Bei diesen Temperaturen gibt es Einiges, was mir einfallen würde. Strand, Eis, Chillen, Urlaub, oder:
… MOVE Y´all
Thorsten Kambach und Henning Wehland über die Kunst, sich am Tresen des Lebens neu zu erfinden, über H-Blockx, Münster Mittendrin, das Leben, Bürgermeister zu lernen und Anderes; ach, lest einfach …
Seid ihr nervös?
Eine gewisse Anspannung ist natürlich da! Die braucht man auch. Jeder in Münster weiß, dass hier der perfekte Tisch gedeckt ist. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich solche Herausforderungen liebe und wir sind bereit.
Es ist ein Jubiläumsauftritt, 25 Jahre TIME TO MOVE.
Wir feiern die Tatsache, dass wir nach so langer Zeit immer noch Musik machen können. Dass es Menschen und Fans gibt, die unsere Idee von 1994 teilen. Es gibt nicht viele Sachen, die mich so begeistern, wie Menschen nach 1-2-3-4-MOVE Y´all …
Warum habt ihr so lange gewartet?
Es gab vorher keinen Anlass. Das Jubiläum und die Tatsache, dass Bernie Redeker, Pitti Duyster und meine Frau Kira so viel Ausdauer bewahrt haben, hat schließlich dazu geführt, dass Tinte und ich die Band wieder zusammengebracht haben.
Ihr seid eine tolle Liveband, ich kann dich beruhigen.
(Lacht) Danke, ich denke auch, wir haben inzwischen gelernt, auf einem Tisch zu stehen und dabei zu unterhalten, egal ob da zwei oder hunderttausend Leute stehen.
Was ist dein Antrieb, auf eine Bühne zu gehen?
Ich habe noch was zu sagen! Das ist wichtig! Wo sind die Musiker, Texter, Künstler, die noch auf die Pauke hauen wollen?! Musik ist die Plattform, auf der ich protestiere! Wie geil ist das denn?
Wow, das klang jetzt direkt nach einem neuen Song – sollten wir aufschreiben!
Gemacht. Aber im Ernst, so kann ich völlig frei von meinem Leben erzählen, meine Geschichten auftischen. Davon, wie ich die Welt heute sehe. Daher war es für mich auch wichtig, meine eigenen Songs zu schreiben, meine Geschichten zu erzählen und meine Haltung zu zeigen. Daher habe ich 2017 mein erstes Soloalbum herausgebracht.
Du arbeitest ja schon an neuen Songs für das nächste Album. Wie unterscheidest du dich als Solomusiker von den H-Blockx?
Die Faszination H-Blockx ist für mich mit einem Wort zu beschreiben: ENERGIE! Insofern stehen meine neuen Songs dem in nichts nach. Aber ich versuche weniger, mich in eine musikalische Schublade einordnen zu lassen, als vielmehr einfach gute Musik zu machen.
Du singst auch auf Deutsch.
Unsere Message bei den H-Blockx war immer die, dass wir keine hatten. Das ist nun der wesentlichste Unterschied, würde ich sagen. Gerade jetzt, bei meinem neuen Album „Gesetz der Toleranz“, geht es mir darum, Arme aufzumachen, Hände auszustrecken, aber auch mal den rebellischen Zeigefinger in die Wunden unserer Gesellschaft zu legen. Aber alles verbunden mit einer positiven Energie, eher ein Wachrütteln als pessimistische Resignation. Und da fällt es mir tatsächlich auch leichter, mich in meiner Muttersprache auszudrücken – und es macht Spaß, diese auch immer wieder neu herauszufordern.
Gesetz der Toleranz klingt ja schon an sich nach einem Widerspruch …
Das könnte man vielleicht vermuten. Deshalb mag ich das Wortspiel ja auch so gerne. Was ich damit sagen will, ist, dass ich es wichtig finde, nicht immer gleich draufloszubrüllen und alles zu verdammen, was einem fremd ist. Toleranz ist ein Charakterzug, der uns in der letzten Zeit abhandengekommen ist. Mit Gesetz will ich die Dringlichkeit unterstreichen, dass wir unser Denken umkrempeln müssen, damit diese Gesellschaft nicht vor die Hunde geht.
Wie bringst du dich heutzutage „unter die Leute“ – du bist ja nicht aufgewachsen mit Instagram und Co., so wie die jungen Musiker. Wie nutzt du sowas?
