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Tom Feuerstacke und Dieter Meis haben einen verbalen Blick durch die Brille

KLEIN, ABER FEIN

Du wirst Fußballprofi und du weißt: Du bist richtig gut. Du bist ein harter Hund. Eigentlich ist alles klar, wie das Leben so weiter verläuft. Du merkst, dass das nicht alles und nicht nur das Richtige ist. Also entscheidest du dich zu studieren. Und während der Rest deiner Kameraden sich auf Fußball und Freizeit konzentrieren, beschäftigst du dich mit Marketingstrategien und berätst Firmen. Und weil Fußball vergänglich ist, verfolgst du ein anderes Ziel und wirst ein gefragter Mann auf deinem zweiten Weg. Aber wer glaubt, dass einem das zu Kopf steigt, ist Dieter Meis noch nicht begegnet.

Dieter, als ich mich heute zu unserem Gespräch auf den Weg gemacht habe, dachte ich, dass ich in einem kleinen Laden auf einen Optiker treffe, der Brillen zusammenschraubt. Jetzt treffe ich dich hier im stylishen Büro am Germania Campus?
(Lacht) Ich habe praktisch keine Ahnung von Optik. Strategisch schon.  

 

Was ist denn der Dieter Meis nun?
Ich bin Betriebswirtschaftler und Marketingexperte. Als solcher war ich viele Jahre als Unternehmensberater tätig. Durch einen Zufall habe ich mich 1986 um einen Auftrag bei Fielmann-Optik in Hamburg beworben. Den damaligen Querulanten in der Branche.

 

Was heißt in diesem Zusammenhang „Querulant“?
Fielmann hatte seinerzeit die ganze Branche durch Vertriebsformen und Vorgehensweisen aufgemischt. Das schmeckte den traditionellen Optikern nicht. Die Branche fing an, sich zu verändern. Als ich anfing, verfügte Fielmann über 90 Standorte. Als ich als Berater aufhörte, gab es 820 Läden und somit war Fielmann in Europa die Nummer eins.

 

Was genau hast du als persönlicher Berater vom Senior gemacht?
Ich habe persönlich die Akquisition vorangetrieben und die Unternehmenskäufe durchgeführt. Mich um die Umwandlung der Filialen gekümmert. Insgesamt habe ich etwa 240 Standorte auf dem Buckel. Ich habe mich um die Ostentwicklung und die Schweiz gekümmert. Für die ersten Geschäfte auf dem österreichischen und niederländischen Markt war ich auch verantwortlich. Auch für die Einführung der Hörgeräte-Akustik. Als persönlicher Berater von Herrn Fielmann agierte ich bis zum Schluss aus meinem kleinen Büro in der Wemhoffstraße in Münster. 

 

Aber wie genau bist du denn an die Optik geraten? Das klingt erst mal nicht nach einem traditionellen Weg.
Ich hatte von Fielmann verschiedene Läden 1989 hier in Münster und Greven gekauft und unterhalten. Mit dem Börsengang 1994 musste das Unternehmen die Standorte zurückkaufen, damit die Umwandlung zur Aktiengesellschaft funktionieren konnte. Ich habe eine lange Geschichte in der Optik. Aber eben als Berater. Ich hatte das Glück, dass ich für den Marktführer die ganze Zeit arbeiten durfte. 

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Du hast als Berater ausschließlich für Fielmann gearbeitet. Ist das nicht eintönig, jeden Tag sich mit denselben Dingen zu beschäftigen?
Ich hatte als Berater auch noch andere Mandate. Unter anderem habe ich vor einigen Jahren den Weltbild-Verlag saniert. Das war eine ordentliche Krise, die da bewältigt werden musste. Zudem habe ich meine eigene Firma „klein, aber fein“ gegründet.

 

„klein, aber fein“ ist was?
Eine echte Alternative zu großen Filialgruppen. Wir stehen bundesweit für den Erhalt und Erfolg von traditionellen lokalen Fachgeschäften im Bereich Augenoptik und Hörakustik. Mittlerweile sind es 100 Betriebe mit circa 550 Mitarbeitern.

 

Klingt so, als wäre es der krasse Gegensatz zum Geschäftsmodell Fielmann?
Genau. Die Philosophie lautet nicht „anmieten und neu machen“. Wir kaufen bestehende Unternehmen auf. Das Konzept lautet „buy and build“. Wir kaufen und entwickeln in bestehende Unternehmen. Schauen uns an, wo es Optimierungsbedarf gibt. Am häufigsten geht es dabei um die Förderung der Mitarbeiter. Ich punkte bei diesen Projekten mit meinem Fachwissen und meiner Vernetzung. 

