwischengekommen. Ich hoffe, dass ich spätestens im März auf „normale Tour“ gehen kann. Die meisten Theater wollen jetzt unter entsprechenden Auflagen wieder öffnen, und ich möchte ebenfalls diverse Nachholtermine absolvieren. Die eigentliche 20-Jahr-Feier wird also leider ausfallen, aber ich hoffe dann auf das 25-jährige Jubiläum. 

 

Die Pandemie hat viele Bühnenkünstler schwer getroffen, aber du bist relativ gut durchgekommen – zum Beispiel mit Auftritten über Zoom. 

In der Tat ist unsere Branche schwer gebeutelt, dazu gehören natürlich auch Veranstalter oder Theaterbesitzer, Techniker oder Caterer. Das ist eben die Welt, in der man sich als Bühnenmensch bewegt. Und ich fürchte, die eigentliche Krise kommt erst noch. Dann, wenn eigentlich offiziell alles vorbei ist, werden einige Theater nicht umhinkommen zu schließen. Technikfirmen werden ebenso verschwunden sein wie Künstler. Man muss sich dann im Prinzip noch einmal ganz neu aufstellen, was für neue, junge Künstler sogar eine Chance sein kann. Was meine Zoom-Auftritte angeht, war ich zunächst selber skeptisch, habe es dann jedoch als tolles Format erlebt. Dabei kamen solche Shows heraus wie „Trinken online“ oder „Anschiss online“. 

 

Nun haben wir ja vor Kurzem eine neue Regierung bekommen. Der Ausbilder versteht sich zwar nicht als politischer Kabarettist, aber trotzdem: Was würde er der neuen Regierung hinter die Ohren schreiben?

Er würde sagen: „Zack, zack! Butter bei die Fische! Jetzt muss mal was geliefert werden!“ Das würde ich aber als Privatperson Holger Müller ebenfalls sagen; man kann sich nicht immer hinter Bürokratie verstecken. Ich habe das Gefühl, die wollen es irgendwie allen recht machen, und das geht eben nicht. Man muss sich irgendwann mal für eine Linie entscheiden und diese dann durchziehen. Ich weiß, dass die Pandemie eine schwere Herausforderung ist, und will in diesem Punkt auch keinem Politiker den Respekt verweigern. Trotzdem: Bisweilen verströmt eine neue Regierung ja einen bestimmten Elan – aber hier habe ich das Gefühl, es geht alles noch langsamer als zuvor. 

 

Also könnte man sagen, dass die Politik auch immer mehr aus Luschen besteht? 

... und auch Luschinnen. Hier wollen wir mal das Gendern nicht vergessen. (lacht) 

 

Vielen Comedians dient ihre bekannte Bühnenfigur ja irgendwie als Schutzmaske. Bestes Beispiel: Atze Schröder. Wünschst du dir andererseits manchmal, dass dein richtiger Name bekannter wäre, wie etwa der eines Dieter Nuhr? 

Alles hat seine Vor- und Nachteile. Allerdings bin ich jemand, der gerne unter dem Radar schwebt. Ich liebe es zwar, auf der Bühne zu stehen, aber eben nur als Ausbilder Schmidt. Mich erkennt privat eigentlich niemand, und ich habe das auch nie vermisst. Wenn ich mit wirklich bekannten Kollegen mal essen war, sei es Axel Stein oder auch Mario Barth – das ist die Hölle! Die können ja gar nichts mehr machen, ohne erkannt zu werden. Und sitzen dann irgendwo im Restaurant in der hintersten Ecke, und dann kommen Leute rein, legen den Arm um dich und wollen ein Foto machen. Das mag man am Anfang vielleicht genießen, aber wenn du das dein ganzes Leben lang hast, wird es echt anstrengend. 

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Du unterhältst auch ein eigenes kleines Theater. Wie ist es dazu gekommen? 

Ich habe mit der Comedy mein Hobby zum Beruf gemacht, was absolut toll ist – aber was ich total unterschätzt habe: Man hat dann kein Hobby mehr! Da dachte ich mir, dass ich einfach noch ein anderes Hobby betreiben muss, und kam auf das eigene Theater. So habe ich mir in Ostfriesland ein kleines Haus gekauft, ganz auf dem Land, und es zu einem kleinen Theater umgebaut, in das nur 50 Leute passen. Meine Bühne liegt direkt beim „Otto-Leuchtturm“, den man aus einem seiner Kinofilme kennt. Ich mache dort alles selbst, ob Kasse, Technik oder Toilette. Dort trete ich dann entweder selber auf oder aber Kollegen, die ich gut kenne. Über den Sommer gibt es so um die 30 Veranstaltungen. Was übrigens toll ist: An diesem Platz bin ich dann nicht Ausbilder Schmidt, sondern der „Herr Theaterbesitzer“. (lacht) 

 

Letzte Frage: Ist der Ausbilder im Herzen Pazifist oder will er insgeheim doch mal an die Front? 

Pazifist! Er hätte gar nicht den Mumm, irgendwo einzumarschieren. Er ist halt nur ein Ausbilder, der so tut, als ob … Als ich die Figur entwickelte, dachte ich mir immer: „Was ist die weiche Seite von so einem Ausbilder?“ Beim Schmidt ist es so, dass er total auf Gänseblümchen steht. Das darf aber nie jemand erfahren! Was natürlich Probleme mit sich bringt, wenn er beim Manöver mit dem Panzer immer um die Gänseblümchen herumfährt und seinen Rekruten diese Marotte erklären muss. (lacht)

 

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INFO

Holger Müller

Holger Müller (geb. 1969) erfand während seines Wehrdienstes die Figur „Ausbilder Schmidt“. Im Mai 1994 gründete er die Comedytruppe Les Hot Banditos sowie 1997 die Kleinkunstbühne „Theaterchen“ in Idar-Oberstein. Nachdem er 1999 seinen Abschluss an der Köln Comedy Schule gemacht hatte, wurde „Ausbilder Schmidt“ einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Es folgten Bühnen-, Radio- und Fernsehauftritte und 2008 sogar ein Kinofilm: „Morgen, ihr Luschen!“ Während Corona hieß es für seine Fans aber nur: „Anschiss online“.

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Autor Arndt Zinkant / Illustration Thorsten Kambach / Fotos Timo Mueller, Manfred Wegner

Erstmalig erschien dieser Text in Stadtgeflüster Interview März 2022

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