Die sozialen Netzwerke sind einfach eine neue Möglichkeit! Ich als Musiker habe nach wie vor Inhalte, die ich verbreiten möchte. Mit getnext.to habe ich eine Plattform gefunden, die mich optimal mit meiner Community verbindet. Neben meiner Musik kann man auf meinem Profil auch meine Blogs, Hintergrundberichte, Videos und alles über mein kreatives Schaffen erleben – für alle, die an mehr Infos interessiert sind, die über die üblichen zwei bis drei Zeilen hinausgehen.
Eine gute Geschichte ist zeitlos, egal welches Medium sie transportiert. Auch für die Geschichtsbücher: In Münster fanden kürzlich die Europawahlen statt.
(Lacht) Genau. Das ist Münster … hier fanden die Europawahlen statt. Natürlich auch mit der höchsten Wahlbeteiligung weit und breit. Aber ich vermute, ich weiß, worauf du hinauswillst.
Genau, bald finden in Münster wieder die Bürgermeister-wahlen statt – wenn du immer noch Bürgermeister werden möchtest, bist du dazu inzwischen zu den Grünen gewechselt? Die gewinnen ja momentan alles, was gewählt werden kann.
(Lacht) Ich bin dafür, überparteilich zu denken. Deshalb würde ich Markus Lewe bitten, mich als Praktikanten einzustellen, damit ich mir mal ein Bild von meinem zukünftigen Amt machen kann. Es geht für mich nicht um Grün oder Rot, solange es nicht Braun oder Gelb ist. Ich will Haltung zeigen. Dafür trete ich auch mit meinen neuen Liedern an! Mein neues Album heißt nicht umsonst „GESETZ DER TOLERANZ“. Ich gebe die Hoffnung nie auf. Wir können mehr. Das ist mein Ansporn, auf die Bühne zu gehen. „Nazis raus“ kann jeder. Ich will, dass Nazis umdrehen. Dafür trete ich an. Als Musiker, Mensch – und wenn es sein muss auch als Bürgermeister.
Warum möchtest du ausgerechnet bei Markus Lewe …
… hospitieren? Weil er einer der kompetentesten Politiker ist, die ich kennenlernen durfte.
Wie viele kennst du?
(Denkt länger nach): Um die 100.
Ehrlich, so viele?
Darum geht es ja nicht. Vielmehr darum, dass Menschen sich politisch aktivieren. Das Phänomen „Fridays for Future“, über Parteiabzeichen hinaus etwas zu wagen, das finde ich wichtig. Und diesen Trend finde ich toll! Wenn ich Bürgermeister bin, will ich als erstes den Parteienklüngel abschaffen. Wir brauchen Lösungen, überparteilich!
Soll das heißen, dass du auch als Bürgermeisterkandidat parteilos wärest?
Ja.
Aber nochmal, kannst du mir sagen, wann du antreten möchtest?
Mir geht es darum, erstmal Möglichkeiten zu schaffen: Türen aufzumachen! Deshalb würde ich gerne den amtierenden Bürgermeister dabei begleiten, Politik im „Alltag“ zu prägen. Und deshalb strebe ich ein Praktikum bei Lewe an. (Grinst)
Ich hätte schon einen Wahlslogan für dich!
Schieß los.
Münster: Time to Move.
INFO
Ist geboren im mittelspäten 20. Jahrhundert, ist Mitgründer der
H-Blockx, Autor, Komponist, der letzte an der Bar und zudem überzeugt davon, dass Gott ein DJ ist. Als die H-Blockx ihren internationalen Durchbruch feierten, war er gerade Anfang 20 und er sah die Welt durch MTV, nicht weil er davor saß, sondern mittendrin und dabei war. Bewegte Zeiten. Er ist außerdem natürlich, aber das wissen nahezu alle, in Wolbeck geboren und verweilt so gerne im Rick´s Café. An dieser Stelle einen Dank an Volker „Gogel“ Grote. Selten so einen Gastgeber erlebt, du bist einfach allen meilenweit voraus, das sagen alle, danke!
Viele, viele weitere Infos zum Henning Wehland erfahrt Ihr am besten hier:
Autor Thorsten Kambach / Foto Maren Kuiter
Erstmalig erschien dieser Text in Stadtgeflüster Interview
August 2019
Alle Rechte bei Stadtgeflüster – das Interviewmagazin vom