 

Was ich noch immer nicht verstehe, Dieter: Was genau hast du gelernt oder studiert? 
Ich bin gelernter Marketingfachmann. Das habe ich studiert. Und während ich als Fußballer und Torjäger für den SVA und DJK Gütersloh große Schlachten gegen SC Preußen Münster geschlagen habe, arbeitete ich als Marketingfachmann. Ich konnte beides verbinden. 

 

Jetzt wird es spannend und verwirrend zugleich. Du warst also auch als Fußballprofi am Start? 
(Lacht) Ich habe in der zweiten Liga nach Nürnbergs Abstieg mit Max Merkel gespielt. Da mich die Werbung interessiert hat, habe ich eine Ausbildung bei Schickedanz gemacht. Anschließend studierte ich Betriebswirtschaftslehre. Mit dem Abschluss in der Tasche wechselte ich nach Gütersloh, wo ich Fußball spielte und bei Bertelsmann arbeitete. Somit konnte ich im Bereich Marketing bei dem Weltkonzern viel lernen.

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Wenn ich das richtig gelesen habe, bist du gebürtiger Ahauser. Wo es dich auch wieder hinzog? 
Ich bin gebürtiger Ottensteiner und Jens Spahns Vater ist der Nachbar meiner Oma. Es zog mich zurück ins Münsterland und ich wechselte als Fußballer zum SC Preußen Münster. Gleichzeitig hatte ich ein kleines Büro in Düsseldorf mit Walter Droege – einem der reichsten Deutschen. Kennengelernt hatten wir uns bei Kienbaum, wo wir zusammen beschäftigt waren. Walter hatte mich 2015 gebeten, „Weltbild“ zu sanieren, was ich erledigt habe. Ein schrecklicher Job. 

 

Fußballspieler und Marketingexperte. Da könnte man meinen, dass du der bestbezahlte Fußballer ever warst?
Durch die Kombination habe ich bei Preußen finanziell am besten dagestanden. Ich war der erste Porschefahrer unter den Preußenspielern. Dazu muss man aber sagen, dass während meine Fußballerkollegen in der Poofe lagen und mit ihrer Freundin geschmust haben, war ich in Düsseldorf und habe dort in einer Werbeagentur gearbeitet. Nachmittags zum Training stand ich pünktlich auf dem Rasen und hatte mich vorher auf dem Parkplatz in Ascheberg umgezogen. Immerhin war ich bei dem großen Sieg gegen den BVB 1977 vor 42.000 Zuschauern, die den Arsch nassbekommen haben, als Spieler dabei. 

 

Für die Entscheider bei Preußen war klar, dass du neben dem Platz noch arbeitest?
Das war eine Bedingung, die ich durchgesetzt habe. Klar war denen da gar nichts. Das merkte ich besonders in den Trainingslagern, als mich der lieber Karl Krekeler fragte, was die FAZ ist und warum ich die Frankfurter Allgemeine Zeitung lese. Da stellte ich mir so langsam die Frage, ob Fußball noch meine Heimat ist. 

 

Was ich nicht verstehe. Du hast die Möglichkeit, Fußballprofi zu werden und entscheidest dich zusätzlich zu studieren und fährst beruflich zweigleisig. Würdest du heutzutage die Entscheidung erneut so treffen?
Ich bin der Auffassung, dass das heutzutage schwierig ist. Ich finde Preußen heute immer noch gut und es hätte mich auch interessiert, Präsident zu werden. Die Zeiten haben sich geändert und diese Kombination ist heute im Profifußball nicht mehr möglich. Man stelle sich am Beispiel Preußen Münster vor, dass dort Vollprofis im Amateurbereich spielen. Das ist knapp über der Landesliga. Während zu meiner Zeit die zweite Liga aus Semi-Profis bestand. Ein junger Mensch, der Talent hat, wird schon früh beobachtet und die Berater stehen vor der Tür. Also Profi zu werden und Vollzeit nebenherzuarbeiten, wie ich das gemacht habe, ist heute nicht vorstellbar. 

 

Was mir in unserem Gespräch die ganze Zeit auffällt: Du bist ein totales Arbeitstier. Immer in Bewegung. Ich spüre keinen Stillstand. Was kommt als Nächstes?
Ruhe kommt. Ich bin mit fast allem durch. Ich habe vier großartige Töchter, die mich unterstützen und auf die ich stolz bin. Hinzu kommt, dass ich frisch verliebt bin.

 

Kommt da jetzt noch was?
(Lacht) Ich bin durch mit dem Thema, weil meine Kinder nun auf eigenen Füßen stehen. Ich kann mir jetzt aussuchen, was ich machen werde.  

 

Du wirkst auf mich sehr locker und offen. Aber um einen solchen Weg zu wählen, wie du es gemacht hast, und ein solches Unternehmen zu gründen mit der Philosophie, die „klein, aber fein“ vorgibt. Da braucht es eine große Disziplin?
Die berufliche Herausforderung ist enorm. Ich bin jeden Tag Punkt 7:30 Uhr im Büro in der Wemhoffstraße. Auch am Sonntag. Wobei es da erst um 9:00 Uhr losgeht. Jeden Morgen stehe ich um 5:00 Uhr auf und kümmere mich um meinen Hund. Und abends um 20:15 Uhr ist der Tag um. Bei aller Lockerheit habe ich Abläufe, die unheimlich genau sind.

 

Das machst du sieben Tage die Woche ohne Ausnahme?
Die einzige Ausnahme ist der Samstag, der mir sehr heilig ist. Pünktlich kurz vor neun trinke mich meinen Kaffee auf dem Markt und schleiche anschließend in die Messe im Dom. Anschließend kaufe ich bei Krawinkel Käse und besorge Blumen. Frau Krawinkel war damals Kassiererin bei Preußen. Sie hat mir immer meinen Scheck ausbezahlt. Kurz vor zehn geht es zu Stuhlmacher, wo ich ein Sonderrecht habe, und lese die Zeitung. Später stoßen Freunde dazu und wir trinken zusammen drei Halbe und teilen uns zwei Korn. Mittags geht es zu Pasta e Basta auf leckere Nudeln. Zwischendurch kaufe ich mir beim Vorbeigehen bei Schnitzler noch was. Da habe ich eine großartige Dame kennengelernt, die ich zehn Jahre verehrt habe. Jetzt ist es endlich passiert. Auf dem Weg nach Hause wird die Sauna gestartet und etwas Bundesliga gehört. Abends noch zu meinem Italiener nach Rheine und dann pünktlich wie jeden Tag um 20:15 Uhr ins Bett. Das ist mir heilig.

 

Alles, worüber wir gesprochen haben, ist eine Erfolgsgeschichte. Vermutlich gibt es eine große Zahl an Menschen, die sofort mit dir tauschen würden. Aber gibt es da nicht was, das nicht sehr störungsfrei lief?
Jeder von uns weiß, dass es im Privaten immer mal Up and Downs gibt. So ist es ebenfalls bei mir. Geschäftlich hat es auch Jahre gegeben, wo ich kämpfen musste. Geschenkt wurde mir nie was. Ich musste mich für alles deutlich strecken. Und während andere sich eher mal auf die Schulter klopfen, verfolge ich weitere Ziele. Aber eines habe ich von meinem Opa gelernt, der Malermeister war. Er sagte immer auf Plattdeutsch: „Mehr als ein Kotelett auf einmal kannst du nicht essen.“ 

 

Du führst ein nobles Leben. Du kannst dich wohlhabend zurücklehnen. Was will man da mehr?
Ganz so ist es nicht. Ich würde sagen, ich komme klar. Ich kann mir das erlauben, was ich will. Das meine ich nicht überheblich, sondern in aller Demut. Ich habe vielleicht ein, zwei Dinge, die ich mir gegönnt habe. Klar muss ich nicht darauf achten, was ich mir kaufe. Ich mache mir ebenso keine Gedanken darüber, wen ich bei Stuhlmacher einlade. Das ist auch scheißegal. Aber vor allem zeige ich das nicht offensiv. Weil es der Arbeit der vielen Menschen, die mich in den Betrieben begleiten, nicht gerecht würde. Ich bin ein bekennender Katholik und glaube, dass da oben einer ist und mich quatschen hört. Der fragt sich, was ich für eine Scheiße erzähle, ohne zu wissen, was in vier Wochen ist. Da ist die Story vielleicht vorbei. Von daher: vorsichtig sein und eigentlich jeden Tag in Ordnung finden. 

 

Ich danke dir für deine Offenheit und Ehrlichkeit. Bleibe gesund.
Bleibe auch gesund.

 

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INFO

Dieter Meis

Der 1948 in Münster geborene Fußballprofi hat sich bereits während seiner aktiven Karriere dazu entschieden, ein zweites Standbein zu schaffen. Als Marketingexperte und Unternehmensberater hat er an den ganz großen Rädern gedreht. Als Fußballer war er nicht mindergroß.

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Autor Tom Feuerstacke / Illustration Thorsten Kambach / Fotos Pressefotos

Erstmalig erschien dieser Text in Stadtgeflüster Interview Januar 2022